Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

28.03.2016, 07:10 Uhr

Rückblick auf die letzte Woche (Foto: Andi Dalferth)

Rückblick auf die letzte Woche (Foto: Andi Dalferth)


Apothekers Osterträume: Von Retax befreit sind Apos und Kassen, durch Hasses holden, belebenden Blick; bei Pharma grünet Lieferglück. Der alte Kader, in seiner Schwäche, zog sich ins Lindencorso zurück. Mein liebes Tagebuch, träum weiter.

21. März 2016

Frauenärzte-Boulevard: Ein geifernder Berufsverband der Frauenärzte, der nicht akzeptieren mag, dass Apotheker die „Pille danach“ ohne Rezept abgeben dürfen – und dabei einen guten Job machen. Da wird die Statistik der Schwangerschaftsabbrüche uminterpretiert und versucht, jede kleine Schwankung nach oben den Apotheken anzulasten: wegen schlechter Beratung der Apotheken. Mein liebes Tagebuch, man mag’s nicht glauben. Warum machen sich die Frauenärzte selbst so lächerlich? Schlimmer als unter Geschwistern! Wie lange diese Sticheleien wohl noch andauern? Was in anderen europäischen Ländern seit Jahren geräuschlos läuft, ohne Neiddebatten, wollen deutsche Gynäkologen nicht akzeptieren. Mal knallhart analysiert: Es geht nicht um medizinische Fakten, es geht ums Geld. Hat der Verlust, die Pille danach zu verordnen, tatsächlich so ein Loch in den Geldbeutel der Frauenärzte gerissen, dass sie Apotheker ständig attackieren? Keine Sorge, liebe Gynäkologen, wir Apothekers sind nicht nachtragend und schicken euch viele neue Patientinnen. Legt euch schon mal ein arabisches Wörterbuch zu – das hilft.

 

Theo Hasse, in Rheinland-Pfalz erneut zum Verbandschef gewählt, gibt sich kämpferisch in Sachen Retax. „Wer glaubt, dass wir uns zu Sklaven der Krankenkassen machen lassen, der verkennt unseren eigentlichen apothekerlichen Auftrag“ – richtig, Herr Hasse. Dumm nur, dass die Kassen (noch) am längeren Geldhebel sitzen. Vielleicht sollten Apotheken wirklich öfters mal mangelhafte Rezepte an die Verordner zurückschicken, wie Hasse fragend überlegt: Was dann wohl passieren würde?  Funktioniert nur leider nicht, mein liebes Tagebuch, diese Einigkeit gibt’s bei Apothekers nicht. Aber – solange die Schiedsstelle noch nicht zu Potte gekommen ist – vielleicht sollten so viele Apotheken wie möglich Einspruch gegen Retaxforderungen einlegen und die Kassen mit ihrer eigenen Bürokratie abstrafen.

22. März 2016

„Guten Tag, Moin Moin, Grüß Gott, ich möchte mal die Ordnungsmäßigkeit Ihrer Kassenaufzeichnungen prüfen“ (was so viel heißt wie: Ich glaube Sie schummeln) – wenn demnächst der unauffällig gekleidete Inspekteur vom Finanzamt in der Offizin steht und das verlangt, wird man ihn nicht hinauswerfen können. Schäubles neuestes geplantes „Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen“ wird den Kontrolleur dazu legitimieren. Der Bundesfinanzminister hat dem Abrechnungsbetrug den Kampf angesagt. Und da stehen auch Apotheken auf seiner Liste und unter Generalverdacht. Damit nicht genug: Es kommen Investitionen auf die Betriebe zu: für Updates der Systeme, für Zertifizierungen, für Wartungsarbeiten, für Mitwirkung bei der Kassen-Nachschau, für …

Mein liebes Tagebuch, so geht Deutschland. Wenn das deutsche Finanzministerium Kontrollinstrumente einführt, dann sind die lückenlos, perfekt. Big Brother ist dagegen Kinderkram. Davon könnte sich Griechenland einfach mal eine Blaupause machen und die Krise wäre vorbei.

