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Übernahmegerüchte um Stada
Taktische Überlegungen oder ernsthafte Ambitionen?
Nach dem Einstieg des Frankfurter Investors Active Ownership Capital (AOC) kochen die Übernahmegerüchte um Stada wieder hoch. Angeblich soll das Stada-Management Gespräche mit dem britischen Finanzinvestor CVC Capital über einen Verkauf führen. Steckt dahinter eine ernsthafte Sehnsucht nach einem neuen Eigentümer?
Was steckt hinter den Verkaufsgesprächen, die das Management des Bad Vilbeler Arzneimittelherstellers Stada derzeit mit dem Finanzinvestor CVC Capital und angeblichen anderen Marktteilnehmern führen soll? Stada-Chef Hartmut Retzlaff habe erste, informelle Gespräche über eine mögliche Übernahme geführt, berichtete kürzlich das „Wall Street Journal“. „Möglicherweise handelt es sich um einen strategischen Schachzug, um sich dem Druck von AOC zu entziehen“, mutmaßt Thorsten Strauß, Analyst der Norddeutschen Landesbank (NordLB) im Gespräch mit DAZ.online. AOC besitzt wie berichtet rund fünf Prozent der Stada-Anteile. Der Investor hält das Unternehmen für unterbewertet und sieht Defizite in der Führung. Als Konsequenz verlangt AOC neben einem Umbau des Aufsichtsrates die Abschaffung der vinkulierten Namensaktien, bei denen eine Eigentumsübertragung der Zustimmung der Gesellschaft bedarf.
Neue Qualität
Übernahme- und Aufspaltungsgerüchte bei dem MDax-Unternehmen sind nicht neu. Es gibt sie im Grunde so lange, wie Stada an der Börse notiert ist. Die aktuellen Turbulenzen sind jedoch von neuer Qualität. Denn mit AOC übt ein Investor erstmals erheblichen Druck auf Stada aus und nimmt Einfluss auf die Struktur des Unternehmens. Das zeigt Wirkung: Ein Umbau des Aufsichtsrates auf der auf den 26. August verschobenen Hauptversammlung scheint so gut wie beschlossen - das Stada-Management als auch der Aufsichtsratsvorsitzende selbst haben diesem Schritt zugestimmt und suchen nach geeigneten Kandidaten.
Mit der von AOC geforderten Abschaffung der vinkulierten Namensaktien würde Stada außerdem den Weg frei machen für eine mögliche Übernahme des Unternehmens. Vinkulierte Namensaktien sind aus Sicht von Nord-LB-Analyst Strauß ein Anachronismus. Sie werden in der Regel ausgegeben, um ein Unternehmen vor Überfremdung zu schützen oder eine Übernahme durch unliebsame Konkurrenten zu verhindern.
Reicht die kritische Größe?
Strauß zweifelt allerdings, ob ein Verkauf oder eine ebenfalls des Öfteren angedachte Aufspaltung des Unternehmens in die beiden Segmente Markenprodukte und Generika Sinn machen würde. „Ich bin mir nicht sicher, ob diese Geschäftsbereiche für sich die kritische Größe hätten, um auf dem Markt bestehen zu können.“ Die Kernsegmente Generika und die höhermargigen Markenprodukte erwirtschaften 98 Prozent des Gesamtumsatzes von zuletzt 2,1 Milliarden Euro. Andererseits: Auch so sind die Synergien zwischen den beiden Sparten gering.
Darüber hinaus hat Stada mit weiteren Schwächen zu kämpfen. Nach Einschätzung des Analysehauses Independent Research ist die starke Abhängigkeit von relativ wenigen Absatzmärkten, vor allem Deutschland und Russland, ein Problem. Die verhältnismäßig hohe Nettoverschuldung begrenze zudem die Möglichkeit von Stada, über größere Akquisitionen zu wachsen, weshalb der nötige Portfolioumbau nur in kleinen Schritten vollzogen werden könne.
Hinzu kommt, dass insbesondere in Europa und vor allem im deutschen Kernmarkt von Stada hoher Preisdruck bei Generika herrscht. Laut Independent Research seien die ständigen regulierenden staatlichen Eingriffe auf die Preisgestaltung von Generika nur schwer einschätzbar. Das könnte die Unternehmensprognose schnell in Frage stellen.
Aktie ist stark gestiegen
Vor diesem Hintergrund halten Finanzanalysten einen Verkauf oder eine Übernahme zum jetzigen Zeitpunkt durchaus für sinnvoll, zumal die Aktie in den vergangenen Wochen deutlich an Wert zugelegt hat – während das Papier im Februar noch bei etwa 30 Euro notierte, kostet es aktuell rund 47 Euro. Vorstandschef Hartmut Retzlaff könnte also für sich reklamieren, das Unternehmen zu internationaler Größe geführt und ausreichend Wert für die Aktionäre und Investoren geschaffen zu haben.
Der langjährige Unternehmenslenker – er ist seit 1993 Stada-Vorstandsvorsitzender - dürfte bei einem Ausscheiden zudem weich fallen. Die großzügigen Pensionsansprüche bei Stada stehen seit geraumer in der Kritik. Hinzu kommt, dass Retzlaffs Vertrag erst im vergangenen Jahr bis August 2021 verlängert worden ist – es würde also nicht billig, ihn vorzeitig daraus zu entlassen.
3,7 Milliarden Euro im Gespräch
Marktkenner halten auf der Basis bisheriger ähnlicher Transaktionen in der Branche für die Stada- Markenproduktsparte eine Bewertung des 14fachen Ebitda (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) und für die Generikasparte des 12fachen Ebitda für realistisch. Dahinter steckt die These, dass die Einzelteile mehr wert wären als Stada insgesamt. Im Zusammenhang mit den Verkaufsgerüchten an CVC soll laut Medienberichten ein Preis von 3,7 Milliarden Euro oder 60 Euro je Aktie genannt worden sein. Das läge deutlich über den bisherigen Bewertungen von Stada in Höhe von rund 2,7 Milliarden Euro.
Die Frage, ob es am Ende tatsächlich zu einer Aufspaltung oder einem Verkauf kommt, gleicht einem Blick in die Kristallkugel. Timo Kürschner, Senior Analyst der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), wertet die angeblichen Gespräche mit CVC dahingehend, dass Stada aktuell selbst an einem Verkauf interessiert sein könnte. Andererseits könnte Retzlaff auch gewillt sein, seine Position und sein „Lebenswerk“ nicht so einfach aufzugeben. NordLB-Analyst Strauß sieht die Wahrscheinlichkeit für einen Verkauf oder eine Aufspaltung bei unter 50 Prozent. Das Unternehmen selbst hält sich zu den Meldungen bedeckt.
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