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Liebesgrüße aus der Politik: Die CDU-Mittelstandvereinigung will sich rührend um Apotheker kümmern und den Rx-Versand verbieten – darf aber nicht, weil’s die ABDA nicht will. Zumindest nicht jetzt. Noch mehr Liebesgrüße: Ein Honorar für Rezepturen und sogar höhere Arbeitspreise und höhere BtM-Gebühren. Wirklich? Ich glaub’s noch nicht. Und Liebesgrüße aus der AOK-Welt: Fritz und Christopher im Techtelmechtel. Aber fürs MedManagement reicht's wohl nicht.
4. Juli 2016
Ausgeträumt. Aufwachen, mein liebes Tagebuch, kommen wir in die Realität zurück. Für Medikationsdienstleistungen wie AMTS, Medikationsplan, Medikationsanalyse und Medikationsmanagement wird es in den nächsten Jahren kein Zusatzhonorar geben. Betrachten wir mal die Äußerungen des Bundesgesundheitsministeriums, des Bundesversicherungsamts und von Krankenkassen stocknüchtern und nicht in der pharmapsychedelischen Euphorie des Apothekers als Heiland der Arzneimitteltherapiesicherheit, dann fallen wir ungepolstert auf den harten Boden der Tatsachen: Es hätte so wunderschön sein können, eine sinnvolle, leuchtende und erfüllende Zukunft für Apotheker, nutzbringend für Patienten, arbeitserleichternd für Ärzte, kostensparend für Krankenkassen – aber keiner will uns dafür honorieren. Zum einen fehlen angeblich die rechtlichen Grundlagen dafür, dass Krankenkassen Beratungsleistungen der Apotheker extra bezahlen, zum andern könnte man zwar den Rahmenvertrag mit den Kassen ändern und Dienstleistungen darin aufnehmen. Aber bevor Kassen dazu bereit sein dürften, fallen eher Weihnachten und Ostern auf einen Termin. Aber natürlich dürfen die Apothekers ihre Eimerchen, Schäufelchen und Förmchen nehmen, um in ihren regionalen Sandkästen kleine AMTS-Modellversuche zu erproben. Der kleine Armin sitzt da mit seinem kurzen Höschen schon drin und backt putzige Sandkuchen.
Aber ob er jemals außerhalb seines Kastens spielen darf – und dafür mit harten Krankenkassen-Euros bezahlt wird –, das ist in den Tiefen der Kassenozeane nicht zu sehen. Und, mein liebes Tagebuch, warum sollten die Kassen des Apothekers Beratungsleistungen auch honorieren wollen? Beraten, informieren, Arzneimittelgefahren erkennen und Patienten davor warnen – das ist die ethische Pflicht des Apothekers, das steht in der Apothekenbetriebsordnung, das hat er sich selbst in sein nigelnagelneues Hochglanz-Berufsbild geschrieben. Fiktives Statement der Kassen: „Danke, ihr Apothekers, deshalb lieben wir euch. Und ihr werdet dafür auch fürstlich mit 8,35 Euro pro Packung plus 3 Prozent bezahlt (über unseren kleinen Kassenrabatt von 1,77 Euro reden wir hier wirklich nicht, denn dafür bekommt ihr euer Geld stets pünktlich). Also, gebt Arzneien ab, beratet ordentlich, wie es sich gehört und das war’s. Und euren Medikationspopanz und die Extrahonorar-Allüren – das lasst mal schön bleiben. Sonst müssen wir die Retaxschrauben anziehen. Mit freundlichen Grüßen.“
Die Substitutionsausschlussliste wird länger. Ab 1. August dürfen acht weitere Wirkstoffe, unter ihnen Phenprocoumon und einige Opioide, nicht mehr ausgetauscht werden. Das Listenungetüm wächst. Mein liebes Tagebuch, eigentlich hätte es diese Liste gar nicht gebraucht. Da müssen wir uns an die eigene Nase fassen. Wenn wir Apothekers mit Sachverstand die Pharmazeutischen Bedenken geltend gemacht hätten, wäre uns dieses Monster des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), der nicht mit pharmazeutischem Sachverstand gesegnet ist, erspart geblieben. Warum er zum Beispiel nicht alle starken Opioide unter das Substitutionsverbot stellt, bleibt Hecken Geheimnis. Und so werden wir uns in Zukunft an weitere Listenarzneimittel gewöhnen müssen.
