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Der Medikationsplan steht und das E-Rezept ist ante portas. Machen wir’s für umme und der Doktor fürs Honorar? Warum können eigentlich Arzt und Apotheker so schwer miteinander? Oder geht’s besser als Angestellter in der barrierefreien Arztpraxis? Und warum „derzeit kein Honorardeckel“ auch eine Zumutung ist.
18. April 2016
Wie soll man als Leiterin oder Leiter einer Apotheke eigentlich planen können, wenn Politiker ständig eine neue Honorarsau durchs Dorf treiben? Wie soll man da noch Entscheidungen treffen, die echt Geld kosten? Zum Beispiel einen neuen Mitarbeiter einstellen oder einen Kommissionierer anschaffen, um mehr Zeit für die Beratung zu haben. Mein liebes Tagebuch, wir sollen Kaufleute sein, sind aber dermaßen von Launen und spontanen Einfällen der Politik abhängig – langfristige Planungen sind da fast ausgeschlossen. Da droht uns das vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Gutachten, das 2018 über unser Honorar entscheiden soll. Da kommen so launige Zwischenrufe von Gesundheitspolitikern, die unser Apothekenhonorar bei Hochpreisern deckeln wollen, was wiederum die Krankenkassen – klar – sehr gut finden. Immerhin, das Wirtschaftsministerium will diese Vorschläge nicht aufgreifen, wie es auf Anfrage bestätigte, eine Änderung der Arzneimittelpreisverordnung sei derzeit nicht geplant, Hmm, mein liebes Tagebuch, wie lange ist „derzeit“? Das klingt alles nicht sonderlich verlässlich und vertrauenerweckend. Und der Schwebezustand bis 2018 ist eine Zumutung.
Warnhinweise auf OTC-Schmerzmitteln – wünscht sich das Gesundheitsministerium. Fühlt sich ein bisschen fadenscheinig an, wenn das Gesundheitsministerium jetzt meint, mit einem aufgedruckten Hinweis (Nicht länger als drei bis vier Tage) die „Verbraucher“ (das Ministerium kennt keine Patienten) vor einem ungehemmten Schmerzmittelkonsum warnen zu können. Die Regierung selbst hat doch den Wettbewerb angeheizt, indem sie OTC-Preise freigegeben und den Versandhandel zugelassen hat. Und dann ermunterte sie noch die Patienten, von den Apotheken preiswerte Arzneimittel einzufordern. Die Folge: Apotheken verschleudern nun brav und artig Paracetamol für unter 99 Cent und empfehlen die noch günstigere Großpackung des Schmerzmittels. Das Ministerium: „Oh, die Apotheker machen sogar Wettbewerb! Und die Verbraucher verlangen nach billigen Schmerzmitteln – na, da müssen aber dann Warnhinweise auf die Packungen.“ Hallo, mein liebes Tagebuch, wie schizophren ist das denn?
19. April 2016
Den Medikationsplan erst einmal „für umme machen“ will Versandapo-Chef Christian Buse. Klar, ein Honorar für die Mehrleistung des Apothekers wäre schon schön, meint der Versandapotheker, aber es gebe nun mal Vorteile eines solchen Plans, da sei die Frage nach dem Geld zweitrangig. Mein liebes Tagebuch, den Medikationsplan „für umme“ machen zu wollen, geht Versendern ja auch leicht über die Lippen – sie werden wohl kaum in die Verlegenheit kommen und mit dem Papierausdruck eines ärztlichen Medikationsplans konfrontiert werden, um ihn zu ergänzen. Und deshalb sehnen sie sich auch den elektronischen Plan herbei und – als herzallerliebsten Wunsch – das elektronische Rezept. Aus Sicht der Versandapos nachvollziehbar. Aber: Ein E-Rezept wird den Markt mehr als nur ein bisschen durcheinanderwirbeln. Wenn der Patient sein E-Rezept elektronisch von zu Hause aus oder von Internet-Terminals, die bei Aldi, Rossmann, am Bahnhof oder sonst wo stehen können, an eine x-beliebige (Versand-)Apo schicken kann, hat das eine andere Qualität als heute, wo ein Rezept per Post verschickt werden muss. Ach ja, dann steht da noch die EuGH-Rechtsprechung ins Haus: Sollte das Gericht die Preisbindung für Rx canceln – nein, daran wollen wir heute noch gar nicht denken...
