Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

20.03.2016, 18:30 Uhr

Rückblick auf die letzte Woche (Foto: Andi Dalfehrt)

Rückblick auf die letzte Woche (Foto: Andi Dalfehrt)


Was wäre wenn? Was wäre eigentlich, wenn Retax-Unternehmen überflüssig würden? Wenn der EuGH die Boni auf Rx erlauben würde? Wenn die PTA-Ausbildung verlängert würde? Und wenn sächsische Apotheken endlich (mindestens) Tarif bezahlen würden?

14. März 2016

Das sind die Jonny Controllettis der Apothekenwelt: die Retax-Unternehmen. Dienstleistungsunternehmen, die im Auftrag von mittleren und kleineren Krankenkassen die Rezeptprüfung vornehmen. Und uns Apothekers schikanieren. Mit einem Heidenaufwand. Und da diese Controller Dienstleister sind, also von den Kassen abhängig und von ihnen bezahlt werden, stehen sie unter einem gewissen Erfolgsdruck. Fänden sie nichts, wären sie überflüssig. Also werden sie etwas finden.
Solche Prüffirmen sind lukrative Unternehmen. Was mich das glauben lässt? Mein liebes Tagebuch, wenn eine Familie Brenninkmeyer – also die C&A-Familie, ja, die mit den Hosen und Mänteln – jetzt zulangt und über ihre Beteiligungsgesellschaft Bregal ein Retaxunternehmen nach dem anderen aufkauft (im letzten Jahr den Rezeptprüfer Inter-Forum und jüngst den Retaxierer Syntela), dann sind das keine Unternehmen, die nichts abwerfen. Im Gegenteil, manche Marktkenner rechnen sie schon zu den „hidden champions“. Mein liebes Tagebuch, ob jetzt Apothekers noch bei C&A ihre Hosen kaufen – ich weiß es nicht. Mein Traum: ein kleines Gerät auf dem HV, das jedes Rezeptblatt genau prüft und alle, aber wirklich alle Fehlern findet – und die nächste Überweisung des Rezeptabrechners nicht mit Nullretax, sondern mit null Retax. Macht endlich die Rezeptprüfer überflüssig!

15. März 2016

Diese Woche ist wieder DocMorris-Woche: Die Versandapotheke mit Sitz in den Niederlanden hat die Frage vor den Europäischen Gerichtshof gebracht, ob sich ausländische Versandapotheken an die deutsche Arzneimittelpreisverordnung halten müssen, wenn sie Rx-Arzneimittel nach Deutschland versenden. Hintergrund: DocMorris möchte gerne Boni geben und sie als Wettbewerbsvorteile ausnutzen. Mein liebes Tagebuch, eigentlich ist diese Frage schon längst höchstrichterlich entschieden: Auch für ausländische Versender gilt die Arzneimittelpreisverordnung, sprich einheitlicher Preis für Rx und keine Boni. Doch DocMorris  will das nicht akzeptieren und gibt hier keine Ruhe. Der Versender brachte diese Frage über einen Boni-Streit zwischen der Wettbewerbszentrale und der Deutschen Parkinson Vereinigung vor den EuGH. Hier ging es beim ersten Schlagabtausch zwischen den Parteien hoch her. Entschieden ist noch nichts, der Ausgang ist offen. Mitte des Jahres geht’s weiter.

