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Wirtschaftsrat der CDU
DocMorris und die Gang der Benachteiligten
Fußball gucken kann jeder. Aber wer so richtig für seine Überzeugung kämpft, der lässt auch schon mal eines der wichtigsten Spiele der vergangenen Jahre aus. So ging es am heutigen Dienstagabend auch Max Müller von DocMorris. Der Versandapotheken-Vorstand beschwerte sich auf einer CDU-Veranstaltung über zu viel Regulierung im Apothekenmarkt.
Was Drohnen, Spielautomaten und DocMorris gemeinsam haben
21. Juni 2016 um 18 Uhr. Wer jetzt endlich mal in Ruhe einkaufen gehen möchte oder ohne Stau durch die Stadt fahren will, hat gute Chancen. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft spielt bei der Fußball-Europameisterschaft um den Einzug ins Achtelfinale. Nicht gut für DocMorris. Denn der Wirtschaftsrat der CDU hat den Geschäftsführer der holländischen Versandapotheke, Max Müller, eingeladen. Genau zu diesem Zeitpunkt sollte er auf einer Podiumsdiskussion darüber sprechen, wie technologieoffen Deutschland ist.
Jedes Jahr veranstaltet der Wirtschaftsrat den Wirtschaftstag, eine Großveranstaltung im politischen Herzen Berlins, bei der (Groß-)Unternehmer auf Politiker treffen. Es geht um Deregulierung, mehr Wettbewerb und mehr Chancen für die Wirtschaft. DocMorris ist Mitglied im CDU-Wirtschaftsrat und hat bekanntermaßen großes Interesse an solchen Themen. Höhepunkte des Wirtschaftstages in diesem Jahr: Der Besuch des ehemaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, die Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel – und die Übertragung des Fußballspiels Deutschland gegen Nordirland auf einer Großleinwand.
Als letzte der vielen Podiumsdiskussionen steht an diesem Tag das Thema „Pioniergeist oder Fortschrittsverweigerer: Wie technologieoffen ist Deutschland?“ an. Geladen ist die Gang der chronisch Benachteiligten. Ein Vertreter der Spielautomatenwirtschaft beschwert sich über zu strikte Gesetze. Ein Lobbyist der Erdöl- und Erdgasgewinnung redet in seinem Eröffnungsbeitrag darüber, dass eine „überladene Diskussion über Energiewende und Klimawandel“ geführt werde, dass seine Branche als „Skandalisierungsindustrie“ da stehe. Ein Drohnen-Verkäufer träumt davon, Arzneimittel via Drohne zu verteilen und fragt sich, warum hierzulande der Markt so verschlossen sei.
Der „zaghafte“ Lobbyist DocMorris
In dieser Runde sitzt auch Max Müller. Sein Eröffnungsstatement hebt sich nicht von dem Rest der Gruppe ab: „Wir sind Europas größte Versand- und Internetapotheke. Wir versuchen seit 16 Jahren sehr zaghaft, mehr Wettbewerb in die Gesundheitswirtschaft einzuführen. Wir sind aber in einer Branche tätig, in der man seine Tradition seit 900 Jahren auf die Staufer zurückführt.“ Müller beschwert sich darüber, dass man sein „Business“ zu wenig verstehe. Nur so könne er sich erklären, dass die Politik bei der Regulierung noch so viel „German Angst“ habe. „Dabei gehört die deutsche Bevölkerung zu den aufgeklärtesten auf der ganzen Welt“, meint der DocMorris-Vorstand.
