Uni Mainz

Vertrag über Millionen-Sponsoring ist offenbar rechtswidrig

Mainz - 05.07.2016, 09:40 Uhr

Im Halbschatten: Die Universität Mainz gewährte am Montag Journalisten Einblick in ihre Verträge mit der Boehringer Ingelheim Stiftung – und räumte Fehler ein. (Foto: hfd / DAZ.online)

Im Halbschatten: Die Universität Mainz gewährte am Montag Journalisten Einblick in ihre Verträge mit der Boehringer Ingelheim Stiftung – und räumte Fehler ein. (Foto: hfd / DAZ.online)


Die Förderung der Uni Mainz in Höhe von 150 Millionen Euro durch die Boehringer Ingelheim Stiftung beruht womöglich auf einem Vertragswerk, das gegen das Landeshochschulgesetz verstößt. Die Stiftung ließ sich an vielen Stellen Einflussrechte vertraglich zusichern – so bei der Berufung von Professoren. Rektor Krausch räumte nun Fehler ein und will die Verträge ändern.

Unter welchen Bedingungen dürfen Universitäten Kooperationen mit der Wirtschaft eingehen? Mit wohl beispiellosen 150 Millionen Euro unterstützt die Boehringer Ingelheim Stiftung die Uni Mainz, davon gehen 100 Millionen über einen Zeitraum von zehn Jahren an das 2009 gegründete Institut für Molekulare Biologie (IMB). Für die Lebenswissenschaften an der Uni bietet die Unterstützung große Möglichkeiten – für Uni-Präsident Georg Krausch handelt es sich daher um „reines Mäzenatentum“.

Fehler im Vertrag

Doch anscheinend beruht diese Unterstützung auf einer rechtswidrigen Vereinbarung. Dies lässt sich aus der Antwort des Forschungsministeriums von Rheinland-Pfalz auf eine Anfrage von DAZ.online sowie Aussagen von Krausch ableiten. Denn unter anderem bei Berufungen von neuen Professoren räumte die Universität der Stiftung weitgehende Rechte ein – und überschritt dabei womöglich die Grenzen des Landeshochschulgesetzes.

Einen ersten Einblick in die Verträge hatten Universität und Stiftung letztes Jahr lediglich ausgewählten Journalisten gewährt. Daraufhin wählte der SWR-Reporter Thomas Leif den Klageweg – und bekam aufgrund der Vorgeschichte Recht: Das Gericht entschied, dass die Universität ihm genauso wie seinen Kollegen die Verträge zugänglich machen muss. Zusammen mit ihm nahmen am gestrigen Montag gut ein Dutzend Journalisten Einsicht, darunter auch DAZ.online. Ein Termin, der Folgen für die weitere Zusammenarbeit zwischen akademischer Forschung und Drittmittelgebern aus der Wirtschaft haben dürfte. Erstmalig räumte Präsident Krausch „Fehler“ im Vertrag ein.

Veto-Möglichkeit ist unzulässig

Die umstrittenste Klausel besagt, dass die Stiftung beim Abschluss von Berufungsvereinbarungen für neue Professoren zustimmen muss. Dies untergrabe die Freiheit der Universität im Berufungsprozess, kritisierten der Kläger Thomas Leif und auch der Deutsche Hochschulverband. Ist dieses Mitspracherecht rechtens? „Die Einräumung einer Veto-Möglichkeit im Rahmen eines Berufungsverfahrens gegenüber einem Dritten durch eine Universität oder Fachhochschule (Hochschule) ist nach dem rheinland-pfälzischen Hochschulgesetz nicht zulässig“, erklärte das Wissenschaftsministerium Rheinland-Pfalz auf Nachfrage gegenüber DAZ.online. Der relevante Paragraf 50 sehe keine Sonderbestimmungen vor, die ein derartiges Mitspracherecht der Stiftung erlaubten.

(Foto: Bernd Eßling)
Uni-Präsident Georg Krausch

Doch handelt es sich tatsächlich um eine Veto-Möglichkeit – oder will sich die Stiftung nur das Recht einräumen lassen, so die ordnungsgemäße Verwendung der Mittel sicherstellen zu können, nachdem der zu berufende Kandidat schon ausgewählt ist? Hierauf berief sich das Ministerium. „Da ist ein Vetorecht drin“, erklärte Krausch hingegen, während er die „Sollbruchstelle“ erläutert. „In der Tat können Sie ein Vetorecht der Stiftung ableiten.“

Unbeabsichtigte Fehler

Dies sei nicht beabsichtigt gewesen, sagte der Präsident. „Ich glaube, dass wir es an der Stelle nicht gesehen haben“, kommentierte er die problematische Stelle. „Natürlich ärgere ich mich darüber.“

Der ursprüngliche Vertrag habe noch schnell zum 60. Geburtstag von Landesvater Kurt Beck fertiggestellt werden sollen.