5. Juli 2016
Eine Kleine Anfrage der Linksfraktion bringt es an den Tag: Die Bundesregierung weiß zum Thema Lieferengpässe, Arzneimittelkontingentierung durch Hersteller, Zwang zum Direktkauf nur wenig bis nichts. Aus der Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Ingrid Fischbach lässt sich ablesen, dass die Bundesregierung das Thema Lieferengpässe nur rudimentär kennt und in seiner gesamten Dimension nicht sieht. Das Thema sei im Pharmadialog erörtert worden und man führe Gespräche mit Vertretern des Großhandels und der Apotheken. Das war’s dann. Mein liebes Tagebuch, das ist traurig. Mehr als traurig. Hier geht es um eine sichere und nachhaltige Versorgung mit Arzneimitteln. Lieferengpässe mit all ihren Problemen für die Apotheken und Patienten gibt es schon seit über fünf Jahren – aber bei der Bundesregierung ist das Thema so nicht auf dem Schirm. Oder muss man vielleicht auch sagen: Die Berufsvertretung der Apotheker hat es nicht geschafft, die Lieferengpässe in ihrer Dringlichkeit und Größe in die Politik zu tragen, in die Öffentlichkeit? Sicher, da wurden schon mal ein paar Gespräche geführt und auch im Pharmadialog wurde mal drüber gesprochen. Aber das reicht nicht, das geht unter. Wenn man in unserer medialen Welt gehört werden will, geht das nur mit öffentlichkeitswirksamen Verlautbarungen. Das muss in die Presse, in die Medien, immer und immer wieder. Da müsste die ABDA mehrmals zu eigenen Pressekonferenzen einladen und ein Präsident warnend die Stimme erheben. Irgendwie haben wir das alles noch nicht gehört.
Rührend, wie sich die CDU-Mittelstandsvereinigung in Nordrhein-Westfalen um ein Verbot des Rx-Versandhandels kümmern will. Sie sorgt sich auch darum, dass Krankenkassen Direktverträge mit ausländischen Versandapotheken abschließen und deutsche Apotheken unmittelbar benachteiligen würden. Daher hat die CDU-Mittelstandsvereinigung einen Leitantrag entworfen, in dem vor einer Deregulierung im Bereich Rx-Boni gewarnt wird. Mein liebes Tagebuch, fein, dass wenigstens die CDU-Mittelständler ein Herz für Apotheker haben. Allein, nützen wird das wenig. Wer glaubt, dass in Deutschland das Rad zurückgedreht und der Rx-Versand verboten wird? Auf Bundesebene gibt es keine Mehrheiten dafür. Wenn man ein Rx-Versandgebot wirklich gewollt hätte, hätte es Ulla Schmidt bei der Einführung ihres geliebten Versandhandels durchsetzen können. Aber sie und alle anderen wollten es damals nicht. Und von unserer ABDA kommen Signale, dass man auch keinen Plan B brauche, der EuGH erlaube sowieso keine Rx-Boni. Also, liebe CDU-Mittelständler, danke für euer Engagement, ihr habt auch sehr bemüht.
6. Juli 2016
Mein liebes Tagebuch, mal knallhart auf den Punkt gebracht: Der Medikationsplan, wie ihn die Politik mit dem E-Health-Gesetz ab Oktober zu Papier bringt, ist ein Witz und gehört in die Papiertonne. Da sind sich sogar Ärzte und Apotheker einig, wie ein mehr Konsens- als Streitgespräch zwischen dem Ärztefunktionär Andreas Gassen (Kassenärztliche Bundesvereinigung) und ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt zeigte. Eigentlich gehöre der Plan in die Hände der Apotheker, denn nur sie könnten sich rasch einen Überblick über alle Arzneimittel des Patienten verschaffen. Außerdem passe er nicht so recht in den Workflow der Ärzte, meinte Schmidt. Die Apotheker hätten gern ihre Kompetenz bei AMTS-Problemen eingebracht, aber der Gesetzgeber sieht dies lieber bei den Ärzten aufgehoben. Für Schmidt ist das nicht nachvollziehbar. Und der Ärztefunktionär hatte sogar ein gewisses Verständnis, dass sich die Begeisterung der Apotheker über den Plan in Grenzen halte, zumal Apotheker dafür nicht honoriert würden. Im Prinzip wäre das Modellprojekt ARMIN die richtige Vorgabe für einen Medikationsplan, glaubt Schmidt. Selbst eine Honorierungsregelung für Apotheker ist hier eingebaut. Mein liebes Tagebuch, dann kann man nur hoffen, dass das Projekt eines Tages auf Deutschland übertragen wird – und die Kassenaufsicht die Extra-Honorierung für Apotheker akzeptiert.
So, mein liebes Tagebuch, die deutschen Apothekerinnen und Apotheker haben nun eine Mediengruppe, ob sie das wollten oder nicht. Eine Mediengruppe „ohne Stimme“, wie der Name Avoxa verheißt, die aber eine starke Stimme sein will. Wie das geht – wir sind gespannt. Zuständig ist die Mediengruppe für Expopharm und Pharmacon, für Verlagsprodukte, die Pharmazeutische Zeitung und IT/EDV. Jetzt wartet die verfasste Apothekerschaft auf „die starke Stimme im anspruchsvollen Apothekenmarkt“ und „die Weiterentwicklung der Produktangebote“.
