- DAZ.online
- News
- Debatte & Meinung
- Mein liebes Tagebuch
Frauen an die Macht – wann kommt die ABDA-Präsidentin? Fast jede zweite Retax unberechtigt! Becker macht’s noch mal. Polit-Schaulaufen beim Apotag. Und: ABDA endlich compliant! Eine Woche voller hoffnungsvoller Schlagzeilen – im Gegensatz zur Welt um uns herum.
18. Juli 2016
Solche Zahlen muss man sich immer wieder einmal vergegenwärtigen: Die Apotheken haben den Krankenkassen in den ersten fünf Monaten dieses Jahres einen Nachlass von 475 Mio. Euro gewährt. Rein rechnerisch bedeutet dies für jede Apotheke in diesem Zeitraum im Durchschnitt rund 24.000 Euro weniger. Dieser stattliche Betrag kommt zusammen, weil die Apotheke von jedem auf Kassenrezept verordneten Arzneimittel 1,77 Euro ihres Fixums von 8,35 Euro an die GKV abführen muss. Mein liebes Tagebuch, und was bekommt die Apotheke dafür? Zumindest eine pünktliche Zahlung der abgerechneten Rezepte. Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit wäre. Nun, wir bezahlen dafür und lassen uns ab und an auch mal retaxieren. Zumindest das wird hoffentlich in den nächsten Monaten weniger werden.
19. Juli 2016
Knapp 50 Prozent aller Apotheken werden von Frauen geleitet, unter den approbierten Beschäftigten in Apotheken liegt der Frauenanteil sogar bei über 70 Prozent. Und schaut man sich die Arbeitsplätze in Apotheken insgesamt an, so sind sie zu rund 90 Prozent von Frauen besetzt. Also, Probleme mit der Frauenquote im Apothekenbereich gibt es nicht, im Gegenteil, sie kann sich sehen lassen. Nur in einem Bereich klemmt es: an der Spitze der Berufsvertretung. In den 17+17 Berufsorganisationen sind nur sechs Frauen an der Spitze: drei in Verbänden (Claudia Berger, Saarland; Andrea Lorenz, Brandenburg; Christiane Lutter, Bremen) und drei in Kammern (Ursula Funke, Hessen; Magdalene Linz, Niedersachsen; Gabriele Overwiening, Westfalen-Lippe). Auch ganz oben machen sich Frauen rar: Nur drei sind im geschäftsführenden Vorstand der ABDA neben zehn Männern. Und jetzt hat Claudia Berger, die einzige Frau im geschäftsführenden Vorstand des Deutschen Apothekerverbands, angekündigt, bei den nächsten Wahlen im November nicht mehr antreten zu wollen. Mein liebes Tagebuch, woran liegt es, dass Frauen so unterproportional in berufspolitischen Gremien vertreten sind? Desinteresse? Familiäre Verpflichtungen? Oder einfach nur daran, dass sie sich nicht die männlichen Gockelkämpfe antun wollen? Was auch immer die Gründe sein mögen, irgendwie schade, dass ein von Frauen dominierter Beruf so wenige Frauen an seiner Spitze hat. Mein liebes Tagebuch, wir geben die Hoffnung nicht auf: Eines Tages haben wir eine ABDA-Präsidentin. Versprochen!
Der Apothekertag wirft seine politischen Schatten voraus. Bundestagsabgeordnete aller Couleur ante portas! Holte sich die ABDA im letzten Jahr eine Absage nach der anderen ein, wird sich beim diesjährigen Hochamt der Apotheker im Oktober die gesundheitspolitische crème de la crème auf dem Podium drängeln. Sogar der Bundesgesundheitsminister hat sein Kommen angekündigt. Vorgesehen ist auch eine Diskussionsrunde: Die ABDA im Gespräch mit den gesundheitspolitischen Spitzen. Hach, mein liebes Tagebuch, da gibt es das eine oder andere Thema: Rezepturhonorar, Dokugebühr, Notdienstfonds, Honoraranpassung, Medikationsplan und vielleicht sogar ein EuGH-Urteil zu den Rx-Preisen. Es wird eine Art Schau- und Warmlaufen für das Wahljahr 2017. Dementsprechend vorsichtig wird man die Aussagen der Politprominenz bewerten müssen. Trotzdem, amüsant wird’s auf alle Fälle!
20. Juli 2016
Welches irrwitzige Ausmaß Retaxationen angenommen haben, zeigt eine Bilanz allein des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg. Rund 1,5 Mio. Euro (über das Doppelte mehr als im Vorjahr) wollten die Kassen von den baden-württembergischen Apothekern im vergangenen Jahr wegen angeblicher Form- und sonstigen Rezeptfehlern zurückbehalten. Nach Prüfung durch den LAV zeigte sich, dass fast jede zweite Retaxation unberechtigt war: Rund 900.000 Euro konnte der Verband für seine Mitglieder zurückholen. Mein liebes Tagebuch, das ist gute Arbeit. Aber diese Bilanz macht auch deutlich, dass Krankenkassen bzw. ihre beauftragten Prüfeinrichtungen ungeheuer viel Energie in die Retaxationen stecken: Man versucht Retaxationen als Instrument für potenzielle Kosteneinsparungen einzusetzen. Und die andere Seite: Fast die Hälfte der Retaxationen ist nicht berechtigt. Mein liebes Tagebuch, da kann man schon vermuten, dass die Kassen die eine oder andere Retaxation als Ballon starten lassen – mal sehen, ob sich die dummen Apotheker wehren, probieren können wir’s ja mal. Das sind schon keine Spielchen mehr, das ist Irrwitz. Hoffen wir, dass die neuen Regelungen, die der GKV- und der Apothekerverband über die Schiedsstelle ausgehandelt haben, dazu beitragen, die Retaxationsversuche drastisch zurückzufahren. Wenn man aber jetzt hört, dass Krankenkassen darüber streiten, ab wann die neuen Regelungen gelten sollen und ob vor dem Stichtag 1. Juni noch nicht abgeschlossene Retaxverfahren nicht unter die neuen Regelungen fallen sollen, könnte man aus der Haut fahren. Wie könnten beide Seiten ihre Zeit für sinnvollere Dinge einsetzen als sich mit Retaxkram abzugeben.
