Hausapotheken

Ärzte in Österreich kämpfen weiter um ihre Pfründe

Remagen - 02.05.2016, 07:00 Uhr

Mit der Studie „Entlastung des Gesundheitssystems durch Re-Strukturierung des Apotheken-Marktes in Österreich" wollen Ärzte für mehr Hausapotheken kämpfen. Die Apotheker halten dagegen. (Foto: Bilderbox)

Mit der Studie „Entlastung des Gesundheitssystems durch Re-Strukturierung des Apotheken-Marktes in Österreich" wollen Ärzte für mehr Hausapotheken kämpfen. Die Apotheker halten dagegen. (Foto: Bilderbox)


Das Gerangel zwischen Apotheker-und der Ärzteschaft um die ärztlichen Hausapotheken in Österreich geht in die nächste Runde. Die Hausapotheken würden die Gesundheitsausgaben senken und die Versorgungsdichte erhöhen, soll eine neue Untersuchung zeigen, die die Ärztekammer präsentiert hat.

Um Einsparungen zu erzielen, sollten die ärztlichen Hausapotheken in Österreich noch weiter ausgebaut werden, empfiehlt eine aktuelle gesundheitsökonomische Studie, die die Ärztekammer des Alpenlandes als neues Mittel im Verteilungskampf um die Arzneimitteldistribution ins Feld führt. Die Untersuchung mit dem Titel „Entlastung des Gesundheitssystems durch Re-Strukturierung des Apotheken-Marktes in Österreich" wurde von Kreutzer Fischer & Partner Consulting, Wien, durchgeführt. 

Keine Anreize zur Überverordnung

Gert Wiegele, Sektionsobmann der Bundessektion Allgemeinmedizin und Referent für Hausapotheken und Landmedizin der Österreichischen Ärztekammer(ÖÄK) fühlt sich bestärkt. „Diese Studie widerlegt sehr eindeutig kürzlich veröffentlichte Behauptungen, wonach eine Ausweitung der Hausapotheken angeblich Anreize zur Überverordnung zu Lasten der öffentlichen Hand setzen und zu einer Ausdünnung der Vollversorgung mit Arzneimitteln auf dem Land führen soll“ kommentiert der Vertreter der Ärzteschaft die Studienergebnisse in einer Pressemitteilung.

Er bezieht sich hierbei auf entsprechende Äußerungen des Leiters des unabhängigen Forschungsinstituts IHS HealthEcon Thomas Czypionka von Mitte April 2016. „Jetzt bekommen wir die Bestätigung, dass tatsächlich das Gegenteil der Fall ist", meint Wiegele. Die Studie unterstreiche einmal mehr die vielen Vorteile ärztlicher Hausapotheken.“ 

Keine einzige soll verloren gehen

Vor diesem Hintergrund sei es besonders problematisch, dass es mit den heute verbliebenen rund 850 ärztlichen Hausapotheken bereits rund 100 weniger gebe als im Jahr 2000. Dass parallel dazu mit plus 200 die Zahl der öffentlichen Apotheken massiv angestiegen ist, habe auch zu einem Sterben ärztlicher Hausapotheken beigetragen, meint er.

Den Initiativantrag der Koalitionsparteien von Mitte März zur Regelung der Arzneimittelversorgung in ländlichen Regionen hält Wiegele deshalb für einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Der Antrag sieht eine Erweiterung des Schutzgebietes der ärztlichen Hausapotheken vor, um die Landflucht der Hausärzte durch zusätzliche Einkünfte zu verhindern. Im Sinne einer guten Versorgung sei es allerdings eine Minimalforderung, dass keine weiteren Hausapotheken aus rechtlichen Gründen verloren gehen. 

Gesundheitsökonomische und versorgungstechnische Vorteile

Das in der Studie von Kreutzer Fischer & Partner Consulting errechnete Einsparungspotenzial wird im Wesentlichen aus zwei Positionen abgeleitet, zum einen aus einer Sozialisierung der Apotheken-Gewinne, weil der niedergelassene Arzt nicht die volle Gewinnmarge des Apothekers benötige, und zum aus den Synergieeffekten im Personal- und Sachaufwand.

Ein Ausbau der Vertriebsschiene über ärztliche Hausapotheken soll nach der Studie aber auch aus versorgungstechnischer Sicht sinnvoll sein. Derzeit sei die Versorgung der Patienten mit Medikamenten in Österreich „eigentlich nur in den urbanen Zentren zufriedenstellend". Während es in Wien pro Quadratkilometer Siedlungsraum im Durchschnitt 1,28 öffentliche Apotheken gebe, seien es in allen anderen Bundesländern nur rund 0,1.Deshalb brächten „Arzt-Apotheken" gerade in ländlichen Regionen „für die Patienten enorme Vorteile, müssten diese doch für die Beschaffung der vom Arzt verschriebene Medikamente keine extra Wege auf sich nehmen". Es sei davon auszugehen, dass bei einer Liberalisierung des Apotheken-Marktes „in Summe weitaus mehr Arztapotheken entstehen, als öffentliche Apotheken reduziert werden".

Apotheker schießen dagegen

Die Aussage von Ärztekammerfunktionär Wiegele, dass ärztliche Hausapotheken die Gesundheitskosten reduzierten, sei schlichtweg unzutreffend,“ kontert Martin Hochstöger, Mitglied des Präsidiums der Österreichischen Apothekerkammer. Im Vorfeld der Neuregelung der ländlichen Versorgung mit Apotheken und ärztlichen Hausapotheken wecke diese Vorgehensweise vielmehr den Eindruck des „blanken Aktionismus.“

Der Initiativantrag vom 16. März schaffe ohnedies eine Situation, die die Landärzte eindeutig bevorzuge und die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten durch öffentliche Apotheken benachteilige. Für ihn sieht es so aus, als habe die Ärztekammer nun krampfhaft nach einer Publikation gesucht, um die am 15. April veröffentlichte IHS-Expertenmeinung zu diskreditieren. 

„Diese Vorgehensweise ist durchschaubar und die Aussage ein Leichtgewicht im Vergleich zur IHS-Publikation“, glaubt Hochstöger.

Arzneimittelkosten in ärztlichen Hausapotheken deutlich höher

Dort hatte Czypionka festgestellt, dass die aktuelle Diskussion um die Ausweitung der ärztlichen Hausapotheken nicht unerhebliche gesundheitspolitische Nebenwirkungen außer Acht lasse. Der Gesundheitsökonom hatte hierzu auf die Situation in der Schweiz verwiesen, wo in den letzten Jahren in etlichen deutschsprachigen Kantonen teilweise das ärztliche Dispensierrecht eingeführt wurde. Eine aktuelle Studie aus dem Jahr 2016 habe gezeigt, dass die Arzneimittelkosten pro Patient bei den Ärzten mit Hausapotheke um ein Drittel höher liegen. 

Außerdem sei die Gewinnspanne pro Dosis um 5-10 Prozent höher als bei der Abgabe über die Apotheke. Dies habe eine weitere Studie ermittelt. 

Die geplante Gesetzesänderung werde voraussichtlich zwar zu einer Verbesserung der Teilversorgung, jedoch zu einer Verschlechterung der Vollversorgung der ländlichen Bevölkerung mit Arzneimittel führen, so seine Prognose.


Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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