Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

19.06.2016, 08:00 Uhr

Rückblick auf die letzte Woche (Foto: Andi Dalferth)

Rückblick auf die letzte Woche (Foto: Andi Dalferth)


Was Apothekers blühen könnte: Medikationsmanagement für umme; nur ein bisschen Rezeptformulare ausbessern dürfen; auf keinen Fall Isoprop herstellen dürfen; über Apotag-Anträge reden und reden und reden, aber nichts beschließen; und – endlich – eine Tele-Video-Beratung mit Automat in Hüffenhardt. Mein liebes Tagebuch, wenn das keine blühenden Landschaften sind!

13. Juni 2016

Irgendwie ist das alles ein bisschen entwürdigend, mein liebes Tagebuch. Da bedarf es einer vom Bundesgesundheitsministerium angestoßenen aufwendigen Klarstellung in der Arzneimittelverschreibungsverordnung, damit Apotheker die schlampig oder versehentlich unvollständig ausgefüllten Rezeptformulare der Ärzte ergänzen dürfen, ohne dafür auch noch retaxiert, bestraft oder gerügt zu werden. Eine entsprechende Änderungsverordnung liegt derzeit vor. Die ABDA durfte dazu Stellung nehmen. Sie meint: Ist soweit in Ordnung, aber die Ergänzungsmöglichkeit der Apotheke sollte sich nicht nur auf Vorname und Telefonnummer beschränken, sondern sollte weitere Angaben mit einschließen wie die Berufsbezeichnung des Arztes und  Anschrift der Praxis, also im Prinzip alles, was Paragraph 2 Abs. 1 Nr. der Verschreibungsverordnung enthält. Ja, klar, das wäre das Mindeste. Außerdem regt die ABDA an, dass alle weitere Anforderungen an ein Rezeptformular in Muss- und Soll-Angaben eingeteilt werden sollten. Das hätte den Vorteil, dass Apotheken, sollten sie die Soll-Angaben übersehen haben, deswegen nicht retaxiert werden können. Mein liebes Tagebuch, diese kleine Erweiterung des Spielraums für Apotheker wäre ein absolutes Muss. Und unserer Bedeutung als akademischer Fachmann der Arzneimitteltherapiesicherheit durchaus angemessen. Ob die ABDA-Vorschläge im Ministerium gehört werden?

14. Juni 2016 

Brechen nun alle unsere Hoffnungen zusammen? Die Hoffnungen, dass Apotheker für ihre neuen Dienstleistungen wie Medikationsplan, -analyse und -management auch ein angemessenes Honorar von den Krankenkassen bekommen? Mein liebes Tagebuch, soweit ist es noch nicht, aber es gibt deutliche Störsignale: Aufsichtsbehörden der Krankenkassen haben sich zu Wort gemeldet. Sie meinen, dass es für Beratungs- und Dienstleistungsangebote der Apotheken und eine entsprechende Honorierung keine gesetzliche Grundlage gebe. Außerdem besteht die Rechtslage, dass Pharmazeuten in Einzelverträgen zwischen Kassen und Leistungserbringern nicht als direkter Vertragspartner auftauchen dürfen. Und das Bundesversicherungsamt geht davon aus, dass der Apotheker heute schon zur Beratung und Information verpflichtet sei. Mein liebes Tagebuch, sieht irgendwie nicht gut aus für Apothekers Zukunftsvisionen. Da stürzt schon fast ein kleines pharmazeutisches Perspektivpapierhaus ein. Und es könnte sich rächen, dass bis heute nicht verbindlich definiert ist, was eigentlich genau in den 8,35 Euro an Beratungs- und Informationsleistung enthalten ist. Was nützen dann alle unsere netten Modellversuche zur Medikationsberatung und zur Arzneimitteltherapiesicherheit, wenn die Kassen nach dem Versuch sagen: Vielen Dank, liebe Apothekers, alles schön und gut, das macht ihr toll und es bringt uns und dem Patienten sogar nur Vorteile, aber sorry, bezahlen wollen und dürfen wir euch nicht – es fehlt die Rechtsgrundlage und überhaupt: In eurem üppigen Honorar von 8,35 Euro abzüglich den uns zustehenden 1,77 Euro Kassenabschlag ist die gesamte Beratung und Infoleistung schon enthalten. Mein liebes Tagebuch: Der Apotheker als Trottel des Gesundheitswesens?

