Technologie

Mit Nano-Fähren ins Gehirn

Düsseldorf - 14.03.2016, 11:20 Uhr

Es ist eine Herausforderung, Wirkstoffe ins Gehirn einzuschleusen. Mit Nanopartikeln könnte es klappen. (Foto: ktsdesign / Fotolia)

Es ist eine Herausforderung, Wirkstoffe ins Gehirn einzuschleusen. Mit Nanopartikeln könnte es klappen. (Foto: ktsdesign / Fotolia)


Trägersysteme für Wirkstoffe auf Nano-Basis sollen helfen, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden und Proteine, DNA oder RNA ins Gehirn einzuschleusen. Alzheimer oder Hirntumore wären nur zwei der möglichen Anwendungsgebiete.

Die Blut-Hirn-Schranke, die der Mensch mit allen Landwirbeltieren gemein hat, trennt den Blutkreislauf und das zentrale Nervensystem effizient voneinander. Nur wenige Nährstoffe können die von den Zellen der Gefäßwände gebildete Schranke überwinden – Krankheitserreger und Toxine, allerdings auch pharmazeutische Wirkstoffe bleiben zumeist davor. Forscher der Universität Heidelberg arbeiten nun in einem für drei Jahre von der Else Kröner-Fresenius-Stiftung mit rund 560.000 Euro geförderten Projekt an neuen Wegen, diese Schranke für Wirkstoffe passierbar zu machen.

Zusammen mit einem Forscherteam der Wayne State University Detroit arbeitet die Gruppe um die Professoren Gert Fricker und Ulrike Müller vom Institut für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie (IPMB) der Uni Heidelberg an der Weiterentwicklung von Trägersystemen aus Nanopartikeln, die auch mit großen Wirkstoff-Molekülen beladen werden können und sie ähnlich einer Fähre ins Gehirn einschleusen können.

RNA und Peptide sollen eingeschleust werden können

In ersten Versuchen mit einem Modellantikörper, den man in die Partikel eingebaut habe, habe man nach dem Abbau des Partikels noch rund 60 Prozent der Bindungsaffinität des Antikörpers nachweisen können. Das nun geförderte Forschungsvorhaben startet im April 2016 und soll zum einen einen Ansatz zur Therapie von Gehirntumoren weiterführen. Die Biologicals, die dazu an die Nanopartikel gebunden werden sollen, sind in dem Fall sogenannte siRNAs, small interfering RNAs. Diese Biomoleküle greifen spezifisch in die Proteinbiosynthese ein. Das Forscherteam um Professor Olivia Merkel von der Wayne State University Detroit stellt dazu siRNAs zur Verfügung, die die Expression bestimmter Gene von Gehirntumoren unterbinden sollen.

In einem zweiten Ansatz geht es um die Therapie von Alzheimer. Das Team um die Neurobiologin Professor Ulrike Müller stellt dazu ein APPsα genanntes Peptid zur Verfügung. Dieses vergleichsweise kleine Eiweiß-Molekül gilt als Antagonist der als eine Ursache für Alzheimer geltenden Ablagerungen aus β-Amyloid.

Versuche in Zellkultur und am Tiermodell

In den Versuchen sollen zunächst die notwendigen Charakteristika der Nanopartikel für den Transport dieser makromolekularen Wirkstoffe, was etwa Größe und Ladung betrifft, dargestellt werden. Weitere Versuche sollen dann mit Zellkulturen sowie im Tiermodell an Ratten stattfinden.

„Das Potenzial für diese Wirkstoff-Fähren ist sehr groß“, sagt Fricker. Die Pharmaindustrie habe ein großes Interesse daran. Entsprechend fördert die gemeinnützige Else Kröner-Fresenius-Stiftung das Vorhaben als ein Schlüsselprojekt. Das sind bei der Stiftung solche, die das Potenzial aufweisen, grundlegende und für ein ganzes Forschungsgebiet richtungsweisende Entdeckungen zu ermöglichen.

Viele Anwendungsgebiete denkbar

Weitere zukünftige Anwendungsmöglichkeiten für die Nano-Wirkstoff-Fähren sieht Fricker etwa bei lysosomalen Speicherkrankheiten, eine Gruppe erblicher Erkrankungen, bei denen bestimmte Proteine in defekter Form vorliegen. Die Krankheiten, die dabei das zentrale Nervensystem betreffen, können derzeit durch die Beschränkung der Blut-Hirn-Schranke nicht durch Gabe des fehlenden Proteins behandelt werden. Theoretisch seien die Wirkstoff-Fähren darüber hinaus interessant bei der Behandlung jeder Krankheit, bei der ein nichtpermeabler Wirkstoff ins Gehirn eingebracht werden müsse, sagt Fricker.


Volker Budinger, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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