20. April 2016
Bleiben wir beim Medikationsplan: Er steht. Also, die Beteiligten, die Ärzte und Apotheker haben sich darauf verständigt, wie der Plan aussehen soll, wie er erstellt, aktualisiert und fortgeschrieben wird. Dieses Mal ohne Zank und ohne Schiedsstelle. Wie genau alles ablaufen soll, will man derzeit noch nicht rauslassen, da noch Stellungnahmen dazu ausgewertet werden. Immerhin, Ärztin Regina Feldmann, Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, wünscht sich, dass Apotheker den Plan unterstützen. Schon klar, mein liebes Tagebuch, würde ich mir, wen ich der Arzt wäre, auch wünschen: „Mein lieber Apotheker-Schnuckiputz, hilf mir bitte mal, den Plan aufzustellen, auf dem Laufenden zu halten, damit ich mein Honorar dafür abrechnen kann. Und vergiss bitte nicht, die OTCs nachzutragen, ja?“ Also, im Klartext: Ohne Apotheker wird’s und kann’s nicht so richtig laufen. Mal ehrlich, ich bin gespannt, ob ein Plan, der auf Papier daherkommt und unter den Heilberuflern nicht elektronisch ausgetauscht werden kann, der lückenhaft ausgefüllt ist, überhaupt ein Renner wird. Wohl eher nicht. Tja, ohne Apotheker wird’s nicht gehen.
„Die elektronische Gesundheitskarte kommt“, tönte es 2006! Zehn Jahre später ist sie immer noch nicht richtig da, nur rudimentär. Und vor allem: ohne elektronisches Rezept. Doch in Bayern tut sich jetzt was – weil’s möglicherweise Geld aus dem Innovationsfonds dafür gibt. Unter Federführung des bayerischen Gesundheitsministeriums wollen Ärzte und Apotheker in der Audi-Stadt Ingolstadt ein Modellprojekt starten: Patienten sollen sich dort bald entscheiden können, ob sie ihr Rezept auf der Karte oder in Papierform erhalten wollen. Die elektronische Variante soll auf einem zentralen Server gespeichert werden, auf den Ärzte und Apotheker mit Sicherheitscodes zugreifen können. Noch ist allerdings einiges unklar, z. B. wie werden die Rezepte dann abgerechnet? Was lässt sich darauf verändern und heilen, um Retaxationen vorzubeugen? Doch das wird wohl alles noch geklärt werden – angesichts von potenziellen Finanzspritzen aus dem Topf des Innovationsfonds. Da sind Bayerns Apothekerverband und Apothekerkammer gefordert! Mein liebes Tagebuch, eines Tages wachen wir Apothekers auf und reiben uns die Äuglein: Es ist da, das elektronische Rezept. Die Versandapos freuen sich schon heute. Wäre schön, wenn wir vorher noch ein paar Konditionen und Parameter mitbestimmen könnten.
21. April 2016
Arzt und Apotheker können nicht so recht miteinander. Da ist Sand im Getriebe, es knirscht in der Beziehung zwischen beiden. Dass das nicht nur Vorurteile sind, sondern gelebte Realität, weiß fast jeder Apotheker. Und man kann es jetzt nachlesen in einer Studie, in Auftrag gegeben von der Apothekerkammer Westfalen-Lippe. Anhand von Umfragen unter Apothekern und aus Interviews mit Ärzten ist nun klar: In der Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apotheker fehlt es einfach am Wissen über die Alltagsprobleme und Strukturen des anderen. Apotheker fühlen sich als „Nerver“, sie brauchen nachträglich „Kreuzchen“, Ärzte sehen in Apotheker diejenigen, die ihre Kompetenzen überschreiten. Und dann gibt es noch die Sympathie und Antipathie zwischen beiden. Mein liebes Tagebuch, das ist in der Tat nicht einfach. Schön, dass eine Studie versuchte, das Beziehungsgeflecht mal aufzuarbeiten. Und wie wird’s besser? Es führt kein Weg daran vorbei: Beide Heilberufler müssen die Bereitschaft mitbringen, miteinander zu sprechen. Es geht nur so, dass einer die Initiative ergreift und den andern zum Gespräch einlädt. Sie sollten sich dann die Abläufe in der Praxis, in der Apotheke zeigen, die Alltagsprobleme erklären und gemeinsam nach einer Lösung suchen. In einer Diskussionsrunde auf den Münsteraner Gesundheitsgesprächen zu diesem Thema kam auch zur Sprache: Was ist, wenn sich der eine oder andere Ältere nicht mehr umstellen und auf den andern zugehen will? Das dürfte sich dann biologisch lösen, war die Antwort – hier setzt man auf die nachrückende Generation.
