Offizin mit Tradition

Rothenburgs historische Apotheke – die letzte ihrer Art

Rothenburg - 11.03.2016, 13:20 Uhr

Außen traditionell, innen modern: Die Marien-Apotheke in Rothenburg. (Foto: Marien-Apotheke)

Außen traditionell, innen modern: Die Marien-Apotheke in Rothenburg. (Foto: Marien-Apotheke)


Apotheken mit zum Teil vielen hundert Jahren Tradition haben Charme. Die historischen Gebäude machen es für moderne Apotheker aber nicht unbedingt leicht, die Ansprüche einer Offizin des 21. Jahrhunderts zu erfüllen. In Rothenburg ob der Tauber gibt es daher nun nur noch eine historische Apotheke innerhalb der Mauern der Altstadt.

Der Tag im Jahr 1650, als die letzten Soldaten der siegreichen Katholischen Liga unter Graf von Tilly die Stadt verließen, war für Rothenburg ob der Tauber ein einschneidendes Datum. Seitdem verlor die im Dreißigjährigen Krieg besiegte und eingenommene bis dahin stolze Reichsstadt relativ schlagartig ihre Bedeutung. Was schlecht für die Entwicklung der Stadt war, war gut für sie als Kulturdenkmal und damit für zahlreiche Touristen, die sich die malerische bayrische 11.000-Einwohner Kleinstadt heutzutage gerne anschauen. Der Dornröschenschlaf, in den die Stadt damals verfiel, erhielt die mittelalterliche Bausubstanz einschließlich der Stadtmauer für die Nachwelt.

Schluss für Apotheke nach 641 Jahren

Als Apotheker im 21. Jahrhundert ist es dagegen nicht so leicht, an solch einer historischen Stätte zu bestehen. Anfang des Jahres schloss daher die Löwen-Apotheke am Marktplatz ihre Pforten. 641 Jahre lang hatte an dieser Stelle die Apotheke gestanden, urkundlich erwähnt bereits 1374 mit „Meister Peter, dem Apotheker“. Sie war die bis dahin älteste Offizin Rothenburg ob der Taubers. Nach dem Tod der Mitinhaberin Silke Kohnhäuser-Burkl hatte ihr Mann, Jürgen Kohnhäuser-Burkl, den Betrieb aufgegeben. Einen Nachfolger zu finden sei womöglich auch daran gescheitert, dass für einen Weiterbetrieb als Apotheke zahlreiche Umbauten hätten vorgenommen werden müssen, vermutet Benedikt Stegmann, Inhaber der nunmehr letzten Apotheke an historischer Stätte innerhalb der Stadtmauern, der Marien-Apotheke.

Auch wenn er so nun einen Konkurrenten weniger im Umfeld hat, glücklich ist Stegmann nicht über den jetzigen Leerstand der Löwen-Apotheke. „Ich finde das bedauerlich. Ein weiteres leerstehendes Gebäude schadet ja auch dem Bild der Altstadt“, sagt der promovierte Pharmazeut. Bei der Löwen-Apotheke seien allein schon die Stufen vor dem Geschäft ein großes Problem – für die Barrierefreiheit.


(Foto: Marien-Apotheke)


Moderne Technik in altem Gewölbe

Dass es auch anders geht und eine modern funktionierende Apotheke in historischem Gebäude und mit historischem Interieur betrieben werden kann, hat Stegmann innerhalb der Stadtmauern mit seiner Marien-Apotheke bewiesen – und außerhalb, im neueren Teil Rothenburgs, mit seiner Haupt-Offizin, der Reichsstadt-Apotheke, die er im ebenfalls historischen Gebäude des ehemaligen Amtsgerichts eingerichtet hat.

Bereits im Jahr 2006 hat noch sein Vater Friedrich die Marien-Apotheke unter anderem barrierefrei umgebaut, damit auch die zunehmend älter werdenden Patienten etwa mit Rollatoren die Offizin problemlos erreichen können. „Ohne diese Umbauten wäre der Betrieb als Apotheke heute gar nicht möglich“, sagt der Apotheker. Schon die Anforderungen der Apothekenbetriebsordnung hätten Modernisierungen notwendig gemacht. „Wir haben dabei die Inneneinrichtung der alten Marien-Apotheke beibehalten“, erklärt Stegmann, der Anfang des Jahres die Apotheken seines Vaters übernommen hat.

Tradition und Moderne sind kombinierbar

Nach außen hin bleibt also der historische Eindruck der 1812 gegründeten Offizin erhalten. Innen steckt aber unter anderem mit einem modernen Lagerautomaten im erhalten gebliebenen historischen Gewölbekeller auch modernste Technik. Tradition und Moderne ließen sich also durchaus  miteinander verbinden, sagt Stegmann – allerdings müsse man dazu Geld investieren. Bei der Löwen-Apotheke fand sich wohl kein Nachfolger, der dazu bereit gewesen wäre.

Wirtschaftlich hält sich die Marien-Apotheke über Wasser, auch wenn tendenziell immer mehr Ärzte die Altstadt verließen und auch die Parkplatz-Situation in den mittelalterlichen Gassen ein Problem sei. Dass Stegmanns Offizin sich auf die Versorgung von zwölf Kliniken spezialisiert hat, ein Reinraumlabor mit Zytostatika-Herstellung unterhält und ein hoher Anteil an  Eigenherstellung von Arzneimitteln dabei ist, tut dazu sein Übriges. Dennoch, „auch die Löwen-Apotheke hat gelebt“, sagt Stegmann.

Ursprünglich vier historische Apotheken

Insgesamt hatte es einst vier Apotheken innerhalb der Stadtmauern gegeben. In den 80er-Jahren schloss die 1708 gegründete Georgen-Apotheke. Ihre Einrichtung ist im Stadtmuseum erhalten geblieben. Von 1600 bis 1710 ist eine Mohrenapotheke nachgewiesen, die heute ebenfalls nicht mehr existiert. Die Marien-Apotheke von 1812 ist damit nun die älteste bestehende der Stadt.

Im neueren Teil der Kleinstadt, vor den mittelalterlichen Stadtmauern, hat Stegmann im alten Gebäude des Amtsgerichts, das in die Kreisstadt Ansbach umzog, die Reichsstadt-Apotheke eingerichtet. Außerdem steht den rund 11.000 Einwohnern noch die Landwehr- und die Toppler-Apotheke zur Verfügung.


Volker Budinger, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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