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Selbst in den Familienferien kann Ann-Katrin Kossendey-Koch das Nachdenken über die Zukunft der Apotheken in Deutschland nicht lassen. Den Anstoß gab eine vergessene Offizin in einem eigentlich ganz idyllischen Örtchen. Doch hinter dem Lamellenvorhang traf die reisende Pharmazeutin auf die grausame Realität.
Ich war mit der Familie im Urlaub - am anderen Ende der Republik. Unser Hotel kenne ich noch von Reisen mit meinen Eltern, als ich noch ein Kind war. Der Ort ist klein, ähnlich wie mein Heimatdorf. Und was macht man als reisende Pharmazeutin? Richtig, man guckt sich Apotheken an. Auch ich gehöre zu dieser Spezies, die zwangsläufig zumindest einen kurzen Blick beim Kollegen ins Schaufenster wirft.
Uralt-Aspirin, verblichene Industriepappe
Was ich allerdings zwei Häuser weiter von unserem Hotel
gesehen habe, hat mich traurig gemacht. Eine kleine Apotheke, am Marktplatz
gelegen, in einem schön renovierten Haus mit zwei großen Schaufenstern. In der
Eingangstür hing unübersehbar ein riesiges Plakat, auf dem von der Inhaberin
darauf hingewiesen wurde, dass die Apotheke entgegen jeder Gerüchte nicht
schließen würde und dass man sich freue, weiterhin für die Bevölkerung da zu
sein. Daneben hing ein abgewetztes, von Aspirin vor Urzeiten gesponsertes
Schild mit den Öffnungszeiten. Die Schaufenster lieblos vollgestellt mit
verblichenen Industriepappen, der Blick in die Offizin versperrt von einem
alten Lamellenvorhang.
Meine Mutter brauchte Zahnseide, also konnte ich mir die Apotheke sogar von innen anschauen. Neben der Inhaberin war noch eine Mitarbeiterin anwesend, beide freundlich aber kurzangebunden. Die Offizin klein, die Regale der Freiwahl nur spärlich bestückt. Mitten auf dem HV-Tisch stand eine Registrierkasse- ich habe mir den restlichen Abend den Kopf zermartert, wie die Kollegen die Rabattverträge händeln? Wie funktioniert das in der heutigen Zeit?
„Moderne Apotheke“
Im Laufe der Woche nutzte ich die Gelegenheit, den Hotelier nach der Bedeutung dieses Plakates in der Apotheke zu fragen. Er erzählte mir, dass es seit geraumer Zeit eine Filiale im Ort gebe, so dass seine Nachbarin unmittelbare Konkurrenz bekommen habe. Seitdem sei sie auch wieder netter zu den Kunden und eigentlich könne sie das Schild jetzt auch mal raus nehmen.
Ich kenne die näheren Umstände nicht und mir geht es hier in keiner Weise darum, die Kollegin vorzuführen. Ganz im Gegenteil- ich bin entsetzt, wo wir mit unserem Berufsstand angekommen sind. Natürlich gibt es tolle, moderne Apotheken - schaut man sich zum Beispiel die Lichtenberg-Apotheke in Berlin an. Man kann den Inhaberinnen zu ihrem klar durchdachten und gelebten Konzept nur gratulieren. Diese Apotheke hat den Deutschen Apotheken Award 2015 in der Kategorie „Moderne Apotheke“ zu Recht gewonnen.
Was der Apotheker auf dem Land braucht
Aber Deutschland besteht nicht nur aus Großstädten, gerade
die flächendeckende Versorgung schreiben wir uns doch so gerne auf unsere
Fahne. Und ich widerspreche hier auch klar unserer Standesführung, die durch
Friedemann Schmidt hat verlauten lassen, dass eine ABDA nicht für alle
Apotheken Deutschlands da sein kann. Das kann sie nicht nur, das MUSS sie
sogar. Es ist so einfach, sich mit den großen Flagschiffen zu brüsten und
ansonsten durch schnelles Wegducken bloß nicht aufzufallen. Teure
Imagekampagnen braucht man nicht auf dem Land - wo bin ich näher dran am
Patienten als auf dem Dorf? In der kleinen Landapotheke mit fast ausschließlich
Stammkunden!
Die großen, medial aufgerüsteten Design-Apotheken findet man an potenten Standorten. Ich kann mich auch dafür begeistern, keine Frage- aber die Versorgung in ganz Deutschland können die wenigen Großen ohne die unzähligen kleinen Buden nicht leisten. In meinen Augen macht uns gerade diese Vielfalt stark, die Apotheke in einem Dorf geht in den meisten Fällen als letztes, wenn Schuhgeschäft und Videothek längst aufgegeben haben.
Apothekenfreie Zone
In der von mir besuchten Apotheke war diese Hoffnungslosigkeit greifbar. Dieses „Sich- mit-den-politischen-Umständen-abgefunden-haben“. Ein „Ich-mach-das-jetzt-noch-ein-paar-Jahre-und-dann-Tür-zu“. Keine Kraft mehr, kein Idealismus mehr. Nach jahrelangem Arbeiten für immer weniger Entlohnung, kann man diese Art „Apotheken-Burnout“ so gut nachvollziehen.
Ständig neue, noch
irrsinnigere Vorschriften, die man, obwohl konzipiert für die großen Player,
als kleine Landapotheke genauso beachten muss. Aber können wir es uns als
Berufsstand leisten, auf all die kleinen Apotheken zu verzichten? Oder sollten
wir gerade den Kollegen an den nicht so lukrativen Standorten unterstützend zur
Seite stehen? Nähe zum Patienten entsteht nicht
durch aufgehängte Plakate, sondern durch unser tägliches Tun in allen
Apotheken Deutschlands. In meinem angeführten Beispiel sind die nächsten
Apotheken, abgesehen von der kleinen Filiale des Mitbewerbers, acht bis 15 Kilometer entfernt. Für den Notdienst eine praktikable Entfernung, nicht aber für den
Alltag der Dorfbevölkerung.
Ich habe ernsthaft überlegt, die Kollegin anzusprechen und
mich mit ihr auszutauschen, aber ich wollte ihr auch nicht zu nahe treten.
Außerdem hätte vermutlich meine Familie rebelliert, zumindest der Urlaub ist
theoretisch apothekenfreie Zone.
7 Kommentare
Kommentar
von Alexander Zeitler am 08.04.2016 um 4:44 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Eben nicht...
von Ann-Katrin Kossendey-Koch am 08.04.2016 um 22:05 Uhr
Ich widerspreche ....
von gabriela aures am 07.04.2016 um 10:36 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Ich bin bei Dir...
von Ann-Katrin Kossendey-Koch am 07.04.2016 um 16:09 Uhr
8-15 km nicht praktikabel?
von Andreas Grünebaum am 06.04.2016 um 18:51 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Monetäre Unterstützung...
von Ann-Katrin Kossendey-Koch am 07.04.2016 um 16:15 Uhr
Tja
von Nachdenker am 06.04.2016 um 18:09 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
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