Wettbewerbszentrale versus AEP

Skonti nur in Grenzen?

Bamberg - 08.06.2016, 16:45 Uhr

AEP wirbt mit überschaubaren Konditionen.

AEP wirbt mit überschaubaren Konditionen.


Am 8. Juni ging ein Musterverfahren zur Zulässigkeit von Skonti bei Arzneimitteln in die nächste Runde. Vor dem Oberlandesgericht Bamberg präsentierten der Großhändler AEP und die Wettbewerbszentrale ihre konträren Standpunkte. Der Vorsitzende Richter deutete an, Skonti anders als in der Vorinstanz zu berücksichtigen.  

Einmal mehr müssen sich Richter mit Preismodellen bei Rx-Präparaten befassen. Aktuell geht es um Rabatte des Arzneimittel-Großhändlers AEP – mit ihnen hatte sich am heutigen Mittwoch das Oberlandesgericht Bamberg auseinanderzusetzen (Az. 3 U 216/15). AEP hatte Apothekern Rabatte von 3,0 Prozent angeboten – abzüglich 2,5 Prozent auf den bereits rabattierten Preis, falls Inhaber bestimmte Zahlungsziele einhalten. Darin sieht die Wettbewerbszentrale einen Verstoß gegen geltendes Recht. AEP war nicht bereit, eine Unterlassungserklärung abzugeben.  

Klage abgewiesen

Schon vor dem Landgericht Aschaffenburg (Urteil vom 22.10.2015, Az. 1 HK O 24/15) hatte die Wettbewerbszentrale mit den Rahmenvorgaben des § 2 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisVO): argumentiert: Großhändler hätten bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln höchstens 3,15 Prozent plus 70 Cent als Spielraum. Die Wettbewerbshüter wollen klären, inwieweit Skonti für diese arzneimittelrechtlich definierte Grenze relevant sind. Das Landgericht Aschaffenburg sah im AEP-Modell jedoch keinen Verstoß gegen geltendes Recht und wies die Klage auf Unterlassung ab. Kurz darauf stellte Rechtsanwältin Christiane Köber gegenüber DAZ.online klar, eine grundsätzliche Klärung anzustreben und zur Not bis zum Bundesgerichtshof zu gehen. 

Wille des Gesetzgebers unklar

Dem Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bamberg sind diese Argumente bekannt. „Wir sehen uns als Durchgangsstation auf dem Weg zum BGH“. Das sei aber „in Ordnung“, und man wolle beiden Parteien „nichts in den Weg legen“. Eine Schlichtung sei jetzt der falsche Ansatz.

Inhaltlich ging er der Frage nach, welche Ziele der Gesetzgeber mit Modellen zur Preisgestaltung bei Großhändlern eigentlich verfolge. Neben mehreren Quellen nannte er als relevantesten Fund die Bundestagsdrucksache 17/2413. Darin schlugen Regierungsvertreter vor, der Großhandelszuschlag werde künftig über einen prozentualen und einen fixen Anteil abgebildet.

Aufgabe des Großhandels sei, zitierte der Vorsitzende weiter, an der flächendeckenden Versorgung von Medikamenten mitzuwirken. Im Fixum sieht er einen Weg, gegen die alleinige Attraktivität von Hochpreisern vorzugehen. „Preisunabhängige Bestandteile sind nicht rabattfähig“, leitete er daraus ab. Ansonsten sei ein „Missbrauch via Skonti“ zu befürchten, um „de facto einen Preiskampf zu eröffnen, den der Gesetzgeber gerade vermeiden wollte“. Tendenziell sehe er, dass Rabatte und Skonti gleichermaßen gegen § 78 Arzneimittelgesetz verstießen.

Einen Rechtsmissbrauch, wie von AEP in der ersten Instanz und im Schriftsatz moniert, sah der Richter nicht. Der Großhändler hatte angegeben, Wettbewerbshüter verfolgten indirekt Interessen von Mitbewerbern im Markt. 

„Preiswettbewerb über Skonti“

Für den beklagten Großhändler war neben einer anwaltlichen Vertretung Geschäftsführer Jens Graefe erschienen. Seine Verteidigung umfasste dabei mehrere Argumente: Einerseits habe das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass sich die Auslegung eines Gesetzes nicht an früheren Absichten der Legislative orientieren dürfen. Andererseits sei in einschlägigen Normen wie der Arzneimittelpreisverordnung immer von Höchstgrenzen die Rede, nie von Untergrenzen. Hätte der Gesetzgeber das gewollt, sei es ihm „über die AMPreisV nicht gelungen“.

Nach diesen juristischen Ausführungen seines Vertreters meldete sich Graefe selbst zu Wort. „80 Prozent aller Medikamente kosten nur wenige Euro. Damit kommen sie nicht weit“, so seine Begründung, warum ein Fixum wirtschaftlich sinnvoll sei. „Die reine Logistik kostet fünf bis zehn Cent pro Präparat.“ Graefe zufolge gibt es in Deutschland „keinen Flecken, den nicht drei oder vier Großhändler beliefern“. Von einer Gefährdung der flächendeckenden Versorgung könne nicht die Rede sein. Warum 70 Cent hier gefährlich werden sollten, sei „nicht erkennbar“.

Umso wichtiger sei für ihn der „Preiswettbewerb über Skonti“. Dabei gebe es „echte und unechte Skonti“, sprich versteckte Rabatte, inklusive fiskaler Unterschiede. „Vier Prozent auf drei Monate ist eine Umgehung, während 2,5 Prozent auf fünf Tage eher kurz ist.“ Rechenzentren zahlten erst zum 15. des Folgemonats, sprich Apotheker müssten eine entsprechend hohe Liquidität haben. 

„Keine Marktbetrachtung“

„Wir machen hier keine Marktbetrachtung“, konterten Anwälte der Wettbewerbszentrale. Sie unterstützen die Argumentation von Christiane Köber und bewerten das aktuelle Honorierungsmodell für Großhändler als eine Kombination aus rabattierbaren und nicht rabattierbaren Bestandteilen. Der Gesetzgeber wolle eine ausreichende Vergütung für den Großhandel, um die flächendeckende Versorgung nicht zu gefährden, lautete ihre Interpretation. Zwischen Rabatten und Skonti sahen sie keinen Unterschied. Außerdem hätten oberste Gerichte die Preisbindung bei Rx-Präparaten „mehrfach abgenickt“. 

Es bleibt spannend

Der Vorsitzende Richter machte abschließend klar, man habe sich „intensiver mit der Materie befasst, als dies bei anderen Verfahren möglich ist“. Er kündigte an, das Urteil am 29. Juni zu verkünden. 


Michael van den Heuvel, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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