23. März 2016

Oh, oh, es dürfte das letzte Osterfest gewesen sein, bei dem man seinen lieben Ärzten ein paar Eier schenken konnte – ohne Korruptionsverdacht. Noch im April wird voraussichtlich das neue Antikorruptionsgesetz verabschiedet (die Streichung eines umstrittenen Verweises auf berufsrechtliche Pflichten machte einen Kompromiss zwischen Union und SPD möglich). Bis zum Inkrafttreten wird es dann nicht mehr allzu lange dauern. Und dann werden Anwälte und Gerichte ein Hochamt feiern, denn vieles wird Auslegungssache sein. Zum Beispiel: Die goldenen Eier, wenn Apotheker Praxisräume an Ärzte zu supergünstigen Konditionen vermieten – das dürfte eine Gratwanderung sein. Oder goldene Pharma-Eier für die Apotheker, wenn sie Regalmeter an die Pharmahersteller vermietet – mein liebes Tagebuch, da wird’s eng. Überhaupt die Frage, wo Kooperation endet und Korruption beginnt: Lustiger wird’s nicht.

Nur ein kleiner Hoffnungsschimmer besteht: Der Bereich der Abgabe von Arzneimitteln soll angeblich aus dem Gesetz gestrichen werden, wie auch immer das auszulegen ist. Ob das auch bedeutet, dass eine mögliche Strafbarkeit von Einkaufsrabatten oder Skonti vom Tisch ist – so ganz klar ist das immer noch nicht. Lassen wir uns überraschen.

 

Das ist ja ein putziges Ostergeschenk: Die DAK-Gesundheit besteht in Zukunft nicht mehr darauf, dass Apotheken eine Bestätigung des pharmazeutischen Unternehmens vorlegen müssen, wenn ein rabattiertes Arzneimittel nicht geliefert werden konnte. Eine Lieferunfähigkeitsbescheinigung eines Großhändlers reicht ihr. Ist doch richtig nett, so viel Praxisnähe, so viel Entgegenkommen, und das sogar rückwirkend ab 1. Juli 2015. Dass wir das noch erleben dürfen! Ostern 2016!

24. März 2015

Nein, mein liebes Tagebuch, irgendwie ist die Welt richtig böse. In der vorösterlichen Woche kommt die Verbraucherorganisation Foodwatch und meldet, dass in Osterhasen und Eiern, also denen aus Schokolade, Spuren von Mineralölen nachweisbar sind. Diese goldigen, knuffigen Osterhäschen aus duftender dunkler oder heller Schokolade, diese leckeren Schokoeier mit oder ohne Alkohol, Champagnercreme oder Marzipan – die sollen Schmieröle enthalten? Foodwatch! Wollt ihr uns die letzten Freuden nehmen in einer Welt, voll mit Elend und Terror, mit Finanzkrisen, Niedrigzinsen und Feinstaubalarm? Da kommt ihr in der Osterwoche mit dieser Meldung daher. Und das Bundesinstitut für Risiko sagt auch noch, es habe seit Jahren davon Kenntnis, dass Mineralöle aus bestimmten Verpackungen auf Lebensmittel übergehen können. Von wegen Verpackungen! Das kommt daher, dass auch Osterhasen ihre Eier mit dem Motorrad ausfahren. Da können schon ein paar winzige Spuren von Mineralöl haften bleiben. Mein liebes Tagebuch, wir lassen uns davon nicht kirre machen: jetzt ein feines Schokoei, vermutlich nicht lactose- und glutenfrei, nicht bio und nicht vegan, aber einfach nur zartschmelzend lecker.

Frohe Ostern!


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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4 Kommentare