21. Juli 2016
Vorwahlkampf bei Apothekers – nein, nicht wirklich, vielleicht nur ein bisschen. Ende November/Anfang Dezember wird neben den geschäftsführenden Vorständen von Bundesapothekerkammer und Deutschem Apothekerverband die ABDA-Spitze zur Wahl antreten. Ehrlich gesagt, mein liebes Tagebuch, mit großen Veränderungen rechnen wir nicht. Das Triumvirat Schmidt, Kiefer, Becker ist gesetzt. Und den Donald Trump der Apotheker, den haben wir nicht. Zum Glück. Auch keine Hillary – wobei eine Frau an der Spitze, die Merkel der Apotheker, leider nicht in Sicht ist. Eine starke Frau als Kopf unserer Berufsvertretung, mein liebes Tagebuch, das wär’s, da könnten wir in den männerdominierten Verbändelandschaften mal punkten. Frauen machen vieles anders und manchmal auch besser. Na gut, träumen hilft nicht. Und manchmal ist Kontinuität auch von Vorteil. Fritz Becker, Chef des Apothekerverbands will sich wieder zur Wahl stellen, da macht er keinen Hehl draus. Er hat für Vielerlei gekämpft, einiges erreicht oder zum Laufen gebracht, z. B. den Fixabschlag für Krankenkassen, den Nacht- und Notdienstfonds. Vielleicht darf er auch schon bald das Rezepturhonorar und die Erhöhung der Dokugebühr als erreichtes Ziel von seiner Agenda streichen. Nur mit einer Sache ist er unzufrieden: die noch offene Dynamisierung des Fixhonorars, eine Anpassung des Apothekerhonorars an Inflation und Lohnsteigerungen. Das zu erreichen treibt ihn an. In die Quere gekommen ist ihm bei seiner Mission, dass das Bundeswirtschaftsministerium ein externes Wirtschaftsbüro mit einem Gutachten beauftragt hat, sich Gedanken zum Apothekenhonorar zu machen. Das Ergebnis wird für 2018 erwartet, dann gibt es auch schon eine neue Regierung. Also, da bleibt für Becker nichts anderes übrig, als wieder neu anzutreten nach dem Motto: mach’s nochmal, Sam.
22. Juli 2016
OK, hat ein bisschen gedauert. Aber immerhin, jetzt will auch unsere ABDA compliant sein. Keine Sorge, mein liebes Tagebuch, sie ist nicht krank, unsere ABDA, sie muss auch nicht dreimal täglich eine Kapsel schlucken. Compliance bei Unternehmen und Verbänden bedeutet nicht Therapietreue oder Einhaltung von Therapierichtlinien, sondern meint die Einhaltung von Gesetzen, Richtlinien und freiwilligen Kodizes. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber gut, wenn man sich explizit dazu bekennt. Das macht man heute so. Und so hat auch unsere ABDA ihre Compliance-Ziele definiert und sich einen Verhaltenskodex gegeben, den sie fortan beachten will. Dieser Kodex gilt fürs Haupt- und Ehrenamt und auch für die Tochtergesellschaften (z. B. Avoxa). In Gang gekommen war die Compliance-Diskussion durch die Vorgänge um den ehemaligen Pressesprecher Thomas Bellartz, insofern hatte die damalige Krise auch ihr Gutes. Im Verhaltenskodex tauchen dann so feine Begriffe auf wie Fairness und Ehrlichkeit, verbraucher- und patientenschützende Normen beachten, wettbewerbsschützende Gesetze beachten, speziell das Kartellrecht, keine Bestechung und Korruption, die Menschenrechte beachten und ein Bekenntnis zu fairen Arbeitsbedingungen. Zu den Zielen gehört beispielsweise auch die Weiterentwicklung einer werteorientierten Verbandskultur. Wie schön! Kurz gesagt: Die ABDA als Interessensvertretung aller Apotheker gibt sich eine besondere Pflicht zur Integrität, Transparenz und Gesetzestreue. Also, mein liebes Tagebuch, das hätten wir auch nicht anders erwartet.
8 Kommentare
Zahlenspielereien...
von Rolf Lachenmaier am 25.07.2016 um 12:39 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
festgeschriebener kassenabschlag
von joe black am 24.07.2016 um 13:59 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: was noch fehlt beim retaxdeal....
von joe black am 24.07.2016 um 15:35 Uhr
Frauen ganz oben
von Dr.Diefenbach am 24.07.2016 um 10:45 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Wenige "Quotenfrau" reichen nicht!
von Thesing-Bleck am 24.07.2016 um 15:00 Uhr
Tagebuch vom 24.Juli
von Heiko Barz am 24.07.2016 um 9:53 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Unhaltbar: Frauenquote in ABDA & Co.
von Thesing-Bleck am 24.07.2016 um 9:24 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Geht doch!
von Ulrich Ströh am 24.07.2016 um 9:14 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.