Versorgung mit Spezial- und Sondennahrung

Apothekerverein Hamburg zieht gegen AOK vor Gericht

Berlin - 05.04.2016, 11:10 Uhr

In Hamburg herrscht dicke Luft zwischen Apothekern und AOK. (Foto: Bilderbox)

In Hamburg herrscht dicke Luft zwischen Apothekern und AOK. (Foto: Bilderbox)


Die AOK Rheinland/Hamburg will die Regelung zur Spezial- und Sondennahrung im Arznei-Liefervertrag Hamburg streichen. Versorgende Apotheken müssten einem neuen Vertrag beitreten – natürlich zu schlechteren Konditionen. Der Hamburger Apothekerverein spricht von Vertragsbruch.

Mag auch sonst vieles gut laufen zwischen den Hamburger Apothekern und der AOK Rheinland/Hamburg – im Moment herrscht ähnlich dicke Luft wie 2014, als man um den Vertrag zur Hilfsmittelversorgung stritt. Diesmal geht es um eine Regelung im Arznei-Liefervertrag Hamburg (ALV) zur Versorgung mit Standard- und Spezialnahrung. Diese hält die AOK nunmehr für nichtig. Und das sei sie schon von Anfang an gewesen. Grund: Andere Leistungserbringer als Apotheken könnten nicht an ihr partizipieren, weil sie dem ALV nicht beitreten könnten. Diesen „Zustand einer permanenten rechtswidrigen Diskriminierung“ dieser anderen Leistungserbringer müsse die Kasse als Körperschaft öffentlichen Rechts beenden, erklärte die Kasse dem HAV in einem Schreiben vom 31. März 2016.  

Besagte Regelung müsse aus dem Vertrag gestrichen werden – der im Übrigen aber weiterbestehen könne. Dazu verlangt die Kasse die Zustimmung des HAV – und droht vorsorglich an, dieses Anpassungsverlangen gerichtlich geltend zu machen. Ausgeschlossen sein sollen die Apotheken allerdings nicht aus der Versorgung: Sie könnten ab 1. April einem neuen Vertrag zur Versorgung mit Standard- und Spezialnahrung beitreten – diesmal geschlossen auf Grundlage des § 127 Abs. 2 SGB V.

„Klarer Rechtsbruch“ 

Der HAV-Vorsitzende Dr. Jörn Graue sieht die Apotheker hingegen von einem Tag auf den anderen von der Lieferung ausgeschlossen – und das erzürnt ihn mächtig. Er kann die Rechtsauffassung der AOK nicht teilen und meint, der Liefervertrag hätte gekündigt werden müssen. Graue: „Mit diesem Rechtsbruch gefährdet die AOK die Versorgung ihrer schwerkranken Mitglieder, insbesondere auch jener mit Magensonde. Unsere Apotheken haben bisher rund ein Drittel aller betroffenen Patienten, vor allem auch bei der akuten Erstversorgung betreut“. 

Foto: tmb

Dr. Jörn Graue: AOK hat aus Hilfsmittel-Streit nichts gelernt.

Erinnerungen werden wach

Er erinnert an den Streit aus dem Sommer 2014: Damals habe die AOK ihre eigenen Mitglieder sowie die HAV-Mitglieder mit der Meldung verunsichert, sie hätte den bestehenden Hilfsmittelvertrag außerordentlich gekündigt und die Apotheken dürften keine Hilfsmittel mehr liefern. Letztlich lenkte die AOK ein. Sie habe aber offenbar nichts aus diesem Desaster gelernt, so Graue.

Der HAV-Vorsitzende betont, dass sich der Verein im Vorfeld bemüht hatte, ein Versorgungschaos wie 2014 zu vermeiden. Man habe eine vertragspartnerschaftliche Lösung für die AOK-Versicherten finden wollen. Doch die AOK zeigte sich diesmal unnachgiebig. Am 4. April bestätigte ihr Vorstandsvorsitzender Günter Wältermann nochmals, dass seine Kasse keine Möglichkeit sehe, die Versorgung ihrer Versicherten auf Basis des ALV über den 1. April 2016 hinaus fortzusetzen. Vielmehr müsse der ALV angepasst werden, die Standard- und Spezialnahrung aus diesem gestrichen werden.

Eilverfahren eingeleitet

Der HAV kündigte daraufhin am Montag an, er werde „gegen diesen eklatanten Vertragsbruch noch heute einstweiligen Rechtsschutz in Form einer Feststellungsklage auf Fortbestehen unseres Vertrages beim Sozialgericht Hamburg einreichen“. In einem Info-Fax an seine Mitglieder heißt es: „Wir sind nicht bereit, uns einem einseitigen Vertragsdiktat zu unterwerfen!“ 

Mitglieder sollen Versorgung sofort einstellen

Das hat allerdings auch zur Folge, dass der HAV seinen Mitgliedern nun „ohne Anerkennung eines Rechtsgrundes“ empfiehlt, die Versorgung von AOK-Versicherten mit Spezial- und Sondernahrung sofort einzustellen.

Zwar wird die AOK offenbar nicht gar nichts bezahlen, wenn eine Apotheke, die dem neuen Vertrag nicht beigetreten ist, weiter versorgt. Aber eben nicht zu den bekannten Konditionen. Die Versorgung wird dann nur noch in der im Vertrag nach § 127 Abs. 2 SGB V vereinbarten Höhe vergütet. Diese liegt laut HAV bei einem Lauer-EK minus 17 Prozent. 


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

17% unter EK

von gerd reitler am 05.04.2016 um 19:16 Uhr

wir haben am 30.3. ein Fax vom Verband Nordrhein erhalten, dass man sich gewunden hat und dann den 17% Minus zugestimmt hat, weil andere Anbieter ja auch so günstig anbieten würden.
Habe dann zurück gefaxt, dass erst am 1.4. der Tag für Aprilscherze ist, Rückmeldung fehlt bis heute.

Ehrlich gesagt: ES KOTZT MICH AN. :-(
Ich entschuldige mich hiermit für den Kraftausdruck, aber diese Verfahrensweisen haben nichts mit Anstand und Partnerschaft gemeinsam und wir schaffen es nicht, den Rücken gerade zu machen.

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