17 MAL IM JAHR

Die Deutschen gehen zu oft zum Arzt

Hamburg - 27.03.2016, 11:31 Uhr

Sehr oft, sehr voll: Das Wartezimmer bei einem Arzt. (Foto: Robert Kneschke / Fotolia)

Sehr oft, sehr voll: Das Wartezimmer bei einem Arzt. (Foto: Robert Kneschke / Fotolia)


Eigentlich sind sich alle einig: Eine bessere Steuerung der Arztbesuche von Patienten in Deutschland tut not. Doch während die Ärzte mal wieder über die Umsetzung streiten, verharren die Krankenkassen in Skepsis.

Die niedergelassenen Ärzte wollen die Arzt-Besuche von Patienten besser steuern, um Kosten und Ressourcen zu sparen. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Im Durchschnitt geht in Deutschland jeder Patient 17 Mal zum Arzt, entweder zum selben oder zu mehreren. Das sind sehr viele Kontakte – und längst nicht alle sind notwendig.“

Für eine bessere Steuerung sei es wichtig, einen Ansprechpartner als erste Anlaufstation zu haben, machte Gassen deutlich. Das könnte der Hausarzt sein oder ein Facharzt, bei dem der Patient - etwa wegen einer chronischen Erkrankung wie Rheuma - dauerhaft in Behandlung ist.

Frei wählbares System

Dagegen sehen sich die Hausärzte in Deutschland als einzige und erste Anlaufstelle zur Patientensteuerung. „Die hohe Anzahl unnötiger Arzt-Patienten-Kontakte oder die vielen überflüssigen Krankenhausaufenthalte werden nur dann nachhaltig gelöst werden, wenn wir ein frei wählbares hausärztliches Primärarztsystem flächendeckend umsetzen“, sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, der dpa.

Die Techniker Krankenkasse (TK) befürchtet in einer solchen Patientensteuerung vor allem eine Bevormundung ihrer Versicherten. „Erfolgversprechender als eine Steuerung im Sinne eines Dirigierens oder Bevormundens ist es in unseren Augen, die richtigen Anreize zu setzen und die Menschen zu motivieren, sich um ihre Gesundheit zu kümmern“, sagte TK-Chef Jens Baas der dpa. Das könnten Bonusprogramme sein oder Gesundheitscoaches, die eine gezielte Unterstützung anböten - für Gesunde und Kranke.

Gassen unterstrich, die freie Arztwahl müsse grundsätzlich erhalten bleiben. „Wir müssen aber darüber diskutieren, wie wir unser Gesundheitswesen zukunftsfest gestalten wollen. Die Nachfrage und die Kosten nach medizinischen, pflegerischen und anderen Leistungen werden allein schon aufgrund der demografischen Entwicklung steigen.“

Entsprechend müsse über mehrere Wahltarife in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nachgedacht werden. Wolle ein Patient selbst entscheiden, welche medizinischen Leistungen er nutzen wolle, sollten die Mehrbelastungen des Systems über zusätzliche Beiträge aufgefangen werden.

Konzept bis Mai

Andererseits müssten die Krankenkassen bei guter Steuerung über Beitragsrückerstattungen nachdenken. „Wir versprechen uns hierdurch ... einen bewussteren Umgang mit der Ressource ,Arzt'". Andererseits müssten die Krankenkassen bei guter Steuerung über Beitragsrückerstattungen nachdenken. Allerdings: „Einen fertigen Plan haben wir noch nicht“, sagte der KBV-Chef und kündigte das Konzept bis zum nächsten Ärztetag im Mai in Hamburg an.

Einig sind sich Haus- und Fachärzte darin, mit einer besseren Steuerung unnötig viele Krankenhausaufenthalte zu vermeiden. Gassen sagte, nach Erhebungen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI) entstehen über sieben Milliarden Euro Kosten durch unnötige Krankenhauseinweisungen – also durch Einweisungen von solchen Fällen, die eigentlich ambulant behandelt werden müssten.


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3 Kommentare

Trend erkannt

von klaus baumeister am 30.03.2016 um 9:33 Uhr

Trend erkannt, Herr Rodiger! DAZ.online hat sich meiner Meinung nach bedauerlicherweise komplett von einer Plattform für Pharmazeuten weg entwickelt zu einem austauschbaren Portal für Laien mit gepflegtem medizinischem Halbwissen – und bekommt offensichtlich Mengenrabat von dpa. Aber diese dpa-Meldungen sind so unspezifisch, plakativ und eben oft auch halbwahr. Hinzu kommt diese Fülle an Schreibfehlern! Wenn wir so schlampig in der Apotheke arbeiten würden ...Traurig, aber abgesehen vom Tagebuch reizt mich fast gar nichts mehr, auf DAZ.online zu klicken.

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Unkritische Falschinformation...

von Reinhard Rodiger am 30.03.2016 um 0:26 Uhr

Der Titel ist falsch! Nicht die Deutschen gehen zu oft zum Arzt! Die Krankenkassen behaupten das nur! Auf Basis von alten Daten-weils passt.

Nach dem OECD-Bericht(Health at a Glance 2ß15) beträgt die Zahl der Arztbesuche unter 10.

Nach OECD 2007 (also etwa vergleichbarer Zeitraum der Kassenzahl) ca 7,5.

Wenn man dann noch die Leerkonsultationen (bei Chronikern keine quartalsübergreifende Medikation) betrachtet, dann stimmt etwas nicht.

Mit diesem Titel nimmt die Redaktion das Missverhältnis zugunsten der Krankenkassen nicht wahr. Eben verfremdet, aber unkommentiert von dpa.Schade.Da erwarte ich schon ein besseres Niveau.

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17 mal zum Arzt?

von Heiko Barz am 29.03.2016 um 12:21 Uhr

Das uneingeschränkte Anspruchsdenken der "Deutschen" und das Ausblenden der Tatsache, dass die Krankenversicherung eine soziale Einrichtung für gesundheitsbedingte Unwägbarkeiten ist, darf nicht zum Selbstbedienungsladen verkommen.
"Ich bin doch nicht blöd",diese 'Saturn' - Mentalität, die sich auf alle Ebenen unsers Lebens wie ein Geschwür ausgebreitet hat, ist schon ein unbewußter Drang, sich umgehend die Freiheit zum Besuch einer Arztpraxis zu nehmen. Man möchte ja nicht weniger Gesundheitsversorgung haben, als der ständig damit prahlende Nachbar. -" Wer bin ich denn "?-

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