- DAZ.online
- News
- Debatte & Meinung
- Mein liebes Tagebuch
Wie zockt man Apotheker ab? Klar, mit Nullretax for ever und mit Margendeckelung bei Hochpreisern. Damit wir’s nicht so merken: vielleicht ein paar Cent mehr bei der BtM-Gebühr und Rezepturpreisen? Für wie dumm hält man uns?
11. April 2016
Das ist doch langsam schon crazy, oder? Der Deutsche Apothekerverband und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen konnten sich auf ihrer jüngsten Sitzung wieder nicht auf einen Kompromiss im Retaxstreit einigen. Den vom Schiedsstellenleiter Rainer Hess vorgelegten Lösungsvorschlag akzeptierten weder Apotheker noch Krankenkassen. Es war schon die dritte Sitzung im Schiedsverfahren. Mein liebes Tagebuch, das ist fast schon schlimmer als der Streit zwischen der Lokführer-Gewerkschaft und der Deutschen Bahn. Ich vermute mal, die Kassen wollen nicht einsehen, dass eine Nullretaxation bei Formfehlern eigentlich pervers ist. Da erbringen die Apotheker eine Leistung, versorgen den Patienten mit seinen Arzneimitteln und – mal überspitzt formuliert: Weil auf dem Rezeptblatt ein i-Punkt nicht genau über dem Buchstaben sitzt, zahlen sie dem Apotheker gar nichts. Der Apotheker muss, weil er einen winzigen meist vom Arzt verursachten Formfehler übersehen hat, der Kasse das Arzneimittel schenken! Pervers, einfach nur krank. Wenn man versucht, das einem Nicht-Apotheker zu erklären, erntet man nur Kopfschütteln. Das gibt es sonst nirgends auf der Welt. Nur bei den deutschen gesetzlichen Krankenkassen. Und wir lassen uns jahrelang einfach abzocken. Mein liebes Tagebuch, hoffen wir, dass unser Apothekerverband bei der nächsten Sitzung in der zweiten Maihälfte nicht nachgibt. Die Abzockerei muss ein Ende haben. Soll es doch auf einen Schiedsspruch hinauslaufen! Dem sehen wir mal gelassen entgegen.
12. April 2016
Den Pharmadialog hatte Bundesgesundheitsminister Gröhe ins Leben gerufen: Mehrmals haben sich in den vergangenen anderthalb Jahren das Gesundheits-, Wirtschafts- und Forschungsministerium mit Vertretern der pharmazeutischen Industrie, aus Wissenschaft und Forschung sowie der Gewerkschaft IG BCE zu einem Gedankenaustausch getroffen. An und für sich keine schlechte Idee. Allerdings: Krankenkassen, Apotheker und Ärzte durften nicht dabei sein, was schon wieder seltsam anmutet. Und was das Gesundheitsministerium aus den Erkenntnissen gemacht hat, dürfte nicht allen Beteiligten gefallen. Die Pharmaindustrie wird bei neuen Originalpräparaten gerupft. Sie darf nicht mehr ein Jahr lang ihren Wunschpreis für ihre Innovation festlegen. Das Gesundheitsministerium will in Zukunft eine Umsatzschwelle einführen: Bis zu dieser Schwelle soll der freie Preis abgerechnet werden dürfen, danach gilt der Erstattungsbetrag. Mondpreise sind dann erstmal weg. Positives gab’s für die Generikahersteller: Sie sollen mehr Zeit, nämlich sechs Monate bekommen, um sich auf Rabattverträge einstellen zu können. Ein kleines Zuckerle für Hersteller von Antibiotika: Diese Arzneimittel sollen in Zukunft nicht mehr in Festbetragsgruppen aufgenommen werden, wenn sie wegen Resistenzen für die Versorgung wichtig sind. Worauf man sich sonst noch verständigte: Securpharm soll ausgebaut werden. Zum Thema Lieferengpässe: Es soll eine Liste mit besonders versorgungsrelevanten, engpassgefährdeten Arzneimitteln geben, die Versorgungslage soll beobachtet werden. Mein liebes Tagebuch, ein richtig großer Bringer ist das nicht. Ob dadurch Lieferengpässe weniger werden, darf bezweifelt werden – aber man weiß vielleicht besser, dass es ein Lieferengpass ist. Die Ergebnisse des Pharmadialogs sollen bis zum Sommer in einen Referentenentwurf gegossen werden – und dann kann um diese Punkte gekämpft und gerungen werden.
