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- Kann Everolimus mehr
Everolimus soll künftig Patienten mit Tuberöser Sklerose nicht nur bei Tumoren, sondern auch bei epileptischen Anfällen helfen: Der Wirkstoff reduzierte in einer aktuellen Phase 3-Studie signifikant die Anfallshäufigkeit bei therapierefraktären Patienten.
„Die Ergebnisse sind ermutigend”, erklärt Jacqueline French, Neurologin am Langone Medical Center der New York University, die Resultate der EXIST 3-Studie. Diese untersuchte Patienten mit Tuberöser Sklerose, die trotz antikonvulsiver Therapie weiterhin unter epileptischen Anfällen litten. Everolimus reduzierte – je nach Plasmaspiegelkonzentration – die Anzahl der Krampfereignisse signifikant: 29,3–39,6 Prozent, verglichen mit Placebo (14,9 Prozent). Die Studie wurde im Rahmen des Kongresses der American Academy of Neurology am Mittwochabend in Vancouver vorgestellt.
Tuberöse Sklerose (tuberous sclerosis complex, TSC) ist eine seltene Erbkrankheit. Sie geht mit einer erhöhten Inzidenz für Fehlbildungen und Tumoren im Gehirn einher. Häufig sind auch andere Organe wie die Nieren, die Haut, Augen, Lunge, Herz und Leber betroffen. Persistierende epileptische Anfälle als Folge der Hirntumore sind ein bekanntes Symptom und eine gefürchtete Komplikation der Erkrankung – etwa 60 Prozent aller Patienten sind trotz antikonvulsiver Therapie nicht anfallsfrei.
Epileptische Anfälle bei Tuberöse Sklerose – bald neues Indikationsgebiet?
Vor diesem Hintergrund untersuchte die doppelblinde, randomisierte und placebokontrollierte EXIST 3-Studie (EXamining everolimus In a Study of TSC), 366 männliche und weibliche Tuberöse Sklerosepatienten im Alter von 2,2–56,3 Jahren. Alle Probanden waren bei Studienbeginn auf eine stabile Dosis ihrer ein bis drei antiepileptischen Arzneimittel eingestellt, zeigten aber dennoch persistierende Krampfanfälle. Es gab zwei Verumgruppen, die Everolimus als adjuvante Therapie erhielten. Sie wurden auf Plasmakonzentrationen von entweder 3-7 ng/ml oder 9-15 ng/ml titriert und gegen eine dritte, die Placebogruppe, getestet. Die Senkung der Anfallshäufigkeit war in beiden Everolimusgruppen signifikant.
Die vielversprechenden Daten sollen Novartis nun als Grundlage für Gespräche mit Gesundheitsbehörden hinsichtlich weltweiter Zulassungsanträge in diesem Indikationsgebiet dienen.
Everolimus
Everolimus gehört in die Gruppe antineoplastischer Arzneimittel. Als Proteinkinase-Inhibitor greift es hemmend in die Proliferation von Tumorzellen aber auch von Endothelzellen, Fibroblasten und blutgefäßassoziierten glatten Muskelzellen ein. Angriffspunkt ist die Serin-Threoninkinase mTOR (mammalian Target of Rapamycin). mTOR besitzt als mTOR-Komplex-1 (mTORC1) eine Schlüsselfunktion bei der Synthese von Proteinen des Zellzyklus und der Angiogenese. So hemmt Everolimus durch Reduktion der Spiegel von endothelialem Wachstumsfaktor (VEGF) die Tumorangiogenese. Everolimus ist in Deutschland zugelassen zur Prophylaxe der Transplantatabstoßung nach Nieren-, Leber- und Herztransplantation (Certican®).
Zur Therapie des fortgeschrittenen, hormonrezeptorpositiven Mammakarzinoms, des Nierenzellkarzinoms und zur Behandlung neuroendokriner Tumore pankreatischen Ursprungs ist es unter dem Handelsnamen Afinitor® erhältlich. In dem Orphan-Arzneimittel Votubia® ist Everolimus indiziert bei Riesenzellastrozytom und renalem Angiomyolipom aufgrund einer Tuberösen Sklerose.
Everolimus bereits etabliert bei TSC
Everolimus ist als wirksames Prinzip nicht neu auf dem Therapiegebiet der Tuberösen Sklerose. Als einzige nicht-chirurgische Maßnahme wird der Wirkstoff zur Schrumpfung gutartiger Tumore des Gehirns und der Nieren bei diesem Krankheitsbild eingesetzt. In Europa ist es unter dem Handelsnamen Votubia® für diese Indikation bereits zugelassen. Außerdem ist Everolimus als Afinitor® für die Therapie des fortgeschrittenen, hormonrezeptorpositiven Mammakarzinoms, des Nierenzellkarzinoms und zur Behandlung neuroendokriner Tumore pankreatischen Ursprungs erhältlich. In den USA wird es für alle bisher zugelassenen Indikationen als Afinitor® vermarktet.
Orphan Disease
Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) hatte am 4. August 2010 Votubia® als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesen. Mit weltweit etwa einer Million Erkrankter, gehört die Tuberöse Sklerose zu diesen Erkrankungen.
Am 2. September 2011 erteilte die Europäische Kommission eine Genehmigung „unter Auflagen” für das Inverkehrbringen von Votubia® in der gesamten Europäischen Union. Nachdem Novartis Daten zu Langzeitwirkungen des Arzneimittels vorgelegt hatte, wurde diese am 16. November 2015 in eine uneingeschränkte Genehmigung umgewandelt.
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