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Hilfe, die Politik will uns für dumm verkaufen! Sie gewährt uns ein putziges Rezepturhonorar und deckelt dafür die 3-Prozent-Marge! Und die Krankenkassen meinen, wir sollten erstmal unseren Bedarf für ein Rezepturhonorar nachweisen. Mein liebes Tagebuch, das sind Grüße aus Absurdistan.
25. Juli 2016
Neue Arzneimittel haben einen echten Preis, den Erstattungspreis, also den, den die Krankenkassen bezahlen, und einen Phantompreis, der nur auf dem Papier steht, den Listenpreis. Der dient nur dazu, den Preis nach außen, vor allem in Richtung Ausland, hoch zu halten. Denn der deutsche Preis eines Arzneimittels ist in vielen Ländern Referenzpreis. Die Pharmaindustrie möchte nicht, dass sich die in Deutschland ausgehandelten niedrigen Erstattungspreise auf die Preise im Ausland auswirken. Verständlich. Daher sollte der Erstattungspreis vertraulich bleiben. Lässt sich aber nicht wirklich machen, denn zur Berechnung von Mehrwertsteuer sowie den Aufschlägen für Großhandel und Apotheke müssen gewisse „Stellen“ den Preis kennen. Wie soll das gehen? Das Ministerium will nun per Verordnung regeln, dass die Erstattungspreise nicht in öffentlichen Listen stehen, aber Ärzte und Apothekern sollten sie einsehen können. Die Apotheken müssen den Erstattungsbetrag kennen, um ihre Einkaufspreise kalkulieren zu können. Mein liebes Tagebuch, die Preisbildung im Pharmamarkt wird immer komplizierter. Der Erstattungsbetrag wird kein Geheimpreis sein, wer ihn wissen will, wird ihn erfahren können. Ob sich das Ausland auch weiterhin nach Phantompreisen richtet?
Nach offiziellen Berechnungen werden es insgesamt 85 Mio. Euro sein, die die Apotheken für die Rezepturherstellung und die Dokugebühren bei BtM-Rezepten mehr erhalten werden. Im einzelnen: Für die Herstellung einer Rezeptur soll die Apotheke in Zukunft 8,35 Euro zusätzlich erhalten, außerdem einen Euro mehr bei den Arbeitspreisen. Einen Aufschlag von 16 Cent für den Nacht- und Notdienst wird es allerdings nicht für die neue Rezepturvergütung geben, aber natürlich geht der Kassenrabatt von 1,77 Euro ab. Und die Gebühr für BtM- und T-Rezepte steigt auf 2,91 Euro. Einschließlich Umsatzsteuer zahlen die Krankenkassen so rund 100 Mio. Euro mehr an die Apotheken. Ja, und nun mein liebes Tagebuch, Grund zur Freude? Gemach, gemach. Ganz abgesehen davon, dass 85 Millionen nicht die Welt sind und das Rezepturgeschäft nach wie vor ein Zuschussgeschäft ist: Wir stehen erst im Stadium des Referentenentwurfs dieses Gesetzes. Da sind noch einige Hürden und Ressortabstimmungen zu nehmen. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte beispielsweise immer wieder betont, dass die Arzneimittelpreisverordnung solange nicht geändert wird, bis das Gutachten zum Apothekenhonorar vorliegt. Tja, und nun?
26. Juli 2016
Hach, schon geht das Gekeife los. Für eine Erhöhung des Rezepturhonorars haben die Krankenkassen null Verständnis. Das war zu erwarten, sie wehren sich mit Händen und Füßen dagegen. Sie wollen erst das Gutachten abwarten und dann über Änderungen diskutieren. Denn: „Wenn man die Apothekenvergütung ändern will, sollte man erst einmal feststellen, ob es tatsächlich einen belegbaren und nicht nur einen behaupteten Bedarf gibt“, sagt der GKV-Spitzenverband. Mein liebes Tagebuch, ist dieser Spitzenverband noch von dieser Welt? Belegbar ist das von Anfang an fehlende Honorar für die Abgabe eines Rezepturarzneimittels. Es war nie korrekt, dass die Apotheke nur für Fertigarzneimittel 8,35 Euro bekommt, aber nicht für eine Rezeptur. Arzneimittel ist Arzneimittel, der Beratungsbedarf ist bei beiden gegeben. Die Kassen sollten froh sein, dass wir keine Nachzahlung für entgangene Rezepturhonorare fordern. Jawoll, so sieht’s aus.
