- DAZ.online
- News
- Apotheke
- Das Ende der ambulanten ...
Gastbeitrag zu den Folgen von Zyto-Ausschreibungen
Das Ende der ambulanten Palliativversorgung?
Zytostatika-Ausschreibungen stehen in der Kritik, weil Exklusivverträge die wohnortnahe und individuelle Versorgung abmulant behandelter Krebspatienten gefährden können. Doch die Risiken gehen noch viel weiter, meint der Apotheker Dr. Franz Stadler: Auf dem Spiel stehe auch die Palliativversorgung.
Die ambulante Palliativversorgung ist ein beliebtes Steckenpferd vieler Politiker. Todkranken Patienten für ihre letzten Tage einen Aufenthalt zu Hause, in ihrer gewohnten Umgebung, zu ermöglichen, ist ein unumstritten ehrenwertes Unterfangen. Schmerzfreiheit vorausgesetzt, bevorzugen die meisten Menschen diese Art, den unvermeidlichen letzten Weg zu gehen. Doch diese Palliativversorgung im trauten Heim wird durch die Ausschreibung der ambulanten Versorgung mit parenteralen Infusionslösungen gefährdet. Dabei geht es, wie immer, um das liebe Geld.
Warum ist die Palliativversorgung gefährdet?
Die ambulante Palliativversorgung für sich betrachtet ist aus Sicht der Apotheken notwendig und sinnvoll, aber eben defizitär. Sie wird schon von jeher aus den Gewinnen der onkologischen Versorgung beziehungsweise der Herstellung von parenteralen Ernährungslösungen mitfinanziert. Ausschreibungen und damit schwindende oder gar wegfallende Gewinne in diesen Bereichen gefährden also indirekt den Fortbestand der Palliativversorgung. Warum ist das so?
Die Palliativversorgung ist eine aufwendige und komplizierte Versorgung. Sie erfordert ein genau abgestimmtes, reibungsloses und vor allem sehr schnelles Zusammenarbeiten verschiedener Leistungserbringer. Das fängt beim entlassenden Krankenhaus an, geht über den Onkologen/ behandelnden Arzt, das SAPV-Team, gegebenenfalls eine Palliativ-Care-Schwester bis hin zur versorgenden Apotheke. Selten lebt ein ambulanter Palliativpatient drei Wochen nach Behandlungsbeginn noch, in vielen Fällen dauert die Versorgung eines Patienten nur wenige Tage. Umso höher ist der Zeitaufwand für die Organisation der Versorgung.
Hoher Aufwand für Apotheken
Für die Apotheke bedeutet das eine Vielzahl von zeitaufwendigen Tätigkeiten, angefangen vom korrekten Handling der BtM-Rezepte, die schon vor Behandlungsbeginn in der Praxis abgeholt werden müssen. Neben der Befüllung der Schmerzkassetten unter Reinraumbedingungen, dem Bereitstellen der benötigten Begleitmedikation und sehr spezieller Hilfsmittel fallen darunter auch die fälligen Genehmigungen für die Schmerzpumpe selbst, wobei jede Krankenkasse mehr oder weniger umständlich reagiert und damit mehr oder weniger Arbeit verursacht. Nicht zuletzt muss in vielen Fällen die Apotheke dafür sorgen, dass die komplette Versorgung punkt- und zeitgenau beim Patienten angeliefert und nach dessen Tod die Schmerzpumpe auch wieder abgeholt wird. Und natürlich ist eine 24-Stunden-Rufbereitschaft sicherzustellen. Die Schmerzpumpe sollte nie ausfallen, die Medikamentenversorgung nicht unterbrochen werden.
Gemeinsames Ziel aller Beteiligten ist es, den Sterbenden Schmerzen zu ersparen und einen friedlichen Abschied zu ermöglichen. Dafür schien jeder Aufwand gerechtfertigt.
Keine Kostendeckung
Deshalb wurde es auch von vielen Apotheken bisher hingenommen, dass die Bezahlung für ihren Aufwand in der Palliativversorgung leider nicht kostendeckend war. Für die Befüllung der Schmerzkassetten unter Reinraumbedingungen werden unzureichende 50 Euro bezahlt, für die meist nicht-patentgeschützten, niedrigpreisigen Wirkstoffe müssen laut Hilfstaxe 10 Prozent Rabatt auf den zweitgünstigsten Einkaufspreis gegeben werden, was zu erheblichen Lageraufblähungen führt, und die Schmerzpumpen werden je nach Kasse sehr unterschiedlich und meist pauschal vergütet. Einer sauberen, kaufmännisch notwendigen Vollkostenanalyse hielte diese Vergütung in kaum einem Fall stand.
Quersubventionierung über onkologische Zubereitungen
Trotzdem blieben die herstellenden Apotheken in diesem Bereich bisher engagiert, weil sie – im Interesse ihrer Patienten – den betriebswirtschaftlichen Strich eben nicht unter der zeitintensiven, ambulanten Palliativversorgung, sondern unter der gesamten parenteralen Versorgung (Onkologie und gegebenenfalls Ernährung) zogen. Durch das gnadenlose Umsetzen des Wirtschaftlichkeitsgebotes zerstören die Krankenkassen aber jetzt mithilfe der Ausschreibungen der parenteralen Versorgung mutwillig das ganze Gefüge. Für viele lokale Versorger wird bald auch unter dem Strich einer Vollkostenanalyse der gesamten parenteralen Versorgung eine rote Zahl stehen. Es wird zu einer Schließung von Reinräumen vor Ort und damit letztlich zu einer deutlichen Verlängerung der Reaktionszeiten auch der ambulanten Palliativteams kommen. Möglicherweise wird dadurch ihre gesamte Arbeit sinnlos.
Sparpolitik nicht zu Ende gedacht
Und das alles wird die Konsequenz einer wenig durchdachten Sparpolitik der Kassen sein, die offensichtlich das Wohl ihrer Versicherten aus den Augen verloren haben. Trotz durchaus vorhandener Alternativen halten die Kassen stur an ihrem einmal eingeschlagenen Weg der Ausschreibung parenteraler Versorgungen fest. Vielleicht sollten alle Beteiligten noch einmal über ihre eigentlichen Aufgaben nachdenken. Das Wohlergehen unserer Sterbenden zu vernachlässigen, ist ein kaum zu glaubendes Armutszeugnis unserer Gesellschaft. Schließlich werden wir alle einmal sterben müssen – mit oder ohne ambulante Palliativversorgung. Es ist unsere eigene Entscheidung.
Ein Gastbeitrag von Dr. Franz Stadler, Erding
2 Kommentare
Weitergedacht
von Bernd Jas am 10.08.2016 um 17:17 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Es
von Andreas Dömling am 10.08.2016 um 12:16 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.