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Schlingerkurs der ABDA beim Rx-Boni-Verbot? Keine Sorge, keep calm! Die Linke pro Apothekerhonorar? Was sagen Sarah und Oskar dazu? Schrott-Hilfsmittel aus post-re-präqualifizierten Apos? Drückt endlich den Reset-Knopf! Und Telemedizin und Online-Rezepte durch die Hintertür? Nein, in BaWü einfach so durchs Internet. Oh, mein liebes Tagebuch.
8. August 2016
Kurswechsel der ABDA in Sachen Rx-Boni? Kurswechsel? Welcher Kurs? Wenn man den Kurs wechselt, muss mal erstmal einen haben. Und der war bei der ABDA, na, sagen wir mal so, nicht so richtig wirklich zu erkennen, es sei denn: Abwarten und Tee trinken ist auch ein Kurs. Also, wo soll’s denn nun lang gehen? Von vorne: In der Schlacht gegen den Versandhandel wollte sich der ABDA-Präsident eigentlich nicht mehr aufreiben. Er habe seinen Frieden damit gemacht – hat er gesagt. Und als der EuGH-Generalanwalt im Streit um Rx-Boni vor Kurzem sein bitterböses Plädoyer zündete, in dem er sich dafür ausspricht, dass ausländische Versandapotheken Nachlässe auf verschreibungspflichtige Arzneimittel gewähren dürfen, und sich dadurch eine deutliche Gefahr abzeichnete, dass dies das Ende des einheitlichen Rx-Preises auch für Deutschland bedeuten könnte, hieß es bei der ABDA: Keep calm and trust me. I’m your chief-pharmacist, I know it better. Im Klartext: Zu einer vorgezogenen Forderung nach einem Verbot des Rx-Versandhandels wollte man sich nicht hinreißen lassen. Und ABDA-Chefjurist Tisch hatte sogar sein Pokerface aufgesetzt: Apothekers, regt euch nicht auf, das Plädoyer des Generalanwalts ist Pipifax! Doch so ganz wohl war’s unserem ABDA-Präsidenten dann sichtlich doch nicht angesichts dieser gespielten Nonchalance. Er ließ eine präsidiale Nachricht durch die Online-Medien bekannter Tageszeitungen rauschen mit dem Tenor: Also, na ja, sollte das Gericht tatsächlich dem Generalanwalt folgen und Boni auf Rx zulassen, dann, ja dann plädiere ich schon für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Das ist zwar nicht wirklich überraschend, mein liebes Tagebuch, aber er hat’s zumindest mal ausgesprochen. Endlich! Warum nicht gleich so! Das Herumgeeiere und die künstlichen Beschwichtigungsformeln der letzten Wochen hätte man sich auch sparen können
9. August 2016
Das kann man alles unterschreiben, was Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, von sich gab: Sie findet es richtig, dass das Apothekenhonorar thematisiert wird und es für Rezepturen mehr Honorar geben soll. Sie kann es allerdings nicht verstehen, dass der Notdienstzuschlag nicht auch auf Rezepturarzneimittel angewendet werden soll. Und am liebsten wäre es ihr, wenn man klar definierte Kriterien für eine kostendeckende Honorierung festlegen und eine Dynamisierung des Apothekenhonorars einführen würde. Außerdem: Der Versandhandel ist für sie keine Alternative, um Flächenregionen zu versorgen. Schon eher eine Arzneimittelversorgung per Rezeptsammelstelle, allerdings müsste dann diese Präsenzapotheke einen Aufwandsausgleich für die vorgeschriebene pharmazeutische Betreuung bekommen. Und schließlich: Eine Deckelung der 3-Prozent-Marge hätte nur geringe Auswirkungen auf die Kassenausgaben und wäre in sich nicht plausibel. Mein liebes Tagebuch, so ist es. Alles richtig. Nur: Hat sie das auch schon mit Sarah und Oskar besprochen?
Klinische Studien aus Indien: gravierende Mängel wie etwa manipulierte Patientenproben, Mängel beim Qualitätsmanagementsystem. Mehrere Arzneimittel (etwa Malacomp und Saquinavir), die aufgrund solcher Studien zugelassen wurden, sind nun nicht mehr verkehrsfähig, das BfArM hat das befristete Ruhen der Zulassungen angeordnet. Mein liebes Tagebuch, wundern wir uns darüber? Ist das eine Folge, alles immer billiger haben zu wollen? Alles outsourcen? Ab nach Indien? Irgendwann bekommen wir alles zurück.
10. August 2016
Alles immer nur noch billiger ist auch der Trend bei Hilfsmitteln. Die Kassen bezahlen nur das Billigste und das ist vielfach von miserabler Qualität, z. B. Billig-Windeln, die kaum saugen. Der Bundesgesundheitsminister will mit einem neuen Heil- und Hilfsmittelgesetz dafür sorgen, dass Hilfsmittel auf dem aktuellen technischen Stand sind und bleiben. Eine lobenswerte Initiative. Dann sollte der Minister mit diesem Gesetz sich auch gleich um die Präqualifizierung und Re-Präqualifizierung und bald auch noch um die Post-re-präqualifizierung der Apotheken kümmern – und das ginge ganz einfach: alles streichen! Mein liebes Tagebuch, es ist an Absurdität nicht zu überbieten, wenn die Kassen einerseits nur noch Billigschrott an Hilfsmitteln bezahlen und die Apotheken, die diese Hilfsmittel abgeben sollen, einen Präqualifizierungsnachweis aufs Parkett legen müssen, der an bürokratischen Anforderungen kaum noch zu überbieten bist. Bürokratie, Knebelverträge und am Ende zahlt man sogar noch drauf. Wie passt das zusammen? War es nicht von Anfang an Kassen-Sadismus, vom Fachgeschäft Apotheke überhaupt Qualifizierungen zu verlangen? Und wir Apotheker-Masochisten haben uns darauf eingelassen. Wann wird hier endlich mal der Reset-Knopf gedrückt!