Was wäre wenn? Klar, da steht einiges auf dem Spiel. Mein liebes Tagebuch, es käme einem Dammbruch gleich, wenn das Gericht zu dem Urteil käme, dass Boni gegeben werden dürften. Dann wären Hauen und Stechen angesagt, wenn Boni erlaubt würden: Es müsste auch für deutsche Apotheken gelten. Und hier kommt das Horrorszenario. Es würden sich nicht nur in- und ausländische Versandapotheken, sondern auch die deutschen Vor-Ort-Apotheken mit Boni und Rabatten überbieten – bis zum Exitus. Der Wettbewerb mit Talern, Ofenkrusti, Wasserwecken, Parkgutscheinen und was sich sonst noch Apotheken einfallen lassen, damit der Patient sein Rezept bei ihnen einlöst, wäre erst der Anfang. Hinzu kommt, dass dann auch für deutsche Apotheken die Rabattbeschränkungen beim Bezug von Rx-Arzneimitteln fallen müssten – mit Auswirkungen auf den Großhandel. Der Markt wäre vollkommen aufgemischt. Mein liebes Tagebuch, letztlich käme das einer Freigabe der Rx-Preise gleich – was daraus folgt, mag man sich nicht ausmalen. Das halten kleine Apotheken nicht aus: Apotheken schließen, die flächendeckende Versorgung bricht zusammen. Krankenkassen steuern Rezepte zu den Apotheken mit den niedrigsten Rx-Preisen um.
Und weil DocMorris schon immer landlustig ist und ein Herz für die Landbevölkerung hat: Der Versender holt seinen Apothekenbus aus der Garage und fährt übers Land. Vielleicht lässt er auch bald putzige Drohnen fliegen. Und er stellt in leere Ladenlokale einen Kommissionierer, hängt einen Videobildschirm an die Wand, ein grünes Kreuz vor die Tür und fertig ist die Apotheke light. Mein liebes Tagebuch, und das alles wäre erst der Anfang einer neuen Arzneiversorgung in Deutschland. Schön geht  anders, oder?

Außerdem, mein liebes Tagebuch, so meldet Apotheke adhoc, sind die vor Jahren vom Landgericht und Oberlandesgericht verhängten Ordnungsgelder gegen DocMorris wegen Verstöße gegen das Boni-Verbot mittlerweile verjährt. Der Versender hat es geschafft, sich trotz Vollstreckungsmaßnahmen vor der Zahlung zu drücken: Mindestens 250.000 Euro sollen bereits der Staatskasse verloren gegangen sein. Ist ein Ding, oder?

16. März 2016

NNF, der Nacht- und Notdienstfonds – hat sich irgendwie zur heimlichen Liebe der Apotheken entwickelt. So eine kleine vierteljährliche Überweisung für die geleisteten Notdienste kommt immer gut. Dieses Mal waren es knapp 280 Euro pro Dienst. Na ja, könnte auch ein bisschen mehr sein. Die gesamten 120 Mio. Euro im Jahr für den NNF, die mal im Gespräch waren, werden noch nicht erreicht. Aber dafür kämpft unsere ABDA ja noch verbissen. Obwohl, erstmal ist mit Kämpfen nichts. Denn alle Honorarforderungen und mögliche Honoraranpassungen sowie die längst überfälligen Erhöhungen von BtM-Gebühr und Rezepturpreisen liegen im Permafrost bis 2018. Erst dann wird das vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Gutachten vorliegen, das sich mit dem Apothekenhonorar befasst. Und dann? Theoretisch könnte alles auf den Prüfstand kommen, auch der NNF.

Ab heute kann es gut sein, dass die Apotheke wieder mal öfters die kleinsten Arzneipackungen  braucht: Die Regelungen zum Entlassmanagement sind in Kraft getreten. Krankenhäuser können bei der Entlassung des Patienten eine Packung mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen verordnen. Sinn ist es, Engpässe in der Arzneiversorgung nach einem Krankenhausaufenthalt zu vermeiden. Ist gut gedacht, der Patient hat nach dem Klinikaufenthalt sein Arzneimittel. Die Erstversorgung ist erstmal gesichert. Für die Apotheke heißt das: aufpassen! Die vom Krankenhaus ausgestellten Rezepte dürfen nur innerhalb von drei Werktagen beliefert werden. Und es darf nur die kleinste Packungsgröße verordnet werden. Mein liebes Tagebuch, ich sag nur C&A und Retax.

