Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

17.07.2016, 08:00 Uhr

Rückblick auf die letzte Woche (Foto: Andi Dalferth)

Rückblick auf die letzte Woche (Foto: Andi Dalferth)


Heute: heiteres Beruferaten. Der gesuchte Beruf lässt sich gerne ausnützen, demütigen, arbeitet leidenschaftlich umsonst. Er freut sich über Almosen, die man ihm nur zeigt, aber eigentlich gar nicht gibt. Für andere hält er gern den Kopf hin, auch für deren Fehler, und dafür verzichtet er dann auf Lohn. Mein liebes Tagebuch, wer könnte das wohl sein?

11. Juli 2016

Immerhin, das Bundesgesundheitsministerium hat seine Eckpunkte zum geplanten „Pharma-Gesetz“ vorgelegt und da stehen erste Regelungsvorschläge für eine Apothekervergütung drin. Apotheken sollen für Rezepturen insgesamt 9,35 Euro mehr bekommen sollen, also 8,35 als Fixzuschlag und oben drauf noch 1 Euro auf den Arbeitspreis. Puh, mein liebes Tagebuch, wie werden wir den dadurch entstehenden Reichtum verkraften? Ganz einfach, wir müssen die lieben Krankenkassen mit 1,77 Euro Zwangsrabatt daran beteiligen. Na, es soll uns nicht zu gut gehen. Mein liebes Tagebuch, lass uns mal rechnen: Deutschlands 20.000 Apotheken stellen rund 14 Mio. Rezepturen jährlich her, macht also insgesamt rund 130 Mio. Euro mehr, heißt im Durchschnitt für die Apotheke etwa 6500 Euro mehr im Jahr. Schwitz. Also, ich denke wir werden es verkraften, selbst wenn die ABDA nicht mit so viel gerechnet hätte. Und wem das immer noch nicht genug ist: Wir sollen ja auch für die BtM- und T-Rezept-Dokumentation mehr bekommen. Die Aufwandsentschädigung erhöht sich um über das Zehnfache von 26 Cent auf 2,91 Euro. Jetzt warten wir ab, was auf dem Weg der Gesetzgebung noch alles so passiert – und was dann wirklich hinten dabei raus kommt.

12. Juli 2016

Über regional eng begrenzte Ausschreibungen für die Zyto-Herstellung kann man vielleicht, unter gewissen Vorgaben, noch nachdenken. Zytos sind teuer, Kassen müssen sparen. Aber wenn Ausschreibungen mittlerweile auf bundesweiter und sogar auf europaweiter Ebene ablaufen, wenn nur noch billig billig zählt und Qualität nicht mehr vorkommt, dann ist was faul im System. Zum Nachteil der Patienten. Mein liebes Tagebuch, wie soll das Ausschreibungs-Gedöns auch funktionieren? Früher war man froh, wenn Onkologe und herstellende Apotheke, Krankenhausapotheke oder Herstellbetrieb eng zusammenarbeiteten. Wenn heute der Herstellbetrieb in Hamburg sitzt und der Onkologe in München – dann müssen hochsensible Arzneimittel quer durch Deutschland transportiert werden. Und wenn unterwegs etwas passiert, ist die zeitnahe Versorgung nicht mehr möglich. Ganz abgesehen davon: Apotheken haben in Ausrüstung, Gerätschaften für die Zyto-Herstellung und in Personal investiert. Onkologen und Patienten waren froh, dass eine ortsnahe Versorgung möglich ist. Jetzt wird dieses ortsnahe System zerschlagen, denn gegen große Herstellbetriebe hat die Vor-Ort-Zyto-Apotheke kaum eine Chance im Bieterverfahren. Schon gar nicht, wenn der Vertrieb der Rezepturen bundesweit erfolgen soll. Mit überregionalen Zyto-Ausschreibungen zerstört man gewachsene Strukturen! Mein liebes Tagebuch, es ist höchste Zeit, dass der Ausschreibungsirrsinn der Kassen gestoppt wird.