Außerdem – und darauf weist selbst das Bundesgesundheitsministerium in seiner Gesetzesbegründung hin – müssten auch die gesteigerten Anforderungen an Rezepturen, die mit der letzten Apothekenbetriebsordnung einführt wurden, berücksichtigt werden. Auch das, mein liebes Tagebuch, ist belegbar und längst überfällig.
Und was sagt die ABDA zur beabsichtigten Erhöhung von Rezepturhonorar und Dokugebühr? Es sind „richtige Steuerungsimpulse“, meint der ABDA-Präsident politisch zurückhaltend. Die Versorgung mit individuellen Rezepturarzneimitteln werde gestärkt und der Gesetzgeber löse eine lang bestehende Bringschuld bei der Dokugebühr ein. Mein liebes Tagebuch, das kann man so sehen. Andererseits, so richtig stärker wird die Rezepturherstellung dadurch nicht, denn ein Arbeitspreis für eine Salbe, der um einen Euro von fünf auf sechs Euro erhöht wird, ist noch immer ein Dumpinglohn und liegt noch weit unter Mindestlohn. Das Know how und die Verantwortung bei der Herstellung, die Prüfungen der Substanzen, die Plausibilitätsprüfung, die Dokumentation – die Rezepturherstellung bleibt auch nach der „gesundheitspolitisch klugen“ Anpassung ein Geschäft, bei dem die Apotheke drauflegt. So sieht’s aus.
27. Juli 2016
Mit der SPD ist kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Der Eiertanz zur geplanten Vergütungserhöhung bei Rezeptur und Dokumentation spricht Bände. Sabine Dittmar, die für Apotheken zuständige Berichterstatterin der SPD-Fraktion, meint, dass die Anpassung der Vergütungen längst überfällig ist. Fein. Aber was ist mit der angekündigten Deckelung der 3-Prozent-Marge des Apothekerhonorars? Die will sie nicht komplett vom Tisch haben, sagt sie vorsichtig – „aus Kostengründen“. Denn dass bei Hochpreiserpackungen mehrere hundert Euro an die Apotheke flössen, lasse sich weder mit Beratungsaufwand noch mit Vorfinanzierungskosten begründen, so ihre Meinung. Mein liebes Tagebuch, wer als Politiker so über Apotheke denkt, hat Apotheke nicht verstanden. Schade.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Hilde Mattheis, fackelt nicht lange. Sie hält eine Deckelung ohne Umschweife für richtig. Und Karl Lauterbach als stellvertretender Fraktionsvorsitzender möchte den Apothekern überhaupt keine Vergütungserhöhungen zugestehen. Er kritisierte im Namen der gesamten Fraktion den Gesetzesvorschlag des Gesundheitsministeriums. Mein liebes Tagebuch, das kann noch richtig drollig werden. Von einer Vergütungserhöhung sind wir noch etliche Diskussionen und noch einige zu findende Mehrheiten entfernt. Aber das Schärfste wäre wohl: Die Politik gesteht uns generös mehr Honorar bei Rezepturen und Dokumentation zu und holt sich die Mehrausgaben über eine Deckelung der 3-Prozent-Marge zurück, Motto: „Liebe Apotheker, seid uns dafür dankbar, dass Ihr Eure Rezepturvergütung selbst finanzieren dürft!“ Mein liebes Tagebuch, mit uns kann man’s ja machen, oder?
28. Juli 2016
Das kann ich nicht verstehen: Einerseits möchte die niederländisch-schweizerische Versandapotheke DocMorris ihr pharmazeutisches Image aufpolieren, sie gibt sich innovativ, übt sich in der (Video-)Beratung, macht Checks auf Neben- und Wechselwirkungen und versucht sich sogar an einer Art Mini-Medikationsmanagement. Und auf der anderen Seite will das Unternehmen Kunden locken mit Methoden, die so gar nichts mit echtem Wettbewerb zu tun haben: Die Versandapo stellt ihren Kunden Quittungen über Zuzahlungen aus, die diese gar nicht geleistet haben. Wie passt das zusammen? Gar nicht. Mit falschen Quittungen werden die Kassen getäuscht und das Finanzamt hintergangen. Das Landgericht Ravensburg hat DocMorris nun untersagt, falsche Zuzahlungsquittungen auszustellen – Verstoß gegen das geltende Wettbewerbsrecht. Jetzt wär’s mal an der Zeit, dass DocMorris „sorry“ sagt und Besserung gelobt. Und dann gleich noch die ausstehenden Ordnungsgelder überweist, die das Oberlandesgericht Köln verhängt hat wegen rechtswidriger Rx-Boni und Kundenfangprämien.
