Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

24.07.2016, 08:00 Uhr

Apothekers Rückblick auf die letzte Woche (Foto: Andi Dalferth)

Apothekers Rückblick auf die letzte Woche (Foto: Andi Dalferth)


Frauen an die Macht – wann kommt die ABDA-Präsidentin? Fast jede zweite Retax unberechtigt! Becker macht’s noch mal. Polit-Schaulaufen beim Apotag. Und: ABDA endlich compliant! Eine Woche voller hoffnungsvoller Schlagzeilen – im Gegensatz zur Welt um uns herum.

18. Juli 2016

Solche Zahlen muss man sich immer wieder einmal vergegenwärtigen: Die Apotheken haben den Krankenkassen in den ersten fünf Monaten dieses Jahres einen Nachlass von 475 Mio. Euro gewährt. Rein rechnerisch bedeutet dies für jede Apotheke in diesem Zeitraum im Durchschnitt rund 24.000 Euro weniger. Dieser stattliche Betrag kommt zusammen, weil die Apotheke von jedem auf Kassenrezept verordneten Arzneimittel 1,77 Euro ihres Fixums von 8,35 Euro an die GKV abführen muss. Mein liebes Tagebuch, und was bekommt die Apotheke dafür? Zumindest eine pünktliche Zahlung der abgerechneten Rezepte. Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit wäre. Nun, wir bezahlen dafür und lassen uns ab und an auch mal retaxieren. Zumindest das wird hoffentlich in den nächsten Monaten weniger werden.

19. Juli 2016

Knapp 50 Prozent aller Apotheken werden von Frauen geleitet, unter den approbierten Beschäftigten in Apotheken liegt der Frauenanteil sogar bei über 70 Prozent. Und schaut man sich die Arbeitsplätze in Apotheken insgesamt an, so sind sie zu rund 90 Prozent von Frauen besetzt. Also, Probleme mit der Frauenquote im Apothekenbereich gibt es nicht, im Gegenteil, sie kann sich sehen lassen. Nur in einem Bereich klemmt es: an der Spitze der Berufsvertretung. In den 17+17 Berufsorganisationen sind nur sechs Frauen an der Spitze: drei in Verbänden (Claudia Berger, Saarland; Andrea Lorenz, Brandenburg; Christiane Lutter, Bremen) und drei in Kammern (Ursula Funke, Hessen; Magdalene Linz, Niedersachsen; Gabriele Overwiening, Westfalen-Lippe). Auch ganz oben machen sich Frauen rar: Nur drei sind im geschäftsführenden Vorstand der ABDA neben zehn Männern. Und jetzt hat Claudia Berger, die einzige Frau im geschäftsführenden Vorstand des Deutschen Apothekerverbands, angekündigt, bei den nächsten Wahlen im November nicht mehr antreten zu wollen. Mein liebes Tagebuch, woran liegt es, dass Frauen so unterproportional in berufspolitischen Gremien vertreten sind? Desinteresse? Familiäre Verpflichtungen? Oder einfach nur daran, dass sie sich nicht die männlichen Gockelkämpfe antun wollen? Was auch immer die Gründe sein mögen, irgendwie schade, dass ein von Frauen dominierter Beruf so wenige Frauen an seiner Spitze hat. Mein liebes Tagebuch, wir geben die Hoffnung nicht auf: Eines Tages haben wir eine ABDA-Präsidentin. Versprochen!

 

Der Apothekertag wirft seine politischen Schatten voraus. Bundestagsabgeordnete aller Couleur ante portas! Holte sich die ABDA im letzten Jahr eine Absage nach der anderen ein, wird sich beim diesjährigen Hochamt der Apotheker im Oktober die gesundheitspolitische crème de la crème auf dem Podium drängeln. Sogar der Bundesgesundheitsminister hat sein Kommen angekündigt. Vorgesehen ist auch eine Diskussionsrunde: Die ABDA im Gespräch mit den gesundheitspolitischen Spitzen. Hach, mein liebes Tagebuch, da gibt es das eine oder andere Thema: Rezepturhonorar, Dokugebühr, Notdienstfonds, Honoraranpassung, Medikationsplan und vielleicht sogar ein EuGH-Urteil zu den Rx-Preisen. Es wird eine Art Schau- und Warmlaufen für das Wahljahr 2017. Dementsprechend vorsichtig wird man die Aussagen der Politprominenz bewerten müssen. Trotzdem, amüsant wird’s auf alle Fälle!

