Beschleunigte Zulassung für Ocrelizumab

Neues Arzneimittel bei Multipler Sklerose

Zürich / Stuttgart - 01.07.2016, 13:00 Uhr

 Bei Multipler Sklerose kommt es durch immunvermittelte Entzündungen zum Verlust der Myelinisierung im ZNS. (Foto: AG visuell / Fotolia)

 Bei Multipler Sklerose kommt es durch immunvermittelte Entzündungen zum Verlust der Myelinisierung im ZNS. (Foto: AG visuell / Fotolia)


Das erste Arzneimittel gegen primär progrediente Multiple Sklerose soll noch in diesem Jahr zugelassen werden. Bislang gibt es keine Behandlungsmöglichkeit für diese Form der MS. Ocrelizumab erhielt bereits im Februar „Breakthrough-Status” von der FDA. 

Noch in diesem Jahr rechnet der Pharmakonzern Roche mit der Zulassung seines neuen Arzneimittels, OcrevusTM, gegen Multiple Sklerose (MS). Anlass zur Hoffnung geben die europäische und amerikanische Arzneimittelbehörden: EMA und FDA haben den Zulassungsantrag für OcrevusTM akzeptiert. Die FDA prüfe derzeit ein Priority Review-Verfahren, ein beschleunigtes Zulassungsverfahren, heißt es bei Roche. In den USA könne Ocrelizumab so bereits Ende Dezember Patienten mit Multipler Sklerose zur Verfügung stehen. Die europäische Entscheidung werde bis zum dritten Quartal 2017 erwartet. 

Erstes Arzneimittel bei primär progredienter MS

OcrevusTM enthält den Wirkstoff Ocrelizumab. Das Besondere: Der Antikörper soll für zwei Formen der Multiplen Sklerose zugelassen werden – die remittierend schubförmige MS (RRMS) und die primär progrediente MS (PPMS). Mit dem humanisierten Antikörper betritt man therapeutisches Neuland – er wäre das erste zugelassene Arzneimittel gegen PPMS. Diese gilt bislang als nicht behandelbar. Etwa zehn bis 15 Prozent der MS-Patienten leiden unter dieser Form. Sie verläuft nicht schubförmig – wie die RRMS – die Zunahme neurologischer Symptome entwickelt sich hier schleichend. Die PPMS trifft Männer und Frauen gleich häufig. Zumeist beginnt die primär progrediente Form im Alter von 40 bis 50 Jahren.

Als humanisierter, monoklonaler Antikörper richtet sich Ocrelizumab gegen das auf B-Zellen exprimierte, glykosylierte Phosphoprotein CD20. B-Zellen spielen – als Aktivatoren autoreaktiver T-Zellen – eine wichtige Rolle in der Pathogenese der Multiplen Sklerose. MS ist eine neurologische Erkrankung. Durch immunvermittelte chronische Entzündungen des Zentralnervensystems, kommt es hier zu Demyeliniserung und fortschreitender Behinderung. In Deutschland sind etwa 120.000 Patienten betroffen.

„Beschleunigte“ Hilfe für Patienten auch umstritten

Bereits im Februar 2016 hatten die Ergebnisse der Phase III-Studien OPERA I und OPERA II die FDA veranlasst, Ocrelizumab den „Breakthrough-Status“ zuzusprechen. Verglichen mit Interferon Beta-1a (Rebif®), reduzierte Ocrelizumab die Schubrate um 47 Prozent bei RRMS. Die ORATORIO-Studie untersuchte das Fortschreiten der Behinderung an 732 Patienten mit primär progredienter MS. Sie erhielten entweder Ocrelizumab oder Plazebo. Bei den mit dem Antikörper behandelten Patienten verminderte sich das Risiko des Fortschreitens der klinischen Behinderung signifikant um 25 Prozent.

Der Status „Breakthrough” ist Voraussetzung für das nun geplante, beschleunigte Zulassungsverfahren. Die FDA gewährt in Ausnahmefällen solch ein Priority Review-Verfahren, um den Marktzugang innovativer Arzneimittel zu beschleunigen.

Beschleunigte Zulassungsverfahren sind nicht unumstritten. Die Behörden senken in diesen Fällen die Zulassungsanforderungen. Die Pharmazeutischen Unternehmer müssen nachträglich Unterlagen und Studien einreichen, um dennoch die Sicherheit der Patienten zu gewähren. Laut Beichten der amerikanischen Kontrollbehörde, Government Accountability Office (GOA), kommen die Hersteller diesen Pflichten nicht ausreichend sorgfältig nach. Die FDA ahndet die Verstöße aber nicht. Anfang des Jahres veröffentlichte die GOA Daten hierzu. DAZ.online berichtete.


Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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