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Wie ein EuGH-Generalanwalt den deutschen Apothekenmarkt aus den Angeln heben könnte. Warum ein bisschen Digitalisierung nicht geht und Lieferengpässe ein Skandal sind. Warum am bayerischen Apothekerhimmel die Sonne scheint und warum Hermann und Fritz auf einmal miteinander können. Und: warum Melanie der Vorname der Woche ist.
30. Mai 2016
Es war die Woche der Lieferengpässe bei Arzneimitteln – zumindest auf DAZ.online. Mehrere Beiträge haben sich dieses Themas angenommen, von unterschiedlicher Warte aus. Sie zeigen: Es ist ein Jammer! Was früher, was vor wenigen Jahren in Deutschland undenkbar gewesen wäre, was für Pharmahersteller ein unvorstellbarer Makel gewesen wäre, nämlich nicht lieferbar zu sein, ist seit etwa zwei Jahren gang und gäbe. Man hat den Eindruck, bisweilen gehört es schon zum guten Ton, nicht lieferfähig zu sein. Ups, kann schon mal passieren, oder? Apotheker Haru Diefenbach, Deutschlands tapferer Kämpfer gegen Lieferengpässe, hat sich dieses Problems angenommen und hunderte von Defektlisten ausgewertet und nachgeforscht, wo die Ursachen liegen könnten. Unterstützung von der ABDA hat er dabei nie bekommen (warum sich unsere Berufsvertretung der Lieferengpässe kaum angenommen hat, bleibt ein Mysterium und ist ein Unding). Rabattverträge dürften vermutlich die Hauptursache sein, dass Firmen die Ware ausgeht (auch wenn Kassenvertreter das leugnen). Dazu kommen außereuropäische Billigproduktionsstätten, die zu Logistikproblemen führen. Aber auch Originalpräparate sind mittlerweile schon von Lieferengpässen betroffen. So gibt es Gerüchte, dass Firmen ihre Ware wegen besserer Margen lieber ins Ausland verkauften. Immerhin, Diefenbachs Aktivitäten sorgten auch für mediales Interesse, so dass das Thema in die Öffentlichkeit und die Politik gelangte. Auch wenn Lieferengpässe oft nur ärgerlich sind und nicht immer zu Versorgungsengpässen führen: In Klinikapotheken können solche Engpässe schon brenzlig werden, vor allem wenn es um Zytostatika und Antibiotika geht und keine Ersatzmedikation vorhanden ist. Lieferengpässe sind ein Skandal. Wenn das Bundesinstitut für Arzneimittel ein freiwilliges Melderegister angelegt hat, in das Hersteller ihre Lieferengpässe eintragen können, dann ist das Kosmetik – echte Abhilfe schafft das nicht. Mein liebes Tagebuch, ist der deutsche Arzneimittelmarkt auf dem Weg in eine Mangelwirtschaft?
31. Mai 2016
Die Sache mit den Medizinprodukten ist so eine Sache. Medizinprodukte – das sind z. B. Herzschrittmacher, Gehhilfen, Brustimplantate, aber auch „stoffliche“ Produkte wie medizinische Lutschpastillen oder Meersalznasenspray. Die Europäische Kommission hat sich diesen Markt nach dem Skandal mit den Brustimplantaten genauer angesehen und plant eine Änderung der Einstufung der Medizinprodukte in die Risikoklassen. Die stofflichen Medizinprodukte werden eine Klasse hochgestuft. Das bedeutet für diese Hersteller, dass sie für viele ihrer Produkte – obwohl sie schon seit Jahren auf dem Markt sind – klinische Prüfungen vorlegen müssen, z.B. fürs Abführmittel Macrogol. Solche Produkte sind dann in der gleichen Risikoklasse wie Herzschrittmacher. Mein liebes Tagebuch, man kann’s auch übertreiben.
Und noch was aus der bunten Arzneimittelwelt: Viagra gibt es – zum Leidwesen von Pfizer – schon seit einiger Zeit auch als Generikum. Aber jetzt gibt’s Sildenafil endlich auch ohne Rezept: Die polnische Zulassungsbehörde hat ein Sildenafil-Präparat mit 25 mg als OTC zugelassen. Es wird eine Frage der Zeit sein, bis auch bei uns die Hersteller von PDE5-Hemmern den OTC-Status anstreben. Und dann gibt es endlich das Wochenendpackage aus der Apotheke: Sildenafil + Kondom + Pille danach im Set.