20. Juli 2016

Welches irrwitzige Ausmaß Retaxationen angenommen haben, zeigt eine Bilanz allein des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg. Rund 1,5 Mio. Euro (über das Doppelte mehr als im Vorjahr) wollten die Kassen von den baden-württembergischen Apothekern im vergangenen Jahr wegen angeblicher Form- und sonstigen Rezeptfehlern zurückbehalten. Nach Prüfung durch den LAV zeigte sich, dass fast jede zweite Retaxation unberechtigt war: Rund 900.000 Euro konnte der Verband für seine Mitglieder zurückholen. Mein liebes Tagebuch, das ist gute Arbeit. Aber diese Bilanz macht auch deutlich, dass Krankenkassen bzw. ihre beauftragten Prüfeinrichtungen ungeheuer viel Energie in die Retaxationen stecken: Man versucht Retaxationen als Instrument für potenzielle Kosteneinsparungen einzusetzen. Und die andere Seite: Fast die Hälfte der Retaxationen ist nicht berechtigt. Mein liebes Tagebuch, da kann man schon vermuten, dass die Kassen die eine oder andere Retaxation als Ballon starten lassen – mal sehen, ob sich die dummen Apotheker wehren, probieren können wir’s ja mal. Das sind schon keine Spielchen mehr, das ist Irrwitz. Hoffen wir, dass die neuen Regelungen, die der GKV- und der Apothekerverband über die Schiedsstelle ausgehandelt haben, dazu beitragen, die Retaxationsversuche drastisch zurückzufahren. Wenn man aber jetzt hört, dass Krankenkassen darüber streiten, ab wann die neuen Regelungen gelten sollen und ob vor dem Stichtag 1. Juni noch nicht abgeschlossene Retaxverfahren nicht unter die neuen Regelungen fallen sollen, könnte man aus der Haut fahren. Wie könnten beide Seiten ihre Zeit für sinnvollere Dinge einsetzen als sich mit Retaxkram abzugeben.

21. Juli 2016

Vorwahlkampf bei Apothekers – nein, nicht wirklich, vielleicht nur ein bisschen. Ende November/Anfang Dezember wird neben den geschäftsführenden Vorständen von Bundesapothekerkammer und Deutschem Apothekerverband die ABDA-Spitze zur Wahl antreten. Ehrlich gesagt, mein liebes Tagebuch, mit großen Veränderungen rechnen wir nicht. Das Triumvirat Schmidt, Kiefer, Becker ist gesetzt. Und den Donald Trump der Apotheker, den haben wir nicht. Zum Glück. Auch keine Hillary – wobei eine Frau an der Spitze, die Merkel der Apotheker, leider nicht in Sicht ist. Eine starke Frau als Kopf unserer Berufsvertretung, mein liebes Tagebuch, das wär’s, da könnten wir in den männerdominierten Verbändelandschaften mal punkten. Frauen machen vieles anders und manchmal auch besser. Na gut, träumen hilft nicht. Und manchmal ist Kontinuität auch von Vorteil. Fritz Becker, Chef des Apothekerverbands will sich wieder zur Wahl stellen, da macht er keinen Hehl draus. Er hat für Vielerlei gekämpft, einiges erreicht oder zum Laufen gebracht, z. B. den Fixabschlag für Krankenkassen, den Nacht- und Notdienstfonds. Vielleicht darf er auch schon bald das Rezepturhonorar und die Erhöhung der Dokugebühr als erreichtes Ziel von seiner Agenda streichen. Nur mit einer Sache ist er unzufrieden: die noch offene Dynamisierung des Fixhonorars, eine Anpassung des Apothekerhonorars an Inflation und Lohnsteigerungen. Das zu erreichen treibt ihn an. In die Quere gekommen ist ihm bei seiner Mission, dass das Bundeswirtschaftsministerium ein externes Wirtschaftsbüro mit einem Gutachten beauftragt hat, sich Gedanken zum Apothekenhonorar zu machen. Das Ergebnis wird für 2018 erwartet, dann gibt es auch schon eine neue Regierung. Also, da bleibt für Becker nichts anderes übrig, als wieder neu anzutreten nach dem Motto: mach’s nochmal, Sam.