Wer hat sich denn einen solchen Schwachsinn ausgedacht: Apotheken sollen in Zukunft ihren 70% Isoprop zur Flächendesinfektion nicht mehr selbst herstellen dürfen, jedenfalls nicht ohne gesonderte Zulassung. Die Erlaubnis, Apotheke zu sein, aufwendigste Arzneimittel herstellen und mit Zytostatika hantieren zu dürfen – diese Qualifikation soll für den ach so aufwendigen Verdünnungsschritt von unverdünnten Isopropanol zum 70-prozentigen Isoprop und sein anschließendes Verspritzen auf Arbeitsflächen nicht mehr ausreichen! Denn ab 1. Juli 2017 benötigt jeder Hersteller dieses ach so aufwendigen Biozids formal  eine Zulassung durch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Und eine solche Zulassung kostet mal eben schlappe 14.300  Euro und gilt für superlange zehn Jahre. Ja, geht’s noch? Sind wir in Deutschland jetzt von allen guten Geistern verlassen? Müssen demnächst Apotheken ihren Isoprop also zu einem teureren Preis von Chemikalienhändlern, die eine entsprechende Zulassung haben, beziehen? Also, mein liebes Tagebuch, gewisse Spielregeln gehören dazu, aber man kann’s auch übertreiben. Und das ist hier eindeutig der Fall. Und die Frage an unsere Berufsvertretung: Es gibt in allen Gesetzen und Verordnungen Ausnahmeregelungen, warum nicht hier? Warum konnte man die Apotheke in der EU-Biozidverordnung nicht als „offiziellen“ Hersteller von Isopropylalkohol 70 Prozent zur Flächendesinfektion mit aufführen? Wurde hier etwas versäumt? Wenn man einen solchen EU-Schwachsinn erlebt, könnte man fast ein wenig mit den Engländern und ihrem Brexit-Wunsch sympathisieren.

15. Juni 2016

Da kommt die Mission des zukünftigen Präsidenten der Pharmazeutischen Gruppe der EU – sie vertritt die Interessen von rund 160.000 Apotheken in der EU – gerade recht. Der ab 2017 amtierende britische Apotheker Rajesh Patel hat sich auf die Fahnen geschrieben, sich dafür einzusetzen, dass die Leistungen der Apotheken von der Politik besser anerkannt werden. Die europäischen Regierungen sollten in die Apotheken investieren, um ihr flächendeckendes Netz zu erhalten. Mein liebes Tagebuch, wäre schön, wenn er mit seinem Appell gehört würde. Was sich die Politik allerdings dann denkt, wenn sie liest, dass Apotheker Patel in England mittlerweile 17 Apotheken besitzt?

16. Juni 2016

Was wurde aus den Anträgen vom letzten Apothekertag? Tja, mein liebes Tagebuch, wer will das denn wissen? Och, vielleicht gibt es da doch den einen oder anderen Interessierten, der sich fragt, was mit den zum Teil lang und intensiv diskutierten Anträgen des Apothekertags 2015 eigentlich passiert ist. Na, auf der nächsten ABDA-Mitgliederversammlung am 30. Juni will die ABDA jedenfalls einen Bericht dazu vorlegen. DAZ-Redakteur Müller-Bohn hat schon mal reingeschaut. Sein Fazit: „Die Antworten zu vielen Anträgen lesen sich allerdings wie eine Zusammenfassung der berufspolitischen Ereignisse der vergangenen Monate. Die ABDA berichtet, was geschehen ist und welche Position sie vertritt. Doch bleibt vielfach offen, was die Arbeit der ABDA zur Entwicklung beigetragen hat.“ Zum Beispiel: der Medikationsplan ohne direkte Apothekerbeteiligung. Ziel eines Antrags war es, genau das zu verhindern. Und was hat die ABDA nun konkret versucht, um dies zu  verhindern? Hmm, mein liebes Tagebuch, aus dem ABDA-Bericht geht das nicht hervor, ganz abgesehen davon, dass, sollte etwas versucht worden sein, nichts gelang, wie wir mittlerweile wissen. Auch bei den weiteren Berichten über das Schicksal von Anträgen kann man nur lesen, dass derzeit in Gremien weiter diskutiert werde. Zum Beispiel auch über einen auf dem Apothekertag adhoc eingebrachten Antrag, mit dem ein Maßnahmenkatalog aufgestellt werden sollte, wie die Apotheker ihren Forderungen mehr Nachdruck verleihen könnten. Brav zählt die ABDA in dem Bericht nun Maßnahmen auf, angefangen bei Fachvorträgen parlamentarischen Abenden bis hin zu Medienkampagnen und Pressemeldungen. Und als weitere Maßnahmen zählt der Bericht z. B. Brandbriefe, Resolutionen, Dienst nach Vorschrift, den beliebten Dienst durch die Notdienstklappe, Demonstrationen und sogar Streik auf. Mein liebes Tagebuch, eine solche nette Aufzählung  wäre uns doch glatt auch eingefallen. Und jetzt? „Diese und weitere mögliche Maßnahmen werden derzeit in den Gremien weiter diskutiert“, heißt es dazu – mein liebes Tagebuch, klingt ein bisschen so, wie wenn man auf einem untergehenden Schiff in Ruhe weiter  diskutiert, ob man zuerst die Rettungsboote zu Wasser lassen soll und danach die Rettungsringe ins Wasser wirft oder umgekehrt. Ach ja, die Anträge – gut dass wir drüber gesprochen haben, auch wenn nichts dabei herausgekommen ist.