Einflussnahme an vielen Stellen

Eine weitere Vertragsklausel gewährt der Stiftung das Recht, Veröffentlichungen vorab zu prüfen – was es prinzipiell erlauben würde, dass alle wissenschaftlichen Veröffentlichungen nur nach Zustimmung der Stiftung publiziert werden könnten. „Dies ist ein Fehler“, erklärte Krausch. Gemeint seien eigentlich nur Pressemitteilungen, die zu generellen Themen herausgegeben werden.

Wie sich bei der Lektüre der insgesamt drei Verträge herausstellte, gibt es noch weitere Stellen, bei der die Stiftung erheblichen Einfluss nehmen kann. So stellt sie auch ein Mitglied der Findungskommission für Berufungen. „Vielleicht müssen wir das besprechen“, räumte Krausch spontan ein. Außerdem hat die Stiftung Vetorecht bei der Berufung des Geschäftsführers des IMB oder bei der mittelfristigen Finanzplanung, auch werden die Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats „im Einvernehmen“ mit der Stiftung bestellt. Es ziehe sich durch den Vertrag hindurch, dass Rechte für die Stiftung entweder als Mittel der „Qualitätssicherung“ oder als „Einflussnahme“ gesehen werden können, sagte der Uni-Präsident.

Überraschende Fehlerkultur

Uni und Stiftung wollen sich nun laut Krausch auf Arbeitsebene zusammensetzen und die Möglichkeiten der Einflussnahme im Vertrag zu reduzieren – die seiner Einschätzung nach allerdings nur theoretisch gewesen sind.

„Ich denke, man wird jetzt zu einem Änderungsvertrag kommen, in dem das nicht mehr zu finden ist“, sagte er. Auch die Stiftung hätte gar kein Interesse, den Verdacht unzulässiger Beeinflussung aufkommen zu lassen.

(Foto: Bernd Eßling)
Rechtsanwalt Carl Christian Müller, Kläger Thomas Leif und der gleichfalls klagende Wirtschaftswissenschaftler Christian Kreiß

„Ich habe so etwas in meinem journalistischen Leben noch nicht erlebt“, erklärte Kläger und SWR-Reporter Thomas Leif nach dem Termin. Ihn erinnere es an die Pressekonferenz von Günter Schabowski am 9. November 1989, an dem dieser wie beiläufig die Mauer-Öffnung verkündet hatte.

Der Wirtschaftswissenschaftler Christian Kreiß, der gleichfalls ein Verfahren gegen die Uni Mainz angestrengt hat, um die Verträge einsehen zu können, war verblüfft von der Ehrlichkeit des Präsidenten. „Es war überraschend, wie er die Fehler eingeräumt hat“, sagte Kreiß.

Wollte die Uni Fehler vertuschen? 

Der Anwalt des klagenden SWR-Reporters, Carl Christian Müller, vermutet hingegen, die Uni habe die Verträge geheimgehalten, „um ihren Verstoß gegen geltendes Recht zu vertuschen“. Die Vereinbarungen seien „durchwirkt durch dieses rechtswidrige Einflussmuster“.

Tatsächlich konnte Krausch nicht genau begründen, warum die Verträge der Verschwiegenheit unterliegen. „Ich sehe eigentlich nicht, wo wir Vertraulichkeitsinteressen hätten“, sagte er.

(Foto: hfd / DAZ.online)
Die Universität hält das Vertragswerk bis heute unter Verschluss –und gewährt nur Journalisten vor Ort Einblick.


Doch welche Rolle hat das Forschungsministerium in dieser Angelegenheit? Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer und die ehemalige Forschungsministerin Doris Ahnen hatten die Kooperation als „Meilenstein“ bezeichnet. Obwohl die Verträge in der Öffentlichkeit vielfach kritisiert wurden, erklärte das Ministerium gegenüber DAZ.online, es habe keinen Anlass gehabt, die Rechtsauffassung der Universität in Zweifel zu ziehen – welche selber nun allerdings Zweifel bekam. „Die Vereinbarungen wurden dem MWWK weder im Vor- noch im Nachhinein zur Prüfung vorgelegt“, schrieb das Ministerium außerdem.

Uni-Präsident Krausch will in den nächsten Monaten die Verträge zusammen mit der Boehringer Ingelheim Stiftung überarbeiten. Klägeranwalt Müller reicht dies nicht. „Spätestens jetzt ist das Ministerium aufgefordert, im Rahmen seiner Rolle als Aufsichtsbehörde entsprechenden Einfluss auf die Universität zu nehmen, um diesen eklatanten Missstand schnellstmöglich zu korrigieren“, erklärte er.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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