17. März 2016

Ohne PTA geht es nicht in einer Apotheke. Aber, mein liebes Tagebuch, gibt es genug PTA? Werden ausreichend viele PTA ausgebildet? Interessiert sich eine ausreichend große Zahl junger Menschen für den PTA-Beruf? Ist der Beruf attraktiv genug? Und wie sieht eigentlich die Zukunft dieses Berufes aus? Hilfe! Eine Riesen-Baustelle tut sich da auf! Da wurde einiges sträflich vernachlässigt. Wenn sich da nicht bald etwas tut, kann es sein, dass viele Apotheken ein Problem bekommen: Schon heute suchen in manchen Gegenden Apotheken verzweifelt PTA. Was ist hier los? Nur ein paar Stichworte dazu: In einigen Bundesländern schließen PTA-Schulen, Länder ziehen sich aus der Finanzierung zurück. Aber es finden sich auch zu wenige junge Menschen, die sich für diesen Beruf interessieren. Außerdem: Es wird immer noch zu wenig für den PTA-Beruf geworben. Die Bezahlung ist nicht berauschend. Und dann die Ausbildung selbst: Auch die Aufgaben der PTA haben sich verändert – sie ist vorrangig mit der Belieferung von Rezepten und dem OTC-Verkauf beschäftigt plus Beratung. Aber die Ausbildung, die Inhalte der Fächer haben da nicht unbedingt Schritt gehalten. Schon seit Jahren wird in Fachkreisen um eine Novellierung der PTA-Ausbildung gerungen – bisher ohne Ergebnis.
Die ABDA will von einer Verlängerung nichts wissen, zwei Jahre Schule und ein halbes Jahr praktische Ausbildung in der Apotheke müssen in ihren Augen genügen. Punkt. Im Gegensatz dazu steht die Meinung der meisten PTAs und Apotheker, wie eine Umfrage von Adexa zeigt. Hier spricht sich eine deutliche Mehrheit für eine Verlängerung der Ausbildung auf drei Jahre aus, z. B. zweieinhalb Jahren Schule und ein halbes Jahr Praktikum oder zwei Jahre Schule und ein Jahr in der Apotheke mit begleitendem Unterricht.
Auf einer Veranstaltung der Apothekengewerkschaft – Adexa sei Dank, dass dieses Thema im Gespräch bleibt –, versuchten Fachkreise, einen Konsens zu finden, wie es mit der Ausbildung weitergehen soll. Denn der Markt ruft nach Veränderungen. Die Anforderungen an den PTA-Beruf sind gestiegen, das Wissen, das während der Ausbildung vermittelt wird, wächst.
Der Meinungsbildungsprozess der Experten beim Runden Adexa-Tisch ergab: Man sprach sich für eine Verlängerung des Praktikums mit begleitendem Unterricht und tariflichem Praktikumsentgelt aus. Für die ABDA nicht akzeptabel. Adexa wird daher wohl selbst seine Empfehlungen an das Ministerium weitergeben.
Mein liebes Tagebuch, ich meine, eine Überarbeitung der PTA-Ausbildung tut Not. Warum hier eine Blockade-Haltung seitens der ABDA läuft, kann ich nicht nachvollziehen. Oder doch, vielleicht: Angst vor zu starken PTAs? Angst, sich als Apotheker selbst abzuschaffen? Und warum denkt man nicht darüber nach, den PTA-Beruf noch attraktiver zu machen. Was spricht gegen Zusatzausbildungen für PTA zur Fach-PTA? Sag mal, mein liebes Tagebuch, warum haben Apothekers eigentlich so wenig Selbstbewusstsein?

Mein liebes Tagebuch, übel sind die sächsischen Verhältnisse: Da der sächsische Apothekerverband nach wie vor kein Mitglied im Arbeitgeberverband ist, gilt hier nicht einmal der Tarifvertrag mit der Folge, dass einige Apotheken ihre PTA weit unter Tarif bezahlen. Praktikumsstellen werden zum Teil nur ohne Entgelt gewährt – das grenzt an Ausbeutung. Aber letztlich schneiden sich die Apotheken ins eigene Fleisch: Spricht sich das unter Schulabgängern herum, verliert die PTA-Ausbildung an Attraktivität  mit der Folge, dass in Sachsens Apotheken in Zukunft PTA fehlen. Kann teuer werden für die dortigen Apotheken. Selbst schuld!