29. Juli 2016
Mein liebes Tagebuch, wie sieht’s bei uns Apothekers eigentlich mit dem berufspolitischen Interesse aus? Ich habe mir die Frage vor dem Hintergrund der Kammerwahl in Baden-Württemberg gestellt, die erst vor wenigen Wochen stattfand. Baden-Württembergs Kammerpräsident Hanke brachte die Wahl so auf den Punkt: Bewerbungen top, Wählerstimmen flop! Im Klartext: Es hatten sich so viele Kandidatinnen und Kandidaten wie schon lange nicht mehr für die kommende Vertreterversammlung beworben. Unter ihnen erfreulich viele junge Kolleginnen und Kollegen. Super, dass das Interesse an der Kammerarbeit so groß ist. Und jetzt der Dämpfer, der Flop: Die Wahlbeteiligung lag bei knapp unter 30 Prozent. Das ist, wie auch Hanke es kommentierte, schade. Mehr noch: Mich hat das traurig und nachdenklich gestimmt. Auch in anderen Kammerbereichen ist die Wahlbeteiligung nicht unbedingt berauschend hoch. Es gibt auf der einen Seite – und das ist erfreulich – eine Schar an Apothekerinnen und Apothekern, die sich gerne in die Kammerarbeit einbringen wollen. Auf der anderen Seite gibt es eine weitaus größere Zahl an Kolleginnen und Kollegen, deren berufspolitisches Interesse so gering ist, dass sie nicht einmal wählen wollen. Die sich nicht damit auseinandersetzen wollen, wer sie in der Vertreterversammlung vertreten soll. Woran liegt’s? Interessiert sich die Mehrheit nicht für Kammerarbeit und Berufspolitik? Hat das gar damit zu tun, dass die Mehrheit weiblich ist? Was könnte man tun, um die Wahlbeteiligung weit über 30 Prozent zu heben? Wie lässt sich Berufspolitik schmackhaft machen?
13 Kommentare
SPD und Vergütungserhöhung (27.Juli)
von Martin Haas am 04.08.2016 um 14:53 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Honorar
von Karl Friedrich Müller am 01.08.2016 um 11:52 Uhr
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Warum?
von Christian Giese am 31.07.2016 um 21:56 Uhr
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Berufspolitik schmackhaft ?
von Reinhard Rodiger am 31.07.2016 um 12:17 Uhr
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Das Rezeptur-Handwerk hat doppelten Boden - Pferdehändler, das goldene Referenz-Kalb und der nackte Kaiser
von Andreas P. Schenkel am 31.07.2016 um 10:27 Uhr
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AW: Cave: 'Schere im Kopf' .......
von Gunnar Müller, Detmold am 31.07.2016 um 14:06 Uhr
AW: @Gunnar Müller / Spaltung durch Qualität? Siggi in der Blackbox
von Andreas P. Schenkel am 31.07.2016 um 15:45 Uhr
AW: German GMP: Die schlechtest-honorierte Handwerksleistung europaweit
von Wolfgang Müller am 31.07.2016 um 18:15 Uhr
AW: AW: @Wolfgang Müller
von Andreas P. Schenkel am 31.07.2016 um 21:56 Uhr
AW: Missverständnis "Amortisation"
von Wolfgang Müller am 01.08.2016 um 14:25 Uhr
Kontinuität oder Mut zur Veränderung ?
von Ulrich Ströh am 31.07.2016 um 9:11 Uhr
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Willkommen auf der Supernova
von Gunnar Müller, Detmold am 31.07.2016 um 9:06 Uhr
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Warum ist die Wahlbeteiligung bei Kammer - Wahlen so niedrig?
von Thesing-Bleck am 31.07.2016 um 9:02 Uhr
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