Gerichtsurteil in Frankreich

Verlagskonzern darf nicht Apotheke spielen

Berlin - 16.06.2016, 16:00 Uhr

Kein Versand von Arzneimitteln mehr: Gericht schränkt Onlinehändler in Frankreich ein - dieser sei keine Apotheke. (Screenshot: DAZ.online)

Kein Versand von Arzneimitteln mehr: Gericht schränkt Onlinehändler in Frankreich ein - dieser sei keine Apotheke. (Screenshot: DAZ.online)


In Frankreich hat ein Gerichtsurteil den Online-Versandhandel mit Arzneimitteln weiter eingeschränkt. Das Handelsgericht hat es dem weltweit tätigen Verlagskonzern Lagardère verboten, ein Portal für Versandapotheker zu betreiben. In Frankreich rütteln Großkonzerne seit Jahren an den strikten Regulierungen im Apothekenwesen.

Was den Versand von Arzneimitteln über das Internet betrifft, herrschen bei unseren Nachbarn in Frankreich strenge Regeln: Grundsätzlich ist der Online-Verkauf erst seit 2013 erlaubt, die Versanderlaubnis betrifft allerdings nur nicht-verschreibungspflichtige Medikamente. Hinzu kommt, dass nur offiziell registrierte Apotheker, die eine Konzession und eine physische Apotheke besitzen, Arzneimittel zum Versand anbieten dürfen. Viele Pharmazeuten nutzen diese Möglichkeit noch nicht: Von den rund 22.000 Apotheken im Land bieten rund 300 Arzneimittel im Internet an.

Einige dieser 300 Pharmazeuten haben sich 2014 zusammengeschlossen: Der Verlagskonzern Lagardère trat damals auf die Apotheker mit einer Geschäftsidee zu, an der sich heute schon knapp 60 Pharmazeuten beteiligen. Unter dem Namen „Doctipharma.fr“ bündeln die Apotheker ihre Arzneimittel-Angebote und bieten sie über eine gemeinsame Internetseite den Kunden zum Verkauf an. Nutzer der Seite sehen auf der Homepage in erster Linie Werbung für OTC-Produkte. Klickt man ein solches Produkt an, gelangt man sofort zu einer Bestellmaske – ohne zu erkennen, welche der 60 Apotheken das Präparat nun verschickt. Erst in einer relativ versteckten Kategorie der Internetseite sieht man, dass Kunden auch direkt die Teilnehmerapotheken und deren Angebote auswählen können. Auf der Homepage beschreiben sich die Betreiber von Doctipharm so:


„Doctipharma bietet Apothekern eine technische Lösung dafür, über eine Internetseite im elektronischen Handel OTC-Produkte zu verkaufen. Die Services von Doctipharma können nur von Offizin-Apothekern genutzt werden. Doctipharma bietet den Heilberuflern die Konzeption, das Hosting und die technische Betreuung ihrer Internetseiten und des Versandhandels an.“

(Doctipharma.fr)


Eine Vereinigung von Kooperations-Apothekern (UDGPO) hatte gegen dieses Angebot vor einem Handelsgericht geklagt. Das Argument der Pharmazeuten: Es sei nicht klar erkennbar, welcher Apotheker welches Arzneimittel verschickt. Die Seite wirke wie eine große, professionell aufgezogene Versandapotheke. Rund zwei Jahre nach der Klage hat Gericht nun seine Entscheidung verkündet. Die Richter geben den klagenden Apothekern in allen Punkten Recht und forderten Lagardère auf, den Betrieb der Seite unverzüglich zu stoppen.

Aus Sicht des Handelsgerichtes bietet Doctipharma eben nicht nur „einfache Hosting-Möglichkeiten und Konzeptionen“ an. Vielmehr sei es augenscheinlich, dass die wichtigsten Prozesse in dieser Geschäftsidee, also die Bestellung und Bezahlung Medikamente, die Marketing-Präsentation und Werbemaßnahmen, nicht von den einzelnen Apothekern sondern vom Betreiber – dem Verlagshaus – übernommen werden. Außerdem vergleiche die Website die Rabatte der Apotheker bei den Versandgebühren und stelle die Pharmazeuten so in eine unmittelbare Konkurrenz, so das Gericht. 

Supermarktkette Leclerc scheiterte ebenfalls

Weil das Gesetz in Frankreich aber vorsieht, dass der versendende Apotheker eine „aktive Rolle“ im Betrieb seines Online-Versandhandels innehaben muss, hat das Handelsgericht Doctipharma den weiteren Betrieb untersagt. Der Verlagskonzern habe nicht die Qualität eines ausgebildeten Apotheker und dürfe seine Tätigkeiten in keiner Weise ausüben – weder als Verkäufer noch als Vermittler von Arzneimitteln. Der Konzern hat gegen das Urteil inzwischen Berufung eingelegt. Lagardère ist nach der Übernahme der Time Warner Group die drittgrößte Publikumsverlagsgruppe der Welt. Zu dem Milliardenkonzern gehören Fernseh- und Hörfunksender, Buchläden, Sportveranstalter – aber auch mehrere Informations-Angebote im Gesundheitsbereich.

Dass die Regulierungen im französischen Apothekenwesen von einem Großkonzern angegriffen werden, ist nicht das erste Mal. Die Supermarktkette Leclerc hatte jahrelang offensiv damit geworben, Arzneimittel günstiger anbieten zu können, wenn der Apothekenmarkt endlich liberalisiert würde. Auch damals hatte eine Apotheker-Vereinigung gegen diese Art von Werbung geklagt – und auch damals hatte ein Gericht den Pharmazeuten Recht gegeben.


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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