22. Juli 2016

OK, hat ein bisschen gedauert. Aber immerhin, jetzt will auch unsere ABDA compliant sein. Keine Sorge, mein liebes Tagebuch, sie ist nicht krank, unsere ABDA, sie muss auch nicht dreimal täglich eine Kapsel schlucken. Compliance bei Unternehmen und Verbänden bedeutet nicht Therapietreue oder Einhaltung von Therapierichtlinien, sondern meint die Einhaltung von Gesetzen, Richtlinien und freiwilligen Kodizes. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber gut, wenn man sich explizit dazu bekennt. Das macht man heute so. Und so hat auch unsere ABDA ihre Compliance-Ziele definiert und sich einen Verhaltenskodex gegeben, den sie fortan beachten will. Dieser Kodex gilt fürs Haupt- und Ehrenamt und auch für die Tochtergesellschaften (z. B. Avoxa). In Gang gekommen war die Compliance-Diskussion durch die Vorgänge um den ehemaligen Pressesprecher Thomas Bellartz, insofern hatte die damalige Krise auch ihr Gutes. Im Verhaltenskodex tauchen dann so feine Begriffe auf wie Fairness und Ehrlichkeit, verbraucher- und patientenschützende Normen beachten, wettbewerbsschützende Gesetze beachten, speziell das Kartellrecht, keine Bestechung und Korruption, die Menschenrechte beachten und ein Bekenntnis zu fairen Arbeitsbedingungen. Zu den Zielen gehört beispielsweise auch die Weiterentwicklung einer werteorientierten Verbandskultur. Wie schön! Kurz gesagt: Die ABDA als Interessensvertretung aller Apotheker gibt sich eine besondere Pflicht zur Integrität, Transparenz und Gesetzestreue. Also, mein liebes Tagebuch, das hätten wir auch nicht anders erwartet.


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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8 Kommentare

Zahlenspielereien...

von Rolf Lachenmaier am 25.07.2016 um 12:39 Uhr

Lieber Herr Ditzel, liebe Redaktion,

das Märchen von den "1,77€-Abschlag" wird leider auch durch weitere Wiederholungen nicht wahrer. Was nützt es sauber und vernünftig zu argumentieren, wenn die Argumentationskette selbst der Fachpresse nicht Netto&Brutto auseinanderhalten kann? Selbst die Kranken Kassen "schaffen" das. Und jeder Politiker, der solchen Zahlen glauben schenkt, wird das nur ein einziges Mal(!) tun - und dann nie wieder.
Das Honorar ist ein Nettobetrag und der Abschlag Brutto - das kann doch nicht so schwer sein. Und ja, 1,49€ Abschlag sind bei weitem immer noch zuviel. Und das muss auch dringend verändert werden: 17,8% des Honorares als "Rabatt und Skonto" wie es die Kranken Kassen nett betiteln - ist ein ganz schlechter Witz... man verfolge die derzeitige Rechtsprechung zum Thema.

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festgeschriebener kassenabschlag

von joe black am 24.07.2016 um 13:59 Uhr

wenn das angesagte urteil gegen aep wegen seiner skontohöhe tatsächlich so kommen sollte, dann rächt es sich umso mehr, dass die apothekers mal wieder - um weiteren streit mit den kassen zu vermeiden - auch noch freiwillig auf ein variables - verhandelbares - skonto bei der gkv verzichtet haben und sich vom gesetzgeber das skonto auf dauer fixieren liessen. da geht eine kuh zum metzger und frägt nach vegetarische wursträdchen .....

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AW: was noch fehlt beim retaxdeal....

von joe black am 24.07.2016 um 15:35 Uhr

..... worauf der metzger antwortet:: "dann kommen sie mal kurz mit nach hinten!"

Frauen ganz oben

von Dr.Diefenbach am 24.07.2016 um 10:45 Uhr

Hessen hat eine prima Präsidentin,die zusammen mit ihrer KollegIN die ganzen Probleme souverän anpackt und man holt sich auch Rat von uns allen ein!Hackordnungen und Eitelkeiten gibt es da nicht .Und eine Frau Linz hat ihre Führungsqualitäten ebenfalls hinreichend bewiesen.Ich glaube es sind meist ganz persönliche Lebensumstände die den Drang nach oben bremsen.Das wäre ggf auch mal eine Debatte wert.

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AW: Wenige "Quotenfrau" reichen nicht!

von Thesing-Bleck am 24.07.2016 um 15:00 Uhr

Natürlich gibt es tolle Führungs - Apothekerinnen! Leider aber viel zu wenige. Seit Jahrzehnten fordern wir Apothekerinnen, dass die Leitungspositionen unseres Berufsstandes zumindest paritätisch mit Männern und Frauen besetzt werden. Davon sind wir so weit entfernt, wie kaum ein anderer Berufstand. Das ist wahrlich kein Ruhmesblatt und in der Gesellschaft nicht vorzeigbar.

