BPI zum Pharma-Gesetz

Hersteller leiden unter höherem Apothekenhonorar

Berlin - 26.07.2016, 16:20 Uhr

Mehr für Apotheker, weniger für die Industrie? Aus Sicht von BPI-Chef Dr. Martin Zentgraf hat das BMG die Honorarerhöhung für die Apotheker mit den Einsparungen im Pharma-Bereich gegengerechnet. (Foto: Sket)

Mehr für Apotheker, weniger für die Industrie? Aus Sicht von BPI-Chef Dr. Martin Zentgraf hat das BMG die Honorarerhöhung für die Apotheker mit den Einsparungen im Pharma-Bereich gegengerechnet. (Foto: Sket)


Eigentlich war der Pharmadialog ja eine ziemlich einseitige Veranstaltung: Die Pharmaindustrie konnte der Politik ohne Beteiligung der Krankenkassen ihre Wünsche mitteilen. Mit dem dazu vorliegenden Referentenentwurf sind die Hersteller allerdings keineswegs zufrieden – die Kassen aber auch nicht.

Das wichtigste Ziel des Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetzes (AM-VSG) sollte eigentlich die Umsetzung der Ergebnisse aus dem Pharmadialog werden. Dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) in dem Gesetz nun noch eine Honorarerhöhung für die Apotheker unterbringen will, ist nicht das einzige Beispiel dafür, dass das Gesetz als ein sogenanntes „Omnibusgesetz“ genutzt werden könnte – also ein Vorhaben, mit dem möglichst viele offene Baustellen aus der Arzneimittelpolitik angegangen werden.

Eine dieser Überraschungen war, dass das BMG mit dem Gesetz das Preismoratorium vorzeitig bis zum Jahr 2022 verlängern will. Zwar will das Ministerium ab dem kommenden Jahr erstmals einen Inflationsausgleich für die Hersteller einführen. Die Pharmaindustrie protestiert jedoch seit Jahren immer wieder gegen das Sparinstrument, das einst als „temporär“ eingeführt worden war.

BPI: Mehr für Apotheker, weniger für Hersteller

Dementsprechend verärgert fiel die Reaktion der Hersteller aus. „Schon dieser Punkt, also das faktische Einfrieren auf dem Preisstand vom 1. August 2009 (!) für einen derart langen Zeitraum, wird nicht für eine bessere und schon gar nicht für eine sichere Arzneimittelversorgung sorgen“, sagt Dr. Martin Zentgraf, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes der pharmazeutischen Industrie (BPI). Aus Sicht des Pharma-Verbandes werden die mit dem Preismoratorium verbundenen Einsparungen in die Mehrausgaben für das höhere Apothekenhonorar fließen: „Die Begründung, dass zur Verbesserung der Vergütung der Apotheken im Gegenzug Einsparungen bei der pharmazeutischen Industrie generiert werden müssen, ist abenteuerlich und wird die schon bestehende Empörung bei unseren Mitgliedern weiter verschärfen“, erklärt Zentgraf.

Eine direkte Verbindung zwischen dem gesteigerten Apothekenhonorar und dem Preismoratorium ist im Referentenentwurf jedoch nicht zu erkennen. Das BMG listet lediglich die durch das Gesetz entstehenden Mehrausgaben für die Krankenkassen auf, um danach die Einsparungen zu nennen. Einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen dem Apothekenhonorar und den Einsparungen gibt es jedoch nicht.

Kassen wollen niedrigere Umsatzschwelle

In einer gemeinsamen Pressemitteilung beschweren sich zudem alle Pharmaverbände gemeinsam – unter ihnen auch der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) – über „Markteingriffe, die im Pharma-Dialog nie Thema waren, wie zum Beispiel die Verlängerung des Preismoratoriums“. Aber auch mit der vorgeschlagenen Regelung zum Thema „Vertraulichkeit der Arzneimittelpreise“ sind die Verbände unzufrieden. Der Entwurf formuliere zwar klar, dass ausländische Behörden die für Deutschland verhandelten Erstattungsbeträge nicht zur Grundlage ihrer Preisbildung machen dürften. Aber: „Die Konkretisierung fehlt.“ Zur Erklärung: Das BMG will die Vertraulichkeit der Arzneimittelpreise in einer zusätzlichen Verordnung klären. Das Ministerium ließ aber bereits durchblicken, dass weiterhin auch Ärzte und Apotheker den Erstattungsbetrag einsehen können müssen.

Ähnlich verärgert reagierten auf der anderen Seite auch die Krankenkassen auf den Referentenentwurf des AM-VSG. Hier sorgte insbesondere die Höhe des Umsatz-Schwellenwertes für Unverständnis. Das Ministerium will mit dem Vorhaben eine Umsatzschwelle in Höhe von 250 Millionen Euro einführen. Überschreitet ein Unternehmen im ersten Jahr nach Markteinführung diesen Betrag, gilt der Erstattungsbetrag rückwirkend.

