Zusammenarbeit Arzt-Pharmazeut

Großbritannien etabliert den Praxisapotheker

Berlin - 21.04.2016, 18:00 Uhr

Seit 2015 gibt es in Großbritannien Praxisapotheker, also Pharmazeuten, die zur Unterstützung von Allgemeinmedizinern in Praxen angestellt sind. (Foto: vetkit / Fotolia)

Seit 2015 gibt es in Großbritannien Praxisapotheker, also Pharmazeuten, die zur Unterstützung von Allgemeinmedizinern in Praxen angestellt sind. (Foto: vetkit / Fotolia)


In Großbritannien soll künftig in jeder Praxis für Allgemeinmedizin auch ein Apotheker arbeiten. Die Pharmazeuten sollen Medikationsfragen der Patienten klären, um die Ärzte zu entlasten. Der britische Gesundheitsdienst „National Health Service“ will dafür bis 2020 umgerechnet 140 Millionen Euro ausgeben.

Hierzulande ist die standespolitische Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern nicht immer unbeschwert. Die Apotheker würden insbesondere in der Medikationsberatung gerne mehr Kompetenzen übernehmen. Auf der anderen Seite sehen die Ärzte sich als erste Ansprechpartner in Sachen Medikation und wollen vermeiden, dass die Pharmazeuten etwa die Analyse von Medikationsplänen übernehmen.

Dass es auch anders geht, können beide Berufsgruppen bei ihren britischen Kollegen beobachten. In Großbritannien gibt es seit dem vergangenen Jahr Praxisapotheker, also Pharmazeuten, die zur Unterstützung von Allgemeinmedizinern in Praxen angestellt sind. Bewerben dürfen sich nur Apotheker mit einer Fortbildung in klinischer Pharmazie, sogenannte „Clinical pharmacists“. Apotheker mit langjähriger Berufserfahrung in diesem Gebiet dürfen sogar Folgerezepte ausstellen.

Schon im vergangenen Jahr hatte der NHS ein Modellprojekt initiiert, bei dem Praxen, die Apotheker einstellen, finanzielle Unterstützung beantragen können. 2015 hatte der Gesundheitsdienst so umgerechnet 26 Millionen Euro investiert und dafür gesorgt, dass in mehr als 700 Praxen Pharmazeuten angestellt wurden. In einem heute bekannt gewordenen Reformpapier kündigt der NHS an, den Service weiter auszubauen.

Ein Apotheker in jeder Praxis

„Das Interesse an dem Programm war riesig“, heißt es in dem Papier. Noch habe man das Modellprojekt nicht wissenschaftlich ausgewertet. „Aus den Antworten der Teilnehmer können wir aber jetzt schon erkennen, dass Apotheker eine sehr wichtige Rolle dabei spielen, alle Prozesse rund um Arzneimittel-Verordnungen zu vereinfachen, die Arzneimitteltherapie zu optimieren und Patienten zu beraten.“ Und weiter: „Apotheker sind weiterhin eine der am wenigsten ausgeschöpften Berufe im Gesundheitssystem, wir müssen ihre beachtlichen Fähigkeiten mehr ausspielen.“

Bis 2020 sollen daher alle Allgemeinmediziner-Praxen einen Apotheker eingestellt haben. Insgesamt will der NHS in den kommenden vier Jahren 1500 Pharmazeuten in Arztpraxen bezuschussen. Die Apotheker sollen die Mediziner beispielsweise auch dabei unterstützen, Patienten in Pflegeheimen zu versorgen. Angestellt sind die Apotheker allerdings bei der Praxis: Im ersten Jahr nach ihrer Einstellung übernimmt der NHS 60 Prozent ihres Gehaltes, im zweiten Jahr 40 Prozent, im dritten Jahr noch 20 Prozent und im vierten Jahr müssen die Praxen die Apotheker dann alleine vergüten.


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Die spinnen, die Briten ..... oder nicht?

von Wolfgang Müller am 21.04.2016 um 17:29 Uhr

Und Baa-Zonggg haben sich alle Plausibilitäten unseres reinen Medikationsmanagement-"Perspektivpapiers für die ÖFFENTLICHE Apotheke" in Luft aufgelöst.

Lasst es uns einfach ehrlicherweise in "Perspektivpapier für die neue faszinierende Apotheker-Berufstätigkeit Medikationsmanagement - wo auch immer" umbenennen.

Und dann endlich WIRKLICH echte Perspektiven für die Öffentliche Apotheke diskutieren: Anständiges Honorar, Evidenzbasierte Selbstmedikation, notarielle Funktion beim Korrigieren von Rezepten, Pharmaceutical Care bei Stammkunden im Ärzte-Auftrag, Bekenntnis zum Heilberuflichen Einzelhandel, auskömmliche Rezeptur und da gibt es noch so vieles Schöne mehr!

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