Tagebuch vom 24.Juli

von Heiko Barz am 24.07.2016 um 9:53 Uhr

Guten Morgen, Herr Ditzel,
zuerst einmal vielen Dank für die wöchentliche Fleißarbeit.
In einem Kommentar habe ich versucht, die Beratungsgebühr zu analysieren.
Ihre Frage, welchen Wert ( Leistung ) die KKassen für die 1,77€ Zwangsabschlag anteilig zum Nutzen ihrer "Schutzbefohlenen" erarbeiten, kann nur beantwortet werden mit; Sie tun gar nichts!
Es sei denn, die Verpflichtung einer termingerechten Zahlungsbereitschaft ist schon als Leistung anzusehen.
Die geistige Leistung ( Beratungsgebühr ) ist immateriell, so müßten auch die 1,77€ als solche dafür angesehen werden.

Die KKassen sollten für diesen Zwangsabschlag Informationen an ihre Mitglieder verbreiten, wie z.B. Apotheken finanziell funktionieren, welche Substanz die Beratungsgebühr hat und was sie KKassen als ideelle Leistung verbindlich dazugeben.

In den Veröffentlichungen derer Magazine sucht man vergeblich nach dieser Leistungsbereich für "1,77€.
Im Gegenteil, wenn wir für unsere Patienten eine Informationsaussage erreichen wollen, ist selten ein Ansprechpartner der Kassen zu fixieren, der auch namentlich für seine Aussage Verantwortung übernimmt.
Die fraktionierte Zahlungsbereitschaft ist ja wohl als ideelle Leistung ein wenig zu dürftig!!
Außerdem ist der %Satz des Verhältnisses 8,35€ zu 1,77€ als absolut unethisch und dafür als verwerflich zu betrachten.

Was bleibt denn übrig, wenn die Beratung analysiert wird?
8,35€ - 1,77€ - Ek-Steuer plus 3% Lagerhaltung, die mit Sicherheit in nächster Zeit herausgelöst wird, jedenfalls würde ein Handwerker dafür nicht einmal eine Handlungsbereitschaft anzeigen.
Diese %Zahlen im Kopf, und das ständige Herumgemeckere der Skonti vergleichend, kann es so wirtschaftlich nicht weitergehen. Es sei denn, das Sterben der "kleinen Apotheken" wird billigend in Kauf genommen.
Die Resultierende dabei ist, das Anwachsen der Versand - und Internetapotheken mit all deren Unwägbarkeiten -( EUROZWÄNGE ).
Grüße in die Redaktion.

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Unhaltbar: Frauenquote in ABDA & Co.

von Thesing-Bleck am 24.07.2016 um 9:24 Uhr

Frauen sind in den Führungspositionen unseres Berufsstandes nach wie vor krass unter repräsentiert. Das ist seit langem bekannt und ein unhaltbarer Zustand. Peter Dietzel stellt hier die richtige Frage: Warum ist das so? Auch diese Frage ist nicht neu. Antworten darauf hat das Frauen Netzwerk Aachen gesucht. Dazu wurde ein Fach-Ausschuss gegründet, in dem ich eine der Mitgliedsfrauen war. Dieses Gremium hat zwei große Fachtagungen abgehalten und in diesem Zusammenhang viele Frauen nach ihren Erfahrungen im Ehrenamt befragt.
Die Ergebnisse haben wir in einem Positionspapier veröffentlicht. Zu finden unter: http://ow.ly/PMO6100cA3R
Ein Blick in dieses Papier lohnt sich auch deshalb, weil ich hier meine Erfahrungen mit Frauen in ehrenamtlichen Führungspositionen in der Apothekerkammer Nordrhein mit eingebracht habe.

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Geht doch!

von Ulrich Ströh am 24.07.2016 um 9:14 Uhr

Wann kommt eine ABDA -Präsident-in?
Gute Frage,die zu Lebzeiten vieler aktueller Leser dieses Tagebuchs keine Antwort erfahren wird.

Der MVDA mit 3400 Mitgliedern hat seit fast einem Jahr mit der Kollegin Hame-Fischer eine Präsidentin.
Einfach mal fragen,wie es geht....
Gockelkämpfe gibt es nicht.

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