1. Juni 2016
Versandapos würden gerne mehr, viel mehr Rezepte beliefern. Aber den Patienten ist das Verschicken der Rezepte mit der Post zu umständlich und zu langwierig. Deshalb sind die Versandapos ganz scharf aufs elektronische Rezept. Über Terminals, z. B. in der Arztpraxis oder im Supermarkt, oder über Lesegeräte zu Hause ließen sich das Rezept elektronisch an die Versandapotheke der Wahl schicken und gleich noch ein paar OTCs mitbestellen. Der Himmel für die Versender! Und die Hölle für die Apotheken vor Ort. Doch da werden sich die Päckchenverschicker noch ein bisschen gedulden müssen: Das E-Rezept wird so schnell nicht kommen: Im Ministerium hat diese Anwendung keine Priorität, hieß es. Erst einmal müsse der elektronische Medikationsplan ans Laufen kommen. Und, mein liebes Tagebuch, bis der so richtig läuft – das kann dauern.
Welch seltene Einigkeit! Die AOK Baden-Württemberg und der Deutsche Apothekerverband fordern gemeinsam die Streichung der Importquote für Arzneimittel. Mein liebes Tagebuch, dass wir das noch erleben dürfen, dass sich Hermann und Fritz so gut verstehen. Aber das funktioniert nur, weil beide Seiten davon profitieren. Die Kasse und der Apothekerverband sehen in der Reimportquote nur bürokratischen Aufwand und keine nennenswerten Einsparungspotenziale. Vor dem Hintergrund der Erfolgsstory mit den Rabattverträgen sei die Importquote Planwirtschaft, die nur den Importeuren nütze. Außerdem gefährdeten Importe die Arzneimittelsicherheit und hätten Lieferengpässe in den Exportländern zur Folge. Mein liebes Tagebuch, wenn Hermann und Fritz sich einig sind, wird sich bald etwas bewegen. Auch die bayerischen Apotheker haben schon Unterstützung signalisiert. Und sogar in der Politik ist Sympathie für die Abschaffung der Importförderklausel zu spüren. Also, wann wird der Importförderzopf abgeschnitten?
Einerseits will die Bundesregierung die Digitalisierung im Gesundheitswesen fördern, es soll elektronische Medikationspläne, E-Rezept und die Online-Videosprechstunde geben. Andererseits sollen Online-Rezepte, z. B. auch von ausländischen Online-Praxen (Stichwort DrEd), mit der 4. AMG-Novelle verboten werden. Aber dieses Verbot scheint jetzt mächtig zu wackeln. Politiker sehen darin nämlich einen Bruch. Die Digitalisierung samt Online-Rezepte könnte zu einer besseren Versorgung auf dem Land beitragen. Mein liebes Tagebuch, das war fast vorauszusehen. Online-Rezepte, ausgestellt z. B. von Ärzten, die in England sitzen, sind natürlich irgendwie Humbug und Proforma-Zettel. Ein Online-Rezept von einem hiesigen Arzt für seinen Patienten auf dem Land ausgestellt, können dagegen durchaus die medizinische Versorgung vereinfachen. In Zeiten von Ärztemangel auf dem Land und Online-Videosprechstunden, die kommen werden, von E-Rezepten und der fortschreitenden Digitalisierung wird sich das Online-Rezept kaum aufhalten lassen. Außerdem: Wo liegt der Unterschied zwischen einem online übermittelten und einem mit der Papierpost verschickten Rezept? Eben.
2. Juni 2016
Rund 113 Mio. Euro haben Deutschlands Apotheken für ihre geleisteten Nachtdienste vom Nacht- und Notdienstfonds im vergangenen Jahr bekommen, im Durchschnitt rund 270 Euro pro Dienst. Hätte eigentlich ein wenig mehr sein sollen, denn ursprünglich waren von der Politik mal 120 Mio. Euro versprochen worden. Und das wären dann durchschnittlich rund 287 Euro pro Nacht gewesen. Aber die 16 Cent pro Packung, mit denen der Fonds finanziert wird, reichen nicht. Und deshalb fordert der Deutsche Apothekerverband eine Erhöhung. Doch da stellt sich die Politik taub. Mein liebes Tagebuch, da wird sich auch nichts mehr tun. Und sind wir mal ehrlich: Letztlich gibt es auch weit wichtigere Baustellen.
