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Die Pharmafirma Biocad beschuldigt den Pharmakonzern Roche, die Preise für einige Krebsarzneien auf dem russischen Markt künstlich niedrig zu halten. Damit solle die Vermarktung von Biosimilars verhindert werden. Das russische Unternehmen zieht nun weitreichende Konsequenzen.
Der russische Pharmahersteller Biocad, nach eigenen Angaben Russlands führendes Biotechunternehmen, legt sich vor einem US-Gericht mit dem Schweizer Roche-Konzern an. In einer Klage, die Biocad nach Informationen mehrerer US-Medien am District Court for the Southern District of New York eingereicht hat, wirft das Unternehmen aus St. Petersburger Roche vor, den Wettbewerb zu behindern. Konkret sollen die Schweizer die Preise für mehrere biopharmazeutisch hergestellte Krebsmittel in Russland künstlich niedrig halten, um die Konkurrenz durch Nachahmerprodukte zu verhindern. Auf der anderen Seite sollen Roche, genauer deren US-Tochter Genentech, die Preise für diese Produkte in den USA erhöht haben, um Verluste aus dem Russlandgeschäft auszugleichen. Konkret geht es dabei um Avastin, Herceptin und Rituxan, deren US-Patente über die kommenden drei Jahre auslaufen. Diese Produkte erwirtschaften jährliche Umsätze von mehr als 20 Milliarden Dollar, fast die Hälfte davon in den USA.
Preissenkung in Russland, Erhöhung in den USA
Nach Angaben des Informationsdienstes Russian Legal Information Agency hat Biocad 2014 in Russland die Zulassung für das erste Biosimilar von Rituxan erhalten. Außerdem habe das Unternehmen damals mitgeteilt, große Fortschritte bei der Entwicklung von Nachahmerprodukten zu Avastin und Herceptin zu machen. Daraufhin hätten Roche und Genentech die Preise für diese Arzneimittel in den USA sukzessive erhöht. Gleichzeitig seien die Preise in Russland gesenkt worden. Das russische Unternehmen klagt, auf diese Weise versuche Roche, das Geschäft von Biocad zu behindern und den Markteintritt von Biocad in den USA zu unterbinden. Die russische Firma verlangt zudem Schadenersatzzahlungen, deren Höhe in dem Gerichtsverfahren ermittelt werden sollen.
Das Produktportfolio von Biocad umfasst derzeit 30 vermarktete Arzneimittel, darunter acht biotechnologisch hergestellte Präparate. Die meisten Arzneimittel von Biocad haben nach Informationen der Firma eine führende Position auf dem russischen Markt.
Wörtlich teilte Biocad zu dem Zwist mit Roche mit: „Roche und Genentech betreiben in Russland eine räuberische Preispolitik, indem sie die betreffenden Arzneimittel zu verlustreichen Preisen verkaufen. Dies hat zum Ziel, Biocad zu zerstören und den Zugang von Biocads preiswerten Biosimilars zum US-Markt zu verhindern.“ Den Angaben nach verkauft Roche 100 Milligramm von Avastin an seinen russischen Vertriebspartner 20 Prozent unter dem offiziellen Preis. Nach Informationen des US-Infodiensts Pharmalot sei Avastin in Russland derzeit sogar fünfmal billiger als in den USA, während Herceptin und Rituxan in Russland nur rund ein Viertel des US-Preises kosteten. Eine Genentech-Sprecherin teilte Pharmalot mit, dass man zu gerichtsanhängigen Verfahren keine Auskünfte erteile.
Roche faktisch ausgeschlossen
Die Auseinandersetzung zwischen den beiden Unternehmen hat nach Angaben des Mediums „National Law Review“ eine Vorgeschichte. Nachdem Biocad 2014 in Russland sein Rituxan-Biosimilar namens AcellBia auf den Markt gebracht habe, habe das Unternehmen vom Staat einen 240-Millionen-Dollar-Auftrag zur Versorgung mit dem Arzneimittel erhalten. Damit sei Roche faktisch vom russischen Markt ausgeschlossen worden.
Im Jahr 2015 wiederum habe Roche Klage gegen Biocad wegen der angeblichen Verletzung eines Anwendungspatentes eingereicht. Das Gericht habe damals jedoch keinen Patentverstoß feststellen können.
Immer mehr Patentabläufe
Ein weiterer Hintergrund für den Streit dürfte sein, dass zunehmend biopharmazeutisch hergestellte Arzneimittel aus dem Patent fallen und damit der Weg frei wird für preiswertere Biosimilars. So teilte der Verband Pro Generika mit, dass 2015 mit einem Umsatzvolumen von 1,34 Milliarden Euro mehr biopharmazeutisch als chemisch hergestellte Arzneimittel aus dem Patent gelaufen sind. Nach Angaben der Marktforscher des IMS Institute for Informatics haben sich die Ausgaben für biopharmazeutische Arzneimittel seit 2010 auf mehr als 128 Millionen Dollar im vergangenen Jahr verdoppelt. Laut Hochrechnungen könnten Biosimilars dazu beitragen, dass die europäischen und US-amerikanischen Gesundheitssysteme im Jahr 2020 Kosten in Höhe von 50 bis 110 Milliarden Dollar einsparen. Biosimilars kosten im Schnitt zehn bis 30 Prozent weniger als die originalen Biopharmazeutika. Allerdings erhöhen die Hersteller der Originale nicht selten deren Preise vor Patentablauf, um einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen.
Vor diesem Hintergrund nehmen auch die Auseinandersetzungen zwischen Originalherstellern und Biosimilar-Wettbewerbern zu. Im vergangenen Jahr versuchte AbbVie bei der US-Arzneimittelbehörde FDA die Zulassung eines Biosimilars für seinen Top-Seller Humira zu verzögern.
Außerdem setzte sich der Pharmakonzern bei der europäischen Behörde EMA dafür ein, die Veröffentlichung von klinischen Daten zu unterbinden. Währenddessen kämpfen Amgen und Sandoz, die Generikasparte von Novartis, um die Interpretation eines US-Gesetzes, wonach der Originalhersteller 180 Tage vor Markteinführung eines Biosimilars informiert werden müsse.
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