13. Juli 2016

Doch die Kassen machen sogar weiter Druck: Sie verlangen von Apotheken, Zytostatika-Anbrüche über die angegebene Haltbarkeit hinaus zu verwenden. Kostenträger sind der Meinung, dass die Haltbarkeit mancher Wirkstofflösungen deutlich länger ist, als es in der Hilfstaxe vertraglich vereinbart ist. Mein liebes Tagebuch, selbst wenn das zum Teil zutreffen sollte, dann wäre es Sache der Hersteller, die Haltbarkeitsangaben zu verlängern. Aber die Hersteller haben daran natürlich wenig Interesse – Verwürfe bedeuten Mehrumsätze. Mein liebes Tagebuch, sollen hier gerade die pharmazeutische Qualität und gesetzeskonformes Arbeiten der Apotheken auf dem Altar des Spardiktats der Kassen geopfert werden?

 

Mein liebes Tagebuch, ein neues Urteil: Kammermitglieder dürfen ihre Kammer unter bestimmten Bedingungen dazu auffordern, den gemeinsamen Dachverband zu verlassen ­– hat das Bundesverwaltungsgericht kürzlich entschieden. Zum Beispiel dann, wenn der Dachverband, sprich die ABDA, seine Kompetenzen überschreitet. Oh, kommt jetzt eine Austrittswelle von Kammern auf uns zu? Gemach, gemach. Beim Begriff Kompetenzüberschreitung könnte man geneigt sein vorschnelle Schlüsse zu ziehen. Laut Gericht liegt das vor, wenn ein Dachverband zum Beispiel Stellungnahmen zu allgemeinpolitischen Themen abgeben würde. Ach so, na, dann ist in unserer Apothekenwelt noch alles in Ordnung, keine Austrittsgefahren in Sicht. Zur großen Politik sagt unser Dachverband nix. Wir wären ja schon froh, wenn er überhaupt mal öfters die eine oder andere Stellungnahme zu berufspolitischen Themen abgeben würde.

14. Juli 2016

Seit 1. Juni gibt es sie: die neuen Retaxregelungen mit den Kassen. Es ist ein Kompromiss, ausgehandelt hat ihn der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der GKV-Spitzenverband mithilfe der Schiedsstelle. Mein liebes Tagebuch, wir wollen ja nicht meckern. Es wurde einiges erreicht, damit Kassen die Apotheken nicht wegen läppischer Formfehler retaxieren dürfen. Aber vieles in dem eigentlich detaillierten Regelwerk bleibt leider auch nebulös, gummiartig interpretierbar. Das zeigt auch die Kommentierung des DAV. Zum Beispiel: Wenn ein „unbedeutender Fehler“ vorliegt, darf nicht retaxiert werden. Aber, was bitte, ist genau ein unbedeutender Fehler? Laut Regelung: Ein Fehler ist unbedeutend, wenn er die Arzneimittelsicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht wesentlich tangiert. Na prima, da ist Potenzial für die Rechtsprechung zu sehen, nicht wahr? Was jetzt schon strittig ist: Ab wann gilt die Regelung genau? Auch schon für vor dem 1. Juni ausgestellte oder eingereichte Rezepte? Die DAK, wer sonst, schafft Fakten: Sie will alle falschen Abgaben vor dem 1. Juni 2016 nach den bisherigen Vereinbarungen retaxieren. Mein liebes Tagebuch, es bleibt weiter ein Retax-Tollhaus.

15. Juli 2016

Oh, oh, kaum dachte man, die von politischen Kreisen andiskutierte Deckelung der 3-Prozent-Marge des Apothekenhonorars ist vom Tisch, da könnte sie durch die Hintertür wieder hereinkommen. Und das ginge so: Es gibt bei neuen Arzneimitteln bekanntlich einen Listenpreis, der offiziell als Arzneimittelpreis ausgeworfen wird. Und es gibt einen wesentlich niedrigeren Erstattungspreis: Das ist der Preise, den die Krankenkassen tatsächlich der Pharmaindustrie für das Arzneimittel bezahlen. Aber der soll geheim bleiben, damit es nach außen so aussieht, als sei das Arzneimittel auf dem deutschen Markt teuer. Schließlich orientieren sich auch andere Länder beim Preis u. a. am Preis in Deutschland. Und Bundesgesundheitsminister Gröhe hat der Pharmaindustrie versprochen, dass der niedrige Erstattungspreis geheim bleiben soll. Jetzt stellt sich die Frage: Wovon werden Zuschläge wie der 3-Prozent-Aufschlag für die Apotheke oder der Großhandelsaufschlag berechnet? Aus Sicht der Kassen natürlich von niedrigen Erstattungspreis. Nur,  was tun, wenn der geheim bleiben soll? Da weiß der GKV-Spitzenverband Rat: Die Apothekenmarge muss gedeckelt werden. Mein liebes Tagebuch, da soll die Apotheke für das Geheimhaltungsgetue zwischen Pharma und Kassen bluten. Na, dankeschön, sollen wir wieder die Deppen der Nation werden? Oder speist man uns deswegen mit ein paar Euro für Rezepturen und die Dokugebühr ab? Und am Schluss haben wir weniger als vorher? Nicht mit uns! Da muss sich Herr Gröhe überlegen, wie er den Erstattungspreis vertraulich hält, ihn aber gleichzeitig zur Berechnungsgrundlage für alle Margen in der Lieferkette macht. Deckelung unserer Aufschläge ist keine Lösung!