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Der AOK-Bundesverband hatte schon nach dem Bekanntwerden einiger Eckpunkte zum AM-VSG bekräftigt, dass die Arzneimittelpreise aus seiner Sicht schon ab Tag Eins nach Markteinführung reguliert werden müssten. Auch am heutigen Dienstag sagte Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-BV: „Bei der Arzneimittelreform brauchen wir einen konkreten Euro-Schwellenwert, der deutlich macht, dass es sich nicht bloß um eine Scheinlösung handelt. Dazu müsste dieser Schwellenwert, wie bei den Orphan Drugs, bei höchstens 50 Millionen Euro liegen. Ungleich wirksamer wäre ohnehin die rückwirkende Geltung des zwischen Pharmaunternehmen und Krankenkassen verhandelten Erstattungsbetrages ab dem ersten Tag nach Markteinführung.“

Auch aus dem Lager der Ersatzkassen hagelte es Kritik. Für den Verband der Ersatzkassen (vdek) gehen die Pläne des BMG „nicht weit genug“. „Es fehlt insgesamt eine in die Zukunft gerichtete Strategie zum Umgang mit sehr hochpreisigen Arzneimitteln. Mondpreise wie zum Beispiel bei den neuen Hepatitis-C-Präparaten müssen ein Ende haben. Denn allein im Jahr 2015 musste die gesetzliche Krankenversicherung für diese neuen Arzneimittel 1,4 Milliarden Euro zusätzlich ausgeben“, sagte Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des vdek. Positiv sei zwar, dass das Preismoratorium für Fertigarzneimittel bis 2022 verlängert werden solle. Dies reiche aber nicht aus, um die Kostenschübe durch hochpreisige neue Arzneimittel zu kompensieren.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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3 Kommentare

Gesundheitskosten

von Heiko Barz am 26.07.2016 um 19:40 Uhr

Irgendwann sollte einmal die Erkenntnis reifen, dass die %Zahl für die Gesundheit - sprich KKassen Anteil - vom normalen Arbeitnehmerlohn, in eine neue Gedankenspirale münden muß.
Wenn der finanzielle Wert, der von den meisten benutzten Freizeitindustrie, zum Vergleich auf die persönlichen Gesundheitskosten herunter gebrochen wird, müßte die individuelle Gesundheit einen wesentlich höheren Werte-Standart erfahren.
Solange aber die Gesundheit (Kosten) weniger wert ist als die Freizeit mit all ihren verrückten Exzessen, und niemand diesen absichtlich verdrängten "Stein" ins Rollen bringen will, ( kann ja auch wahltechnisch sehr unangenehme Folgen haben ) ändert sich an der Strategie der gesundheitlich Verantwortlichen ohne besonderen Druck gar nichts!!
Wir haben in Deutschland einen völlig verschobenen Werte-Canon.
Das persönliche Freizeitverhalten ist bei Weitem wichtiger als die individuelle Gesundheit.
Die Kosten für die individuelle Freizeit werden mit ausgesprochen positiven Erlebnissen verknüpft, dagegen sind die für die Gesundheit aufzubringenden Gelder immer mit unangenehmen Erfahrungen verbunden und ja, in welcher Höhe auch immer, durch den KKassenbeitrag gedeckelt.
So oder ähnlich denkt "Lieschen Müller" und unterliegt dabei einem fatalen Irrum, denn die bei uns geforderten breiten Gesundheitsangebote und Leistungen werden wohl auch durch ständig angehobene Qualitätsnormen finanziell nicht einmal andeutungsweise ausreichend gedeckt.

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:D

von Peter Lahr am 26.07.2016 um 16:50 Uhr

„Schon dieser Punkt, also das faktische Einfrieren auf dem Preisstand vom 1. August 2009"

Ups, das ist für die schon schlimm???? Willkommen in unserer Welt. Dieses Argument dürfte die gleichen Reaktionen der Kassen wie bei uns heraufbeschwören :D a la "Ihr macht doch mit anderen Mitteln Umsatz und Gewinn also ist das ok, und selbst wenn es nochmal 6 Jahre auf dem Niveau von 2009 bleibt, danach dürft ihr auf höchstens 3% mehr hoffen und danach wird erstmal ein Forschungsauftrag zur Preisfindung neuer AM vergeben, außerdem verkauft ihr doch ach so viele Packungen mehr, das muss berücksichtigt werden"

Ich könnte mich totlachen........

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AW: Richtig...

von Bernd Jas am 27.07.2016 um 9:09 Uhr

...Herr Lahr,
jedoch haben Sie noch einen Punkt vergessen.
Nämlich diesen, dass BPI-Chef Dr. Martin Zentgraf zu sagen lernen muss:
"Es hätte schlimmer kommen können!"

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