7. Juli 2016
Die AOK Baden-Württemberg mit ihrem Chef Christopher Hermann und die Apotheker, hier stellvertretend Verbandschef Fritz Becker, knuddeln sich. Bei der Abschaffung der Importquote sind sie ein Herz und ein Seele und beim Thema Retax zeigt sich die AOK generös und gar nicht kleinlich: Rezeptvergütungen wegen formaler Kleinigkeiten auf Null setzen – nicht mit Hermann. Und Selektivverträge mit Apothekern? Aber bitte gerne, wenn es in die alternative Regelversorgung der AOK passt und die rechtlichen Grundlagen dafür gegeben wären. Sind sie aber leider nicht, mein liebes Tagebuch. Und so freuen wir uns erstmal über das Techtelmechtel zwischen Fritz und Christopher und hoffen, dass uns die AOK nicht so bald die kalte Schulter zeigt.
Ich glaub’s nicht, bevor es nicht schwarz auf weiß im Gesetzblatt steht: Mein liebes Tagebuch, die Gesundheitspolitiker haben ihr Herz für Apotheker entdeckt. Sie wollen, dass die Apotheker für Rezepturen 8,35 Euro Fixhonorar bekommen. Und weil sie uns so lieben, schlagen sie auf die Arbeitspreise – fast schon unglaublich – noch einen Euro drauf, also z. B. fürs Salberühren dicke 6 statt magere 5 Euro. Das traute sich nicht mal die ABDA zu fordern! Und dann gibt’s für die Dokumentation bei der BtM- und T-Rezeptabgabe schwindelerregend hohe 2,91 Euro, mehr als das zehnfache wie bisher. Und, klar, die vor Kurzem ins Gerede gebrachte Deckelung der 3-Prozent-Marge ist vom Tisch. Das alles soll im „Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV“ stehen, das derzeit vorbereitet wird. Womit haben wir uns das nur verdient? Im Prinzip könnte das alles schon als Weihnachtsgeschenk unterm Baum liegen und ab Januar Wirklichkeit sein. Im Prinzip. Warten wir’s ab, mein liebes Tagebuch, bisher gibt es noch nicht mal einen Referentenentwurf.
Und alles mal bei Licht betrachtet: Eigentlich ist das ein Almosengesetz für Apotheker. So richtig große Freude mag sich da nicht einstellen. Zum einen kommen diese längst überfälligen Erhöhungen nach über zwanzig Jahren, zum andern ist das alles nicht sonderlich innovativ. Schön wäre es, wenn Krankenkassen z. B. Dienstleistungen der Apotheker honorieren würden…
8. Juli 2016
Und schon ist der Antrag der CDU-Mittelverstandsvereinigung, der ein RX-Versandverbot fordern sollte, wieder vom Tisch. Einige Apothekerverbände und -kammern, vermutlich gesteuert von der ABDA, sollen die CDU-Politiker gebeten haben, den Antrag zurückzuziehen mit dem Hinweis, eine politische Positionierung vor dem EuGH-Entscheid sei schädlich für die Apotheker. Die ABDA hat nämlich Angst, dass sich aus Ideen, wie man mit der Aufhebung der Preisbindung umgehen könne, ein wie auch immer geartetes Eigenleben entwickele und das sei praktisch unkalkulierbar. Und außerdem, mein liebes Tagebuch, man soll sich erst dann aufregen, wenn etwas passiert ist, meint ABDA-Chefjurist Tisch. Und bisher ist ja noch nichts passiert. Ach so, na denn.
12 Kommentare
Wieso..
von Christiane Patzelt am 10.07.2016 um 23:42 Uhr
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Mehr Mut! Mehr Miteinander!
von Kerstin Kemmritz am 10.07.2016 um 13:27 Uhr
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AW: Liebe Kerstin!
von Christiane Patzelt am 10.07.2016 um 23:45 Uhr
Keine Rechtsgrundlage für Beratungshonorar?
von Reinhard Rodiger am 10.07.2016 um 12:32 Uhr
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AW: Rechtsgrundlage
von Dr. Jochen Pfeifer am 10.07.2016 um 13:24 Uhr
AW: Rechtsgrundlage : Apotheker kommen im Gesetz nicht vor
von Reinhard Rodiger am 10.07.2016 um 20:58 Uhr
Tagebuch, Absatz 4. Juli
von Heiko Barz am 10.07.2016 um 11:22 Uhr
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ARMIN in der Sandkiste
von Ulrich Strröh am 10.07.2016 um 10:08 Uhr
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Linken Anfrage zur Lieferfähigkeit
von Dr.Diefenbach am 10.07.2016 um 8:58 Uhr
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Guten Morgen, meine Lieben !
von gabriela aures am 10.07.2016 um 8:55 Uhr
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AW: Stimme Ihnen sogar weder zu :)
von Dr. Jochen Pfeifer am 10.07.2016 um 9:02 Uhr
Leider eine hervorragende Analyse
von Dr. Jochen Pfeifer am 10.07.2016 um 8:45 Uhr
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