11. August 2016
Hilfe, wir finden keine Mitarbeiter! Mein liebes Tagebuch, diesen Hilferuf wird man vermutlich in Zukunft noch häufiger von Apotheken hören. Eine Umfrage unter Apothekenleitern zeigt: Für sechs von zehn ist es ein Problem, offene Stellen adäquat zu besetzen. Vor allem Vollzeitmitarbeiter sind gefragt und schwer zu bekommen. Warum ist das so? Eigentlich ist die Apotheke als Arbeitsplatz in aller Regel attraktiv: beruflich anspruchsvoll und abwechslungsreich, ein sauberer und komfortabler Arbeitsplatz, oft nicht allzu weit vom Wohnort entfernt, flexible Arbeitszeiten, meistens ein supertolles Team und – natürlich – ein verständnisvoller Chef oder eine aufgeschlossene Chefin. Mein liebes Tagebuch, es gibt aber hin und wieder auch andere Szenarien: schlechtes Betriebsklima, beengte Arbeitsplätze, Mitarbeiter, die zwischen Kisten und Kartons sitzen müssen – und im Vergleich zu anderen akademischen Berufen im Gesundheitswesen hält sich das Gehalt in Grenzen.
Die Gründe, warum Apotheken in Zukunft um Personal werben müssen, dürften allerdings tiefer liegen: Zum einen darin, dass es für Pharmazeuten auch andere reizvolle Arbeitsplätze außerhalb der Offizin gibt, z. B. in der Industrie und hier oft zu besseren Konditionen. Und zum andern: Über 80 Prozent der Pharmaziestudierenden sind weiblich, das bedeutet, sie stehen dem Arbeitsmarkt nur eingeschränkt zur Verfügung wegen Mutterschaft und Erziehungszeiten (Teilzeit). Mein liebes Tagebuch, Apotheken werden sich etwas einfallen lassen müssen, um die Aufmerksamkeit potentieller Mitarbeiter(innen) auf sich zu ziehen. Ganz wichtig: Den Internetauftritt der Apotheke nicht vernachlässigen! Sie ist heute eine Visitenkarte der Apotheke. Junge Menschen, die sich heute einen Arbeitsplatz in der Apotheke suchen, checken im Vorfeld als erstes den Internetauftritt!
12. August 2016
Die Telemedizin soll ausgebaut werden, aber die Fernbehandlung durch Ärzte sollte doch bitte verboten bleiben. Das ist wie der Wunsch des Bären: Wasch mir den Pelz, aber bitte mach mich nicht nass. Mein liebes Tagebuch, wie dieser Spagat ausgeht, kann man mit Blick nach Baden-Württemberg erahnen: Der Bär fällt ins Wasser. Dort hat die Landesärztekammer beschlossen, Modellprojekte, in denen ärztliche Behandlungen ausschließlich über Kommunikationsnetze durchgeführt werden, zuzulassen. Also, man probiert schon mal, ob und inwieweit eine Behandlung per Videokontakt möglich ist. Konsequenterweise dürfte dann auch das geplante Verbot, online Rezepte auszustellen, wackeln. Denn per Video behandeln, aber kein Rezept ausstellen dürfen, macht wenig Sinn. Die Frage ist nur: Wie hält man aus diesen Projekten Schmuddelrezepte von Online-Docs fern? Wie lässt sich seriös von fake unterscheiden? Geht gar nicht. Also wäre ein Verbot von Fernbehandlung doch die einzige Lösung? Wahrscheinlich läuft alles darauf hinaus wie damals bei der Zulassung von Versandapotheken: Von irgendeiner Seite kommt Druck auf die Politik und sie knickt ein. Die Bürgerinnen und Bürger wollen das, heißt es dann. Und ein Blick ins nahe Ausland zeigt: In der Schweiz und in Schweden laufen die Arztkonsultationen per Video bereits an. Und wenn die Schalte direkt aus der Apotheker heraus erfolgt, der Patient sich in der Apotheke z. B. im Beratungsraum online mit dem Arzt verbindet, kann das Rezept in die Apotheke geschickt und sofort eingelöst werden. Mein liebes Tagebuch, in ein paar Jahren werden wir darüber nicht mehr diskutieren, dann gibt es den Kassenstandard-Tarif inklusive Online-Behandlung. Wer persönlich in die Sprechstunden will, zahlt extra, das ist dann IGeL.
2 Kommentare
Maßgebliches Hintergrundrauschen
von Bernd Jas am 14.08.2016 um 10:38 Uhr
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Ende fixer Preisspannen im Herbst
von Ulrich Ströh am 14.08.2016 um 8:54 Uhr
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