17. Juni 2016

Die beschauliche 2000-Seelen-Gemeinde Hüffenhardt im baden-württembergischen Ländle darf sich freuen, so richtig: Sie bekommt bald wieder eine Apotheke. Endlich! Nachdem der Apotheker des Ortes seine Offizin altershalber vor Kurzem geschlossen hatte, fand sich kein Nachfolger. Das sorgte den Hüffenhardter Bürgermeister gar sehr. Sein lautes Seufzen schallte in die Nachbardörfer und hilfsbereite Apotheker errichteten eine Rezeptsammelstelle. Sein Seufzen war allerdings so laut, dass es  bis ins ferne niederländische Herrlen drang, dem Sitz einer gar super-innovativen Versandapotheke. DocMorris musste seine Fenster wohl gerade weit geöffnet haben: Der Versender eilte herbei und – kreativ wie immer – schwatzte er dem Hüffenhardter Bürgermeister den bundesweit ersten „telepharmazeutischen Beratungsservice mit einer Abholfunktion für Arzneimittel“ auf. Klingt echt cool, muss sich der Bürgermeister da gedacht haben, t-e-l-e-p-h-a-r-m und so, das ist voll krass, das müssen wir haben. Und ohne dass der Gemeinderat darüber abstimmen durfte, schloss der Bürgermeister mit DocMo einen Mietvertrag für die ehemaligen Apothekenräume. Und als kleines Gutsle (schwäb. für: Zuckerle, Süßigkeit) für den wohl düpierten Gemeinderat durfte die gesamte Gemeindekorona nach Holland reisen, um ihren neuen „Apotheker DocMorris“ in Heerlen zu besuchen. Das war ein Fest mit holländischem Käse! Dort erlebte die Delegation aus Hüffenhardt dann das fast Unfassbare – die Videoberatung an einem Automaten: So oder ähnlich wird also ab September ihre zukünftige Arzneimittelversorgung in Hüffenhardt aussehen – wenn, ja wenn nicht doch noch die Kammer, die Behörde oder sonst so eine alte Zöpfe bewahrende Institution die Genehmigung hierfür verweigert. Aber, mein liebes Tagebuch, das wird bekanntlich den Fortschritt und DocMorris nicht aufhalten. Hüffenhardt will’s, Hüffenhardt kriegt’s. Im September werden wir’s wissen.


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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5 Kommentare

Medikationsmanagement

von Katharina Stülcken am 19.06.2016 um 13:52 Uhr

Das war doch zu erwarten und man müsste lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Selbstkritik ist hier angebracht. Warum sollte die Kasse bezahlen, was auch kostenlos zu haben ist? Wie soll man auch einen Berufsstand ernst nehmen, der schon feiert, wenn er den Vornamen und die Telefonnummer des Arztes ergänzen darf? Etwas mehr Selbstbewusstsein bitte! Man fühlt sich, gelinde gesagt, verarscht bei dieser Standespolitik. Das Geld für Medienprofis und harte Verhandler wäre gut angelegt, besser jedenfalls, als in Imagekampagnen.

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Gremienwirtschaft

von Ulrich Ströh am 19.06.2016 um 11:55 Uhr

17 plus 17 sind 30 zu viel.

Aber wo kein Kläger ,da keine Veränderung ...

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zu 17 + 17

von Christian Giese am 19.06.2016 um 10:23 Uhr

Wer denkt, ist nicht wütend.
Adorno

Wer denken will, darf nicht wütend sein!

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AW: 17+17

von Uwe Hansmann am 19.06.2016 um 20:03 Uhr

Wenn man etwas für recht hält, muß man es auch tun.

Hermann Hesse

Bankrotterklärung für 17+17!

von Uwe Hansmann am 19.06.2016 um 10:12 Uhr

Lieber Herr Ditzel,

Danke für die zutreffende Umschreibung des Ist-Zustandes der Berufspolitik. Es ist die Beschreibung der Bankrotterklärung einer verfehlten Berufspolitik, die sich immer wieder aufs Neue auf vorauseilenden Gehorsam einläßt und am Ende mit leeren Händen da steht.

Es wird Zeit, die überbordende Gremienwirtschaft bei 17+17 Regionalvertretungen nun endlich zu konsolidieren, zu verschlanken und zu professionalisieren.

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