WHO

Keine Belege für Krebs-Risiko durch Kaffee

Lyon/Berlin - 15.06.2016, 15:20 Uhr

Ist der Genuss ein Risiko? Kaffee-Trinker dürfen aufatmen. (Foto: dimakp / Fotolia)

Ist der Genuss ein Risiko? Kaffee-Trinker dürfen aufatmen. (Foto: dimakp / Fotolia)


Missverständnisse durch WHO-Klassifizierung

Die IARC betont allerdings, die Einstufung bedeute nicht, dass Kaffeekonsum sicher sei, sondern lediglich, dass die vorhandenen Daten keine Schlüsse erlaubten. Ähnlich bewertet das Gremium auch Mate-Tee. Mate-Produkte, die als Kaltgetränke auch in Deutschland beliebt sind, werden aus dem in Südamerika verbreiteten Mate-Strauch gewonnen. Das Trinken von heißem Mate-Tee galt seit 1991 als wahrscheinlich krebserregend.

Die Auswertung neuer Studien zeigt, dass die Häufung von Speiseröhrenkrebs generell auf sehr heiß konsumierte Getränke zurückgeht. Auch in anderen Weltregionen, in denen Tee sehr heiß getrunken wird, etwa Zentral- und Ostasien sowie Ostafrika, entwickeln auffällig viele Menschen solche Tumore. Weltweit ist dies die achthäufigste Krebsform.

Zellschäden durch hohe Temperaturen

„Es hängt nicht sehr von dem Getränk ab, sondern von der Temperatur“, sagte Loomis. In Versuchen an Tieren steigerte auch Wasser ab einer Temperatur von 65 Grad Celsius die Wahrscheinlichkeit für Tumore der Speiseröhre. Daher stuft die Agentur nun den Konsum sehr heißer Getränke als wahrscheinlich krebserregend ein. Als weitere Risikofaktoren für Speiseröhren-Krebs gelten Alkoholkonsum und Rauchen.

Der Mechanismus der Krebsentstehung sei zwar nicht geklärt, betont die Gruppe. Aber vermutlich verursache die Hitze Zellschäden, als deren Spätfolge Krebs auftreten könne. In Europa nehme man Getränke nicht so heiß zu sich, sagte Loomis. Tee trinke man mit einer Temperatur von etwa 60 Grad, Kaffee sogar noch kühler.

Die WHO-Bewertung sagt nichts über die Gefahr

„Heiße Getränke können zu Verletzungen und Schädigungen der Speiseröhre führen und damit auch das Risiko von Krebs erhöhen“, sagte Gunter Kuhnle von der britischen Universität Reading, der nicht an dem Bericht mitwirkte. Es gäbe nur wenige Daten zu Zusammenhängen zwischen Trinktemperatur und Speiseröhrenkrebs, unter anderem auch, weil die Trinktemperatur in Studien oft nicht erfasst wird. Rudolf Kaaks vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg ergänzte: „Verbrennungen durch heiße Getränke können im Nachhinein entzündungsartige Reaktionen verursachen.“ Diese könnten etwa die DNA schädigen oder die Apoptose, den programmierten Zelltod, verhindern. „Der Einschätzung würde ich folgen“, betonte Kaaks. „Der Prozess der Prüfung durch die IARC ist sehr umfassend.“

Einige Bewertungen der Behörde zum Krebsrisiko bestimmter Stoffe hatten im vergangenen Jahr Aufsehen erregt: Die Agentur hatte verarbeitetes Fleisch als krebserregend eingestuft und das Pflanzenschutzmittel Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend. Dabei berücksichtigt die IARC allerdings nur, wie wahrscheinlich es ist, ob eine Substanz krebserregend ist. „Diese Untersuchungen sind sehr detailliert, genau und zuverlässig“, sagt Kuhnle. Sie bewerteten jedoch nur, ob es eine potenzielle Gefährdung gibt – und nicht die Gefahr, also schädliche Wirkung. Dadurch käme es zu Missverständnissen. „Die IARC hat zum Beispiel verarbeitetes Fleisch als ‚krebserregend’ klassifiziert und es damit in die gleiche Kategorie, nämlich 1, eingestuft wie Tabakrauch“, erklärt Kuhnle. „Das bedeutet jedoch nicht, dass der Konsum von Fleischwaren ebenso gefährlich ist wie das Rauchen, sondern nur, dass die Datenlage in beiden Fällen zuverlässig und eindeutig ist.“



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