Boehringer-Stiftung und Uni Mainz

Gericht ermöglicht Einblick in geheime Verträge

Stuttgart - 20.05.2016, 14:08 Uhr

Nicht für jeden offen: Kooperationsverträge mit der Boehringer Ingelheim Stiftung möchte die Universität Mainz nicht veröffentlichen. (Foto: picture alliance / dpa)

Nicht für jeden offen: Kooperationsverträge mit der Boehringer Ingelheim Stiftung möchte die Universität Mainz nicht veröffentlichen. (Foto: picture alliance / dpa)


Mit 150 Millionen Euro fördert die Boehringer Ingelheim Stiftung ein Institut an der Uni Mainz. Dabei räumt sie der Stiftung in Kooperationsverträgen weitgehende Rechte ein. Ein Journalist klagte nun auf Einsicht in die Verträge.

Wenn private Unternehmen im großen Maßstab öffentliche Universitäten fördern, kommt schnell der Verdacht der unzulässigen Einflussnahme auf. So auch bei den sehr großzügigen Spenden der Boehringer Ingelheim Stiftung für die Uni Mainz, die die Gründung des Instituts für Molekularbiologie ermöglichten: 100 Millionen Euro flossen seit 2009 in das Institut, weitere 50 Millionen Euro erhielt die Uni im Jahr 2013 für andere Zwecke. „Dies ist ein weiterer Meilenstein, um Mainz hin zu einem international konkurrenzfähigen Wissenschaftszentrum auf dem Gebiet der Lebenswissenschaften zu profilieren und noch stärker zu positionieren“, erklärten Stiftungsvorstand Otto Boehringer, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer und die Forschungsministerin Doris Ahnen damals.

Welche Einfluss-Möglichkeiten sich die Stiftung im Rahmen der Förderung einräumen ließ, blieb unbekannt. Anträge einer Studentin auf Einsicht in den Kooperationsvertrag lehnte die Uni ab, da diese in den „grundrechtlich geschützten Bereich der Forschung“ fielen. Doch gewährte die Stiftung Journalisten von Spiegel Online oder der „taz“ in den Räumen der Uni Einblick in die Verträge. Wegen des Gleichbehandlungs-Grundsatzes muss die Universität dies jetzt wohl auch anderen Journalisten ermöglichen – wie das Verwaltungsgericht (VG) Mainz in der vergangenen Woche entschied.

Sieg für die Pressefreiheit

Geklagt hatte Thomas Leif, Chefreporter des SWR. Die in der mündlichen Verhandlung verkündete Entscheidung freut seinen Anwalt Carl Christian Müller: „Wir sind sehr zufrieden, denn wir halten das Urteil des VG Mainz für einen Sieg für die Presse- und Informationsfreiheit – alles andere wäre eine nicht hinnehmbare Einschränkung der Pressefreiheit gewesen“, sagt er. Es könne nicht sein, dass nur handverlesenen Journalisten Einsicht gewährt wird, so Müller. „Wir halten das Urteil deshalb für sehr wichtig, weil gegen Drittmittelförderung nichts einzuwenden ist, solange sie transparent erfolgt.“

Allerdings wollte Leif eigentlich deutlich mehr erreichen: Seine Klage zielte darauf ab, über das Informationsfreiheitsgesetz des Landes Kopien des Vertrages überlassen zu bekommen. Doch gilt in Rheinland-Pfalz seit Januar 2016 ein neues Landestransparenzgesetz, welches Informationsrechte für den Bereich der Wissenschaft weitgehend ausnimmt. „Unsere Argumentation ist natürlich weitergehend“, sagt Müller. „Sie zielte darauf ab, dass die Uni Mainz grundsätzlich verpflichtet ist, Verträge über Drittmittel offenzulegen, wenn keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse betroffen sind“.

Kein allgemeiner Rechtsanspruch

So sieht die Uni auch ihre Rechtsauffassung als bestätigt an, wie sie in einer Pressemitteilung schreibt: Die Entscheidung bestätige, dass es „keinen Rechtsanspruch auf Einsicht in die Verträge“ gibt, so die Universität. Das schriftliche Urteil liegt allerdings noch nicht vor. Eine Revision wurde ausgeschlossen, doch sowohl der klagende Journalist Leif als auch die Universität können über eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Entscheidung vorgehen.

Auch die Boehringer-Ingelheim-Stiftung hebt in einer Stellungnahme darauf ab, dass laut der Gerichtsentscheidung die Verträge nach dem Landestransparenzgesetz nicht offengelegt werden müssen. „Das Urteil schafft Klarheit und Rechtssicherheit für die zukünftige Zusammenarbeit von Universitäten, Forschungsförderern und Kooperationspartnern in Rheinland-Pfalz“, schreibt sie. Allerdings sehe das Gericht nach dem Landesmediengesetz einen Anspruch des Klägers auf Einsichtnahme in die Verträge. 

Mitsprache bei Berufungen

Der SWR-Journalist Leif sieht grundsätzliche Probleme, die sich durch die mangelnde Transparenz bei Kooperationen zwischen öffentlichen Universitäten und privaten Förderern ergäben. Zwar hat die Stiftung keine Exklusivrechte an Forschungsergebnissen und darf auch keine Ergebnisse kontrollieren, doch können wichtige organisatorische Fragen nur mit Zustimmung der Stiftung geregelt werden, wie Spiegel Online schreibt.

Auch regeln die Verträge den Punkt „gemeinsame Personalauswahl“: Der Stiftung werden Rechte bei der Berufung von Professoren eingeräumt. So wird eine gemeinsame Findungskommission gebildet – und die „Berufungsvereinbarung bedarf der Zustimmung der Stiftung“, so der Vertrag. Für Leif gehen diese Möglichkeiten deutlich zu weit, wie er DAZ.online sagt: „Die Verträge zwischen Boehringer-Ingelheim-Stiftung und Universität Mainz stehen in fundamentalen Gegensatz zu den Bestimmungen des Hochschulgesetzes“, so der Journalist. Ähnlich sieht dies der Deutsche Hochschulverband: „Wer für die Auswahl im Rahmen der Bestenauslese zuständig ist, bestimmt eindeutig das jeweilige Landeshochschulgesetz“, schreibt der Verband in einer Stellungnahme. „Außerhalb der Hochschule stehende Personen, wenn man einmal von Minister/Ministerin absieht, haben keine Befugnisse innerhalb eines Berufungsverfahrens.“

Für Leif verstoßen die Verträge auch gegen Empfehlungen zur Errichtung des Stifterverbands, einem Dachverband von Stiftungen und Unternehmen, die Bildung und Wissenschaft fördern. „Sie hebeln die einschlägigen Compliance-Regeln des Stifterverbandes aus und machen die Berufungsverfahren zu Farce“, sagt der Journalist.


Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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