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Der Heil- und Hilfsmittelmarkt ist ein Milliardengeschäft. Die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) haben 2015 rund 13,73 Milliarden Euro dafür ausgegeben. Doch die Qualität der Hilfsmittel lässt oft zu wünschen übrig. So sind sie beispielsweise nicht immer auf dem neuesten technischen Stand. Das will Gesundheitsminister Gröhe ändern.
Nach Klagen über die vielfach schlechte Qualität der von den Kassen bezahlten Hilfsmittel, wie wenig saugfähige, billige Windeln, will Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) den Katalog der Hilfsmittel auf den aktuellen technischen Stand bringen und diesen regelmäßig anpassen lassen. Häufig zwang die schlechte Qualität Patienten zu Aufzahlungen, um bessere Hilfsmittel zu bekommen. Mit angestoßen hatte die Überarbeitung die Initiative des Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann, der öffentlichkeitswirksam die schlechte Qualität der Inkontinenzversorgung kritisiert hatte.
Daher muss der GKV-Spitzenverband in nächster Zeit sein Sortiment mit 35.000 Einzelprodukten auf den aktuellen Stand der Technik bringen. Zudem müssen die Kassen ihren Versicherten eine größere Auswahl innerhalb der jeweiligen Hilfsmittelgruppen – etwa bei Hörgeräten, Rollstühlen oder Windeln – zur Verfügung stellen, ohne dass diese draufzahlen müssen. Und alles dies soll besser kontrolliert werden.
„Die Laumann-Initiative hat bewirkt, dass die Qualität der Hilfsmittel in den Fokus der Politik, aber auch der Kassen gehoben wurde. Aber auch die Qualität der Beratung und der mit der Versorgung in Verbindung stehenden Dienstleistungen muss berücksichtigt werden. Konterkariert wurden diese Bemühungen allerdings durch das Verhalten einiger Kassen, die Inkontinenzversorgungsverträge zum Beitritt mit dramatisch niedrigen Pauschalen anbieten.“
Patienten sollen besser beraten werden
Allerdings sollen Patienten auch besser bei der Versorgung mit Hilfsmitteln wie Windeln oder Rollstühlen besser über die jeweiligen Angebote der Hersteller informiert werden. Das Vorstandsmitglied der Siemens-Betriebskrankenkasse (SBK), Gertrud Demmler, sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Krankenkassen müssten Patienten frühzeitig beraten, damit diese die für ihre Bedürfnisse richtige Entscheidung treffen könnten. Gröhe müsse daher in seinem Referentenentwurf für ein neues Heil- und Hilfsmittelgesetz das Beratungsrecht der Patienten stärken, forderte Demmler. Zudem müssen nach Ansicht der SBK alle Krankenkassen die verbindlichen Qualitätsstandards bei Hilfsmitteln einhalten.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte Gröhe auf, die Qualitätskontrolle der Hilfsmittel einem unabhängigen Institut zu übertragen. Anhand dieses Hilfsmittel-TÜV könnten Patienten, Ärzte und Krankenkassen eine gute Auswahl treffen, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch. Im Übrigen sollten künftig nicht nur – wie geplant – Arzt und Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK) die Wahl der Hilfsmittel verantworten. „Qualifizierte Pflegekräfte müssen endlich ein Recht bekommen, selbstständig Hilfsmittel zu verordnen." Für die Entscheidung über Pflegematratzen oder Inkontinenz-Einlagen seien vor allem Pflegepraxis und Wissen um die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen notwendig, argumentierte Brysch.
Milliardenausgaben
Die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) gaben 2015 für Heil- und Hilfsmittel zusammen rund 13,73 Milliarden Euro aus. Das waren immerhin 6,8 Prozent ihrer Gesamtausgaben von 202 Milliarden Euro. Für die medizinischen Hilfsmittel beliefen sich die Kosten auf rund 7,63 Milliarden Euro. Von 2013 auf 2014 stiegen diese Ausgaben um 8,9 Prozent und von 2014 auf 2015 um 2,6 Prozent. Angesichts der alternden Gesellschaft und des technischen Fortschritts werden die Ausgaben wohl auch künftig deutlich wachsen.
Mehr Verantwortung für Physiotherapeuten und Co.
Gröhes Referentenentwurf zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung sieht neben der Überarbeitung des Hilfsmittelkatalogs auch Änderungen bei der Heilmittelverordnung vor. Heilmittel sind medizinische Behandlungen, die von Vertragsärzten verordnet und von speziell ausgebildeten Therapeuten erbracht werden, zum Beispiel Anwendungen der Physiotherapie wie Krankengymnastik, Massagen und Wärmebehandlungen sowie der Logopädie bei Stimm-, Sprech-, und Sprachstörungen.
In Modellversuchen soll festgestellt werden, ob für die Behandlung die Verantwortung vom Arzt weg hin zu Physio- und Ergotherapeuten oder Logopäden verlagert werden kann. Im Gespräch ist eine „Blankoverordnung", bei der der Arzt zwar weiter die Diagnose stellt und die erforderliche Behandlungsmethode festlegt, der Therapeut aber selbst Art, Dauer und Häufigkeit der Therapie bestimmt. Bisher lag beides beim Arzt. Offen ist, wer dann die finanzielle Verantwortung für eine Therapie übernimmt. Hier zögern die Verbände der Heilmittelerbringer noch.
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