Dazu passend eine Nachricht von der Insel, wobei ich nicht weiß, ob das jetzt eine positive Nachricht ist oder nicht: In Großbritannien soll bis 2020 in jeder Praxis für Allgemeinmedizin auch ein Apotheker arbeiten. Die klinischen Pharmazeuten sollen sich die Medikation anschauen, Fragen des Patienten klären und so die Ärzte entlasten. Der britische Gesundheitsdienst will dafür 140 Mio. Euro ausgeben, mit denen die Praxen anfangs bezuschusst werden. Nach vier Jahren müssen sie den Apotheker dann selbst vergüten. Ein Modellprojekt dazu, das im vergangenen Jahr angelaufen ist, soll gezeigt haben: Das Interesse der Ärzte sei riesig gewesen. Mein liebes Tagebuch, auf der einen Seite klingt das verführerisch: Die Arzneimitteltherapie und Arzneimitteltherapiesicherheit ist heute so komplex, dass sie ein Arzt allein nicht bewältigen kann – unser Rat wird geschätzt, man braucht die Expertise eines Apothekers. Aber als Beratungsapotheker beim Onkel Doktor angestellt zu sein – ist es das, was wir wollen? Mein Arbeitsplatz: die Praxis für Allgemeinmedizin? Wäre das für deutsche Apothekers vorstellbar? Vermutlich werden wir so schnell nicht in die Verlegenheit kommen, uns in Deutschland ernsthaft darüber zu unterhalten. Denn bei uns gäbe es gar nicht so viele Pharmazeuten, die bei Allgemeinmedizinern arbeiten könnten. Es sei denn: Unsere Regierung nutzt dieses Modell zum Auffangen derjenigen Apotheker, die ihre Apotheke schließen müssen. Mein liebes Tagebuch, du weißt ja: Geheimen unausgesprochenen Plänen zufolge soll es in Deutschland in zehn bis zwanzig Jahren nur noch 15.000 Apotheken geben. Doch bevor solche Alpträume wahr werden: Ich kann mir auch das umgekehrte Zukunftsszenario vorstellen – die Apotheke stellt einen Allgemeinmediziner in der Apotheke ein…
22. April 2016
Das ist wieder so ein Ding: Arztpraxen können Fördermittel aus dem Nationalen Aktionsplan 2.0 beantragen, um ihre Praxen barrierefrei umzugestalten. Und Apotheken, die laut Apothekenbetriebsordnung von 2012 barrierefrei zugänglich sein müssen? Die ABDA duckt sich weg: „Diese Vorgabe dürfte bereits damals von den allermeisten Apothekenbetrieben erfüllt worden sein“, heißt es aus Berlin, keine Probleme aus der Praxis bekannt. Äh, ja klar, mein liebes Tagebuch, viele Apotheken haben brav auf eigene Kosten umgebaut. Und dann steht man plötzlich vor einer Apotheke: Hoppla, da ist noch eine Stufe. Na, na, die ABDA kann doch nicht jede Stufe kennen…
Ich hab’s entdeckt, mein Produkt der Woche: das „Vegane Kräuterölbad Kamille“. Mein liebes Tagebuch, wie konnte ich eigentlich bisher ohne ein veganes Kräuterölbad leben? Bin ich bisher in Fleischbrühen oder vegetarischen Bädern gelegen? Egal, nach dieser stressigen Woche gönne ich mir das vegane Bad und tauche darin ab in der Hoffnung, dass es auch genfrei, laktosefrei und glutenfrei ist. Und hoffentlich ohne Kalorien und auch low carb. Dazu ein Schluck Biowasser und der Sonntag ist gerettet.
10 Kommentare
Den Spieß einfach(?) mal umdrehen
von Kerstin Kemmritz am 24.04.2016 um 12:56 Uhr
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AW: e-Rezept
von Katharina Stülcken am 24.04.2016 um 15:12 Uhr
AW: Das große Risiko ...
von gabriela aures am 24.04.2016 um 15:32 Uhr
AW: Antwort zu den Kommentaren
von Kerstin Kemmritz am 24.04.2016 um 17:34 Uhr
AW: Erfahrung nutzen
von Reinhard Rodiger am 24.04.2016 um 19:49 Uhr
Guten Morgen,
von gabriela aures am 24.04.2016 um 11:57 Uhr
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AW: Das Angebot...
von gabriela aures am 24.04.2016 um 12:05 Uhr
Neue Arzt-Apotheker-Abhängigkeit?
von Reinhard Rodiger am 24.04.2016 um 11:35 Uhr
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Ab dafür
von Bernd Jas am 24.04.2016 um 10:10 Uhr
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Zusammenarbeit Arzt-Apotheker
von Dr Jochen Pfeifer am 24.04.2016 um 8:48 Uhr
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