Kassenaufzeichnungen

von Bernd Küsgens am 29.03.2016 um 19:20 Uhr

Lieber Herr Ditzel,
Alle Vorschläge, entschuldigen Sie, alle Gesetzentwürfe sind doch nicht perfekt. Perfekt ist alles in dieser Angelegenheit doch erst, wenn wir abends den Kassenabschluss direkt ans Finanzamt senden müssen. Dieser wird dann in der Finanzamts-Cloud mit der entsprechenden Software auf die Plausibilität wie bei unseren Rezepturen geprüft. Sollten sich Fehler, vulgo Betrügereien ergeben, findet am nächsten Tag die notwendige Betriebsprüfung statt. Aber nicht durch einen Prüfer in personam, sondern durch die neue DOlPS
(Direkte On Line Prüf Software). Dadurch ersparen wir uns auch die USt Anmeldung. Die fällige USt wird direkt am gleichen Tag durch SEPA-Lastschrift eingezogen.
Für Einsprüche gibt es die USt-Clearingstelle, die bis zu 5 Quartalen später entscheiden muss, ob der Einspruch gerechtfertigt ist. Sollte hier keine Einigung erzielt wird, entscheiden jetzt die Sozialgerichte, da die Streitereien im Sozialsystem entstanden sind.
Sie sehen lieber Herr Ditzel, es gibt noch vieles zu tun, bis wir den perfekten deutschen Zustand erreichen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Perfekt

von Peter Ditzel am 30.03.2016 um 10:28 Uhr

Lieber Herr Küsgens, das Szenario, das Sie schildern, zeigt: Es geht perfekter. Und manchmal hat man den Eindruck, man ist gar nicht mehr so weit entfernt davon...

Wahnvorstellung Lieferunfähigkeitsbescheinigung oder "Ach du dickes Ei"

von Bernd Jas am 27.03.2016 um 12:30 Uhr

Guten Morgen Herr Ditzel,

ohh, schon Mittag...hab wohl irgend wie ´ne Stunde verschlafen.

Man sollte sich mal wieder klarmachen, wo wir da hinein manövriert worden sind.
Nur um den Krankenkassen als Erfüllungsgehilfen zu dienen zu dürfen, bürden wir uns diesen ganzen QUATSCH an Bürokratie, Diskussionen (mit Patienten, Ärzten und und sonstigen Beteiligten), technische Erweiterungen (Terabyte weise Speicher mit entsprechender Software) und ein extra Plus an Personalaufwand auf. Wir empfinden im Laufe der Gewöhnung, das alles als NORMAL, bezahlen es, um zu guter Letzt noch um die Zeche geprellt zu werden. Hallo McFly, jemand zu Hause?

Lieber Herr Ditzel, Sie haben vor längerer Zeit mal geschrieben, das der Arzt den Wirkstoff verordnen sollte und wir dazu das günstigste Präparat aussuchen würden. Das wäre eine einfache, durchführbare Lösung gewesen.
Wie sind wir nur hier hinein geraten?
Wir werden immer mehr zum selbstaufblasenden Spielball des neokapitalistischen Sozialsystems, den man gerne auch mal ins eigene Tor ballern darf, um trotzdem noch daran zu gewinnen. (Morbi-RSA). Denn die Krankenkassen (als Körperschaften des öffentlichen Rechts) werden unheimlich heimlich immer mehr zu Wirtschaftsunternehmen und zur Wirtschaftsmacht. Dat dat dat darf?

Und bezüglich der (Achtung Unwort) Lieferunfähigkeitsbescheinigung, haben die nur vergessen wie sie diese neue Marotte ihrer paranoiden Geldgier auslegen und vor allem begründen können. Das ging dann doch wohl zu weit, um noch als glaubwürdig durchzugehen und war als Oster-Stauß(en)-Ei schon zu hart gekocht um noch ausgeblasen zu werden.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Lieferunfähigkeitsbescheinigung .......

von Gunnar Müller, Detmold am 27.03.2016 um 17:55 Uhr

Vielleicht hat ja auch nur der neue Wolf im DAK-Pelz die unbeantwortete Post seines zukünftigen Vorgängers durchgelesen und den Brief eines enttäuschten, nun bald ehemaligen Mitglieds aus Detmold gelesen - und einmal darüber nachgedacht, ob sich dieser ganze Aufwand wirklich bezahlt macht.
Und dann kam ja auch noch unsäglicherweise der an den AM-Lieferverträgen bis dato nicht beteiligte Großhandel ins Spiel ......
Immerhin:
Die DAK hat jetzt reagiert. Wir sollten jedoch nicht wieder den Fehler begehen zu meinen, jetzt sei schon alles und von allen KrankenKassen erledigt.
Also 'dranbleiben, Fritz Becker!!
Den Rest müssen Sie jetzt machen!

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