 

Schon gehört? Gröhe kommt zum Apothekertag nach München. Wie? Wer ist Gröhe? Ach der Gröhe, der Bundesgesundheitsminister. Ist das der, der Medikationspläne nur vom Arzt und auf Papier so schick findet? Oder ist es der da, der eigentlich die Pille danach nicht wollte? Oder der da, der erst einmal ein Gutachten zum Apothekenhonorar befürwortet hat, bevor er es dann senken will? Nein, es ist der, der am Apothekertag nie kann. Mein liebes Tagebuch, aber in diesem Jahr kann er, es ist Vorwahlkampf. Und da kommt er mit einem Füllhorn, aus dem Rezepturhonorar und Dokugebühr quellen.


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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2 Kommentare

Vornehm geht die Welt zugrunde

von Wolfgang Müller am 17.07.2016 um 18:59 Uhr

Hmmm, lieber Herr Kollege Ditzel.

Ihr erster Absatz bringt die vor Allem kaufmännische Hilf- und leider auch Willenlosigkeit unseres Berufs herrlich auf den Punkt. Ihr Rechenweg, gemäß dem die "durchschnittliche" Apotheke in Zukunft für Rezepturen 6.500,- Euro mehr bekommen wird, untermauert das aufs Allerfeinste ......

Aber egal, das von Ihnen geschilderte Schreckliche wird durch unser "Aussterben" vielleicht ja bald ein Ende finden! Wenn es dann gar kein Pharmaziestudium und "Apotheker" mehr braucht, sondern sich die "Medizin" dann konsequenterweise stattdessen entsprechend verzweigt. Und letztlich "Ärzte für Arzneimittelmedizin" in ihren Praxen dispensieren werden.

Meine Hausarzt-Ehefrau liest schon jetzt Ihre inzwischen ja dominierenden, hervorragenden Rose et al. Verschreibungstherapie-Fachartikel in der DAZ mit immer größerer Begeisterung, und zugegebenermaßen wesentlich intensiver als ich Unwürdiger. Netterweise spricht sie das Ganze dann hinterher erläuternd mit mir durch. Und auch Ihr "Scholz-Programm" für "Polypharmazie" werden wir wohl wenn überhaupt sinnvollerweise zuerst in der Praxis als in den Apotheken haben.

Allein, mir fehlt der Glaube, dass die Ursachen für die Selbstauflösung unserer Identität als einzelhändlerischer Heilberufler oder heilberuflicher Einzelhändler in hilflosem Agieren, Jammern und beflissenem Erdulden so ganz klar erkannt werden. Oft werden die ja fälschlich darin gesehen, dass wir eher zu sehr einzelhändlerisch- kaufmännisch/ERGEBNIS-orientiert und zu wenig heilberuflich ausgerichtet sind!

Ich orientiere mich berufs-soziologisch bei meiner ureigenen Selbstzerfleischungs-Wahrheitsfindung lieber an den Kollegen Göbel und Schweim (Ersterer hat´s mal bei einer Preisverleihung gesagt, Letzterer bei Ihnen in der DAZ 27 begeistert zitiert): "Ohne Medikationsmanagement sterben wir aus." Na dann .........

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Welcher Beruf

von Frank ebert am 17.07.2016 um 13:04 Uhr

Polizist ?

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