Wie ein Gewitter aus Luxemburg grollen die Schlussanträge des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof: Ausländische Versandapotheken sollen sich nicht an das deutsche Preisrecht halten müssen, wenn sie nach Deutschland versenden – das sei nicht mit Europarecht vereinbar. Im Klartext heißt das: Dem Versender DocMorris müsste es erlaubt werden, seinen deutschen Kunden Rx-Boni zu gewähren, auch wenn dies deutschen Apotheker nicht erlaubt ist. Mein liebes Tagebuch, wenn das Gericht dem Schlussantrag des Generalanwalts folgen sollte, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis ein deutscher Apotheker klagt, weil er sich dadurch benachteiligt fühlt, keine Boni geben zu dürfen. Inländerdiskriminierung nennt man das. Die Chance, dass ein Gericht dann dem Apotheker recht gibt, ist riesengroß. Und das hieße dann: Freie Rx-Preise auch in Deutschland. Was das dann bedeutet, mag man sich noch gar nicht ausmalen: DocMorris bietet Boni und Zugaben ohne Ende, die deutschen Versender ziehen mit, und auch die preisaktiven Vor-Ort-Apos versuchen mitzuhalten mit Boni, Gutscheinen, Platintalern und Ofenwecken, wenn Patienten ihre Rezepte bringen. Hauen und Stechen. Der Einfallsreichtum wird keine Grenzen kennen. Und dann versuchen Krankenkassen, Verträge mit Apotheken, Verbänden, Kooperationen zu schließen. Die Preisspirale dreht sich rasend schnell nach unten. Die Folge: Apothekensterben, aber richtig! Und die ABDA blicket stumm, auf dem ganzen Markt herum. Dann könnte nur noch ein Verbot des Versandhandels mit Rx-Arzneimitteln helfen – europarechtlich wäre das möglich. Ob sich die Bundesregierung dazu durchringen würde? Wenn ja, dann hätte sich DocMorris mit seinem Prozess vor dem EuGH selbst ins Bein geschossen. Aber noch ist nichts entschieden. Das Gewitter aus Luxemburg kann sich noch verziehen – wenn das Gericht nicht dem Generalanwalt folgt und entscheidet, dass sich auch ausländische Versender ans deutsche Preisrecht halten müssen. Im Herbst soll die Entscheidung fallen.
3. Juni 2016
Bayern feiert seinen 50. Bayerischen Apothekertag, dieses Mal in Straubing. Es dürfte einer der regionalen Apothekertage sein, die sich der längsten Tradition erfreuen. Und die Bayern haben im Lauf der Jahre dazugelernt. Sie haben eine kurzweilige Mischung aus Politik und Fortbildung. Und Gemütlichkeit, dieses Mal eine abendliche Schifffahrt auf der Donau. Sie haben eine kleine pharmazeutische Ausstellung und sie laden ihre Studierenden ein.
Mein liebes Tagebuch, Bayern hat auch Glück! Bayern hat eine Gesundheitsministerin, die Apotheker liebt. Und die bayerischen Apotheker lieben sie! Melanie Huml möchte den Apothekern mehr Geld für Rezepturen und Dokumentation geben, neue Dienstleistungen wie Medikationsmanagement ausreichend vergüten, die Apotheker am Medikationsplan beteiligen und das Fixhonorar dynamisieren – also alles, was so das Apothekerherz, nicht nur das bayerische, begehrt. Auf dem Bayerischen Apothekertag in Straubing verteilte Melanie Zuckerwatte. Da ging die Sonne über Bayern auf. Wie kommt’s, dass Melanie uns Apotheker so versteht? Vielleicht, weil sie selbst Ärztin ist? Vielleicht, weil sie zur jüngeren Generation der Ärzte gehört und keine Berührungsängste mit Apothekern hat? Vielleicht, weil sie mit Hans-Peter und Thomas so gut kann? Vielleicht. Nur ein klitzekleines schwarzes Wölkchen trübt den sonnigen weißblauen Himmel: Auch Huml kann leider nicht bis nach Berlin durchregieren und sie hat nur indirekten Einfluss. Aber egal, schön war es doch, zu erleben, dass es Gesundheitspolitiker gibt, die noch ein Herz für Apotheker haben. Danke, Melanie!
4. Juni 2016
Mein liebes Tagebuch, der Tipp der Woche kommt von Frank Diener. Er sagte in seinem Vortrag auf dem Bayerischen Apothekertag: „Optimieren Sie Ihre Website im Hinblick auf Ihre Personalakquise! Das erste, was heute ein junger potenzieller Mitarbeiter macht, wenn er Ihre Stellenanzeige sieht: Er googelt Sie!“ Mein liebes Tagebuch, wie recht er hat! Junge Mitarbeiter sind im Netz zu Hause. Eine Apotheke mit einer Website, die „unterirdisch“ daher kommt, hat schlechte Karten. Und wenn man sich da so einige Seiten anschaut…
8 Kommentare
Tagebuch
von Heiko Barz am 05.06.2016 um 14:31 Uhr
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Konstuktiver Optimismus statt weiter Heul- und Jammerparty könnte helfen ....
von Wolfgang Müller am 05.06.2016 um 13:14 Uhr
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Probleme, die man "auf dem Radar" hat, ...
von Reinhard Herzog am 05.06.2016 um 11:32 Uhr
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AW: Stumm hilft nicht...
von Ulrich Ströh am 05.06.2016 um 12:45 Uhr
EuGH
von Dr.Diefenbach am 05.06.2016 um 10:04 Uhr
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Rx -Rabatte 2016 und die mögliche Konsequenzen
von Ulrich Ströh am 05.06.2016 um 9:43 Uhr
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AW: Europäischer Gerichtshof
von Michael Völter am 05.06.2016 um 9:03 Uhr
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