18. März 2016

Das war ein supergutes Fortbildungswochenende. In Berlin. Im City Cube. Auf der Interpharm. Mein liebes Tagebuch, das darf ich hier mal so festhalten. Wer dabei war, konnte die Wirkung von Fortbildung sofort spüren. Die wissenschaftlichen Fortbildungsvorträge waren vom Feinsten, das Medikationsmanagement ist aufge-POP-t wie nie, die Wirtschafts-Interpharm mit Retax-Forum aktueller denn je. Und der ApothekenRechtTag ist mittlerweile eine Institution in der Fachwelt, die Schnittstelle zwischen Pharmazie und Jura, mit brandheißen Themen. Die Interpharm – gut, dass es sie gibt. 



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Rückblick auf das Jahr 2019

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

die letzte woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

4 Kommentare

Tagebuch

von Heiko Barz am 20.03.2016 um 13:41 Uhr

Zu 1, knappe aber klare Analyse. Nur bin ich wohl mit Vielen der Meinung, dass, auch wenn es hochwertige Alles umfassende Software gäbe, um Retax überflüssig zu machen
, irgend ein Rabattjäger wird doch eine Lücke im System finden, um seine finanzielle Rechtfertigung unter Beweis zu stellen.
Was ist eigentlich mit dem "Retaxmediator", gibt es den wirklich?
Zu 2, die hinter Doc Morris stehende "Finanzoeranisation" -mit Sicherheit irgendein Finanzhai- wird niemals Ruhe geben, solange irgendein Cent aus dem Gesundheitssystem herauszupressen ist. Das selbe Unbehagen überkommt mich bei Dr Ed.
Zu 3, von den Bemühungen der ABDA um die vorgesehene und zu unserer Beruhigung eingeführte ( 120 Mill ) Gebühr sieht und hört man wenig bis gar nichts. Auch der angedeutete Permafrost wird nach 2018 mit Sicherheit nicht Tauen, denn zu dem Zeitpunkt haben wir die nächste Regierung mit ähnlichen Protagonisten. Was sollen wir von denen schon erwarten dürfen?
Zu den Krankenhausrezepten kann ich nur sagen: siehe oben, den "Retaxern" fällt immer etwas Neues ein.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Docmorris

von Dr.DIEFENBACH am 20.03.2016 um 13:31 Uhr

Wenn es tatsächlich SO ist dass sich Docmorris mit widrigen Verhaltensmustern der Zahlung an den Fiskus entzogen hat dann gehört das aber an die GANZ große Glocke gehängt.Bleibt diese Sachlage anschließend bestehen,so ist die Frage deutscher Rechtsstaatlichkeit mehr denn je aktuell.Ein wunderbares Argument von UNS im Wahhlkampf 2017.Echtes Staatsgefüge odér doch auf dem Wege nach Bananien???

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Boni

von FRANK EBERT am 20.03.2016 um 9:45 Uhr

Der Dammbruch wird kommen, warum sollte einmal die Vernuft gewinnen gegen die Kohle. Aber darauf kommt es auch nicht mehr an, Deutschland geht kaputt.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Bessere Berater vorm EuGH

von Ulrich Ströh am 20.03.2016 um 9:20 Uhr

Zum Thema Doc Morris einige Fragen:

Muss man die Verjährung so kommentarlos hinnehmen?

Hat Doc Morris die besseren Berater?
Resultate ersetzen nun mal alle Argumente...
Trotz Vollstreckungsmaßnahmen.

Sind diese Berater auch beim EuGH -Verfahren aktiv?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.