Jede Woche hat ihren Big Bang, dieses Mal: Die 3-Prozent-Marge der Apotheker soll gedeckelt werden. Wumms, das sitzt. Wer will denn so was? Die Bundestagsfraktionen von Union und SPD! Sie haben das in ein Grundlagenpapier geschrieben und damit auf den Pharmadialog von Gröhe reagiert. Also, die drei Prozent Aufschlag, die wir Apotheker neben unserem Honorar für ein Arzneimittel erhalten, sollen begrenzt werden – vielleicht auf 37,80 Euro wie beim Großhandel? Mein liebes Tagebuch, wer will, wer kann dann überhaupt noch die Hochpreiser bestellen und handeln? Das ist eine eiskalte Honorarkürzung! Will man nun endgültig der Apotheke den Garaus machen? Damit nicht genug! Mit der gleichen eiskalten Frechheit setzen die Gesundheitspolitiker eins drauf, indem sie Verständnis und Mitleid für die Apotheker heucheln. Man wolle die Apotheker nicht benachteiligen, die Ausgaben für Apotheker dürften sich nicht vermindern, heißt es in diesem Papier. Und deshalb wolle man als Ausgleich für die Deckelung prüfen, ob eine verbesserte Honorierung bei den Rezepturen und den Betäubungsmitteln machbar ist. Mein liebes Tagebuch, was heißt hier „machbar“? Das setzt dem Ganzen doch die Krone auf, das ist oberdreist, oder? Da wird uns Honorar weggenommen und als Ausgleich will man einen schon jahrelang hochdefizitären Bereich der Apotheke „prüfen“, ob man da vielleicht etwas machen kann. BtM-Gebühr und Rezepturpreise sind längst überfällig! Sag mal, mein liebes Tagebuch, verkauft man uns da gerade für doof? Mehr Ohrfeigen für uns geht nicht.
Was interessant wäre zu wissen: Wie kommt es eigentlich dazu, dass Bundestagsfraktionen aus heiterem Himmel einfach mal so eine Deckelung fordern? Wer konkret hat eine solche Forderung zu verantworten? Auf wessen Mist ist das gewachsen?
13. April 2016
Gutachten des Wirtschaftsministeriums zum Apothekerhonorar, Deckelung des Apothekerhonorars – alles unwägbare Angriffe auf uns Apotheker. Aber längst nicht alles, was uns droht. Uns steht noch etwas viel Schlimmeres bevor: Es besteht die Gefahr, dass der Europäische Gerichtshof die Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aufhebt! Das von der Versandapo DocMorris angestrengte Verfahren, das mittlerweile vor dem EuGH gelandet ist, geht der Frage nach: Brauche ich die Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, um die Gesundheitsversorgung mit Arzneimitteln aufrecht zu erhalten? Es ist die Frage für einen möglichen Super-GAU, eine Frage, die nie hätte kommen dürfen. Mit einer Entscheidung wird im Frühherbst gerechnet. Sollte sich das Gericht gegen die Preisbindung entscheiden, gilt sie zwar zunächst nur für ausländische Versandapotheken, aber: Vermutlich werden dann inländische Apotheker klagen, die sich dadurch benachteiligt fühlen und den Preiskampf aufnehmen wollen. Frei zu kalkulierende Preise bei Rx – auf welche Ideen dann Krankenkassen kommen werden, kann man sich leicht ausdenken. Mein liebes Tagebuch, hoffen wir, dass es nicht so weit kommt. Aber wenn doch, dann wird dies unseren gesamten Apothekenmarkt umkrempeln. Wir werden uns nach den heutigen Zeiten zurücksehnen!
14. April 2016
Das Ringen hat ein Ende, der Bundestag hat’s verabschiedet: das Antikorruptionsgesetz. Jetzt behandelt es noch der Bundesrat - zustimmungspflichtig ist es nicht – und dann wird es auch schon bald veröffentlicht und tritt in Kraft. Also, Korruption im Gesundheitswesen steht unter Strafe.
Heilberuflern wie Ärzten und Apothekern, die einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung fordern, sich versprechen lassen oder annehmen und einen anderen im Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugen, droht eine Geldstrafe oder bis zu drei Jahre Haft. Bei Apothekern gibt es eine Einschränkung: Die Abgabe und der Bezug von Arzneimitteln, die nicht unmittelbar durch den Heilberufler angewandt werden, fallen nicht unters Antikorruptionsgesetz. Und das ist auch gut so, denn der Apotheker ist nun mal Kaufmann, der mit Einkaufsvorteilen rechnen muss: Rabatte und Skonti gehören dazu. Das hat nichts mit Korruption zu tun. Und bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln hat er sowieso so gut wie keine Spielräume, hier muss er sich nach den ärztlichen Verordnungen, Rabattverträgen und Festbetragsregelungen richten.
Die AOK protestierte gegen diese Ausnahme für Apotheker. Sie glaubt, dass der Apotheker bei den meisten Verordnungen darüber entscheide, welches Arzneimittel der Patient erhalte und von der Kasse bezahlt werde, weil es zwischen den drei preisgünstigsten oder mehreren rabattierten Arzneimitteln auswählen müsse. So ein Quatsch, mein liebes Tagebuch. Die Entscheidungsfreiheit gibt es doch so gut wie nicht. Lieferengpässe, ständige Änderungen der Rabattverträge, Retaxationen, wenn Rabattverträge nicht befolgt werden – wo bitte soll da Raum für Korruption sein?