In der großen Versammlungshalle des Berliner Maritim Hotels haben sich zu diesem Zeitpunkt etwa 50 Zuhörer eingefunden. Plötzlich wird es laut in der Hotel-Lobby. 1:0 für Deutschland. Doch die Runde lässt sich nicht stören. Moderator Alexander Bode, selbst Junior-Chef des Wirtschaftsrates und hauptberuflich Unternehmensberater, macht den Besuchern Mut: „Sie haben die richtige Entscheidung getroffen. Alle anderen verpassen etwas.“
Nagelpilz in Zeiten der Digitalisierung
Derweil redet Max Müller weiter über mangelnde Akzeptanz seines Unternehmens im Apothekenmarkt. „Es ist egal, wo wir hingehen. Die etablierte Apothekerschaft ist dabei. Auch heute Abend ist ein freundlicher Kollege der Apothekerzeitung vor Ort, um die Apotheker so schnell wie möglich über Twitter und Facebook darüber zu informieren, ob ich etwas Böses gesagt habe.“
Doch dann wird es doch noch inhaltlich. Müller berichtet von der „netten Gemeinde“ Hüffenhardt, in der vor einiger Zeit der „demographische Wandel zugeschlagen“ hat, die Apotheke des Ortes ihre Pforten für immer schloss und kein Nachfolger gefunden werden konnte. Als er über Hüffenhardt erfahren habe, sei ein Gespräch mit dem Bürgermeister vereinbart worden. „Wir haben ihm gesagt: Wir können eure Apotheke nicht kaufen, wir dürfen das nicht. Aber wir können mit jedem Kunden hier im Ort über eine moderne Video-Lösung von Angesicht zu Angesicht reden.“
Das beste Beispiel, warum diese Video-Lösung eine gute Lösung sei, ist laut Müller der Nagelpilz. „Den wollen sie im Sommer nur ungerne vor dem Apotheker auf dem Beratungstisch zeigen. Dank der Digitalisierung können wir solche Hüffenhardter Kunden aus Heerlen in Zukunft aber beraten.“ Das Publikum ist überzeugt. Zum ersten Mal an diesem Abend regnet es Applaus. Auch der Moderator sagt: „Wir halten als Zwischenfazit mal fest: Deutschland kann viel von DocMorris lernen.“
Dann kommt die Kanzlerin
Das Fußballspiel verläuft recht ereignisarm. Hin und wieder hört man aus der mit Menschenmassen gefüllten Hotel-Lobby ein lautes Aufschreien, ein Torschrei folgt aber nicht mehr. Einen Erfolg wünschen sich auch die Diskutanten im Saal. Der dänische Drohnen-Vertreter hat eines seiner Modelle vor der Runde aufgebaut und erklärt, was er damit alles ausliefern könnte und warum er es nicht versteht, dass es in Deutschland vielleicht bald einen Drohnen-Führerschein geben soll.
Von allen Diskussionsteilnehmern wirkt Müller am sichersten und überzeugendsten in seinem Gebiet, er hat die am besten ausgearbeiteten Argumente. Regulierung als solches sei nicht schlecht, sagt der DocMorris-Vorstand. In Zeiten der Digitalisierung müsse sich aber auch die Politik mit allen Regulierungen „schneller mitbewegen“.
„Wir müssen auch mal den Mut haben, etwas Neues auszuprobieren“, sagt Müller. Auch als es zum Thema „Datenschutz“ kommt, zeigt Müller viel Verständnis. Allerdings werden aus seiner Sicht Geschäftsmodelle und Technologien „schon vor der Marktreife durch das Thema ‚Datensicherheit‘ kaputt geredet“. Ein Besucher will wissen, ob sich DocMorris vor der neuen Amazon-Konkurrenz fürchtet. Auch darauf reagiert der gebürtige Hannoveraner geschickt: „Wenn Amazon kommt und wir zu schlecht sind, dann sind wir draußen. Aber so ist es nun einmal. Wir wollen ja genau diesen Wettbewerb.“
21. Juni 2016, 19.45 Uhr: Zeitgleich mit dem Ende des letzten Gruppenspiels der Nationalmannschaft pfeift auch Bode die Diskussion ab. In der Hotel-Lobby geht jetzt aus einem anderen Grund ein Raunen durch die Gänge: Vor dem Hotel ist die Kanzlerin vorgefahren, die jetzt – nach dem Fußballspiel – zum CDU-Wirtschaftsrat sprechen will.
6 Kommentare
Frontal
von adlerian am 28.11.2016 um 11:39 Uhr
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Wirtschaftsrat - ohne Apothekervertreter!
von Uwe Hansmann am 22.06.2016 um 8:16 Uhr
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AW: Die ABDA
von Andreas Dömling am 22.06.2016 um 16:38 Uhr
MocDo...
von Rolf Lachenmaier am 21.06.2016 um 23:30 Uhr
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Was??
von Christiane Patzelt am 21.06.2016 um 22:49 Uhr
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AW: Natter + Gewerbesteuer
von gerd reitler am 22.06.2016 um 18:33 Uhr
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