Allerdings, mein liebes Tagebuch, muss man auch als Apotheker nach wie vor aufpassen, nicht mit diesem Gesetz in Konflikt zu geraten, z. B. bei den Beziehungen zu den Ärzten. Zuwendungen an Ärzte müssen im Rahmen bleiben, was auch immer das heißt, und dürfen nicht von Gegenleistungen abhängig gemacht werden. Mein liebes Tagebuch, man wird sehen, wie sich das Gesetz in der Praxis zurechtrüttelt.
15. April 2016
Noch eine Überraschung zum Wochenausklang: Während die Bundestagsfraktionen von Union und SPD den Drei-Prozent-Aufschlag unseres Apothekerhonorars deckeln wollen, geht es der SPD selbst nicht rasch genug, den Apothekern mehr Geld für Rezepturen und die BtM-Abgabe zukommen zu lassen. Schon witzig, oder? Ausgerechnet die SPD, die sich früher schon mal gerne für die Abschaffung des Fremd- und Mehrbesitzverbots eingesetzt hatte. Und jetzt sagt die SPD-Berichterstatterin für das Thema Apotheken, Sabine Dittmar: Gebt den Apothekern bei Rezepturen und den BtM-Gebühren endlich mehr Geld! Wie viel mehr das denn sein soll, sagt sie allerdings nicht. Und sie fügt auch hinzu, dass man über die Sache mit den drei Prozent Aufschlag bei Hochpreisern reden müsse. Mein liebes Tagebuch, das hört sich dann alles doch wieder nicht so nett an, wie zunächst geglaubt. Wir hätten schon mal gerne gewusst, wie hoch die BtM-Gebühr nach Meinung der Gesundheitspolitiker ausfallen soll. Und welche Verbesserungen sie bei den Rezepturpreisen im Auge haben? Mein liebes Tagebuch, will man uns ruhigstellen? Schauen wir mal nüchtern hin: Im nächsten Jahr ist Wahl, und die SPD kämpft um jeden Prozentpunkt. Ob sie Apotheker mit einer schmalen BtM-Gebührerhöhung und Deckelung bei Hochpreisern ködern kann? Irgendwie fühle ich mich da auf den Arm genommen.
24 Kommentare
Selektiv und ohne Gewinn
von Karl Friedrich Müller am 18.04.2016 um 6:26 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Überleben wie in USA ?
von Reinhard Rodiger am 18.04.2016 um 0:02 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Ave Maria oder doch noch ein Streik
von Reinhard Rodiger am 17.04.2016 um 19:24 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Generalrevision und Sanierung
von Wolfgang Müller am 17.04.2016 um 17:13 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten
AW: Selektivverträge
von Dr. Jochen Pfeifer am 17.04.2016 um 19:25 Uhr
AW: Antipoden
von gabriela aures am 17.04.2016 um 20:03 Uhr
AW: Antipoden II
von gabriela aures am 17.04.2016 um 20:08 Uhr
Zustandsbeschreibung - und nun?
von Reinhard Herzog am 17.04.2016 um 13:33 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Ein Highlight jagt das nächste
von Bernd Jas am 17.04.2016 um 13:02 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Brand-website statt Brandbrief
von Kerstin Kemmritz am 17.04.2016 um 12:16 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Politik
von Karl Friedrich Müller am 17.04.2016 um 11:42 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Die oberen .....
von gabriela aures am 17.04.2016 um 12:45 Uhr
Was fehlt?
von Reinhard Rodiger am 17.04.2016 um 11:39 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 4 Antworten
AW: Statement FS
von gabriela aures am 17.04.2016 um 12:39 Uhr
AW: Es fehlt...
von Bernd Jas am 17.04.2016 um 13:35 Uhr
AW: Ergänzung Statement FS
von Reinhard Rodiger am 17.04.2016 um 16:43 Uhr
AW: Streik
von Bernd Jas am 17.04.2016 um 18:52 Uhr
Guten Morgen, meine Lieben !
von gabriela aures am 17.04.2016 um 11:26 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Herr Ströh
von Heiko Barz am 17.04.2016 um 10:45 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Wie gern..
von Christiane Patzelt am 17.04.2016 um 10:36 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Frau Patzelt
von Dr.Diefenbach am 17.04.2016 um 9:54 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: ....mir fehlt was!
von Dr. Christian Meisen am 17.04.2016 um 10:25 Uhr
Wie schizophren..
von Christiane Patzelt am 17.04.2016 um 9:22 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Weiter so?
von Ulrich Ströh am 17.04.2016 um 9:10 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.