Spiritus Juniperi

Apotheker Dry Gin – eine wiederentdeckte Spezialität aus der Offizin

Bad Homburg - 15.08.2016, 16:00 Uhr

Die Rezeptur wurde zusammen mit einem Bad Homburger Apotheker entwickelt. (Foto: Alles)

Die Rezeptur wurde zusammen mit einem Bad Homburger Apotheker entwickelt. (Foto: Alles)


Nach über 80 Jahren hat Spirituosenfabrikant Steffan Alles eine Bad Homburger Spezialität wiederbelebt. Der Apotheker Dry Gin, der um 1850 erstmals in dem hessischen Heilbad im Taunus destilliert wurde, verdankt seinen Namen dabei der damaligen Mithilfe eines Apothekers bei der Rezeptur des ursprünglich als Medizin verwendeten Hochprozentigen.

Erst seit Anfang August gibt es ihn wieder in Flaschen – den Bad Homburger Apotheker Dry Gin. Zuletzt hatte ihn die Firma Fritz Scheller Söhne in dem hessischen 51.000-Einwohner-Heilbad Bad Homburg im Taunus vor dem Zweiten Weltkrieg produziert. Nun hat Stefan Alles, der seit dem Jahr 1996 die Markenrechte der historischen Weinbrennerei und Likörfabrik innehat, die Spezialität wiederaufleben lassen.

Foto: Alles
Abgefüllt wird in Flaschen, die Standgefäßen nachempfunden sind. 

Spiritus Juniperi steht auch auf den heutigen Flaschen 

„Fritz Scheller hat damals um das Jahr 1850 herum mit dem Apotheker der Bad Homburger Engel-Apotheke Dr. Julius Hoffmann zusammengearbeitet, um die Rezeptur des Gins zu entwickeln“, erklärt Alles den Namen der hochprozentigen Spirituose, deren Hauptbestandteil Wacholder ist. Spiritus Juniperi ist der lateinische Name des Destillats, das ursprünglich auch als Medizin etwa zur Malariaprophylaxe galt. Die Apotheke mit über 325-jähriger Geschichte gibt es heute noch in der Stadt.

Der Historie zollt Alles unter anderem durch die Optik des Produkts Respekt. So wird das nur in kleiner exklusiver Menge hergestellte Destillat in originale Apothekerflaschen abgefüllt, die mit einem Glasstopfen verschlossen sind. Auch die Etiketten sind denen auf alten Standgefäßen nachempfunden. Ins Auge springt darauf das Wort Gin in Lautschrift geschrieben – und die apothekenübliche Bezeichnung Spiritus Juniperi natürlich.

Von der Droge bis zur Flasche braucht es rund drei Monate

Rund drei Monate braucht es von den Grundzutaten, den „Drogen“, über viele verschiedene Arbeitsschritte, bis der Gin schließlich in die Flaschen abgefüllt wird. Und auch dort ist das Produkt noch nicht fertig. „Als Besonderheit geben wir ein Stück Wacholderholz mit in die Flaschen“, erklärt Alles. So reift die Spezialität in der Flasche weiter und nimmt eine leichte Rosé-Färbung an. „Das ist eine absolute Besonderheit“, erklärt der Spirituosenexperte.

„Außerdem verwenden wir viele Zutaten, die damals nur der Apotheker kannte, wie Süßholz oder Engelwurz“, erklärt Alles die Verbindung des Gins zur Pharmazie weiter. Dabei verwende man von vielen pflanzlichen Zutaten auch mehr als sonst üblich. „Vom Wacholder nutzen wir zum Beispiel die gesamte Pflanze, also Wurzeln, Holz und Beeren“, sagt Alles. Viele Inhaltsstoffe könnten dabei ja ganz wie bei Paracelsus je nach Dosierung tatsächlich auch entweder schmecken, heilen oder gar giftig sein. „Bei unserem Großhändler müssen wir immer bei einigen Substanzen erklären, wozu wir die verwenden“, scherzt Alles.

Rezepte in historischem Notizbuch wiedergefunden

Wie und in welchem Arbeitsschritt welche Zutat in den historischen Gin kommen, das hat Alles in einem alten von Hand geschriebenen Rezeptbuch gefunden, das die Chefs der damaligen Weinbrennerei Fritz Scheller Söhne sorgsam geführt haben. „Ich habe das damals im Keller des damaligen Firmenchefs gefunden“, sagt Alles, den seine Frau Heike Alles-Jung, die die Firma mitführt, auch schon mal als „Kräuterhexe“ bezeichnet. Mit Handschuhen blättere er in dem wertvollen Büchlein immer auf der Suche nach Rezepten, die man wiederaufleben lassen kann. So verkauft das Ehepaar Alles in ihrer Manufaktur auch etwa den ReichsPost Bitter nach dem Rezept aus dem 19. Jahrhundert oder das sogenannte Taunus-Benzin.

Foto: Alles
In Apothekerschränken wird die Ware präsentiert. 

Alles wird zwar kontinuierlich, aber in kleiner Menge mit historischen Geräten produziert. Dabei lassen sich die Brenner in einer gläsernen Manufaktur in Bad Homburg auch über die Schulter sehen – anschließend darf verkostet werden. Den ReichsPost Bitter und das Taunus-Benzin vertreibt man aus dem hessischen Heilbad heraus auch über das Internet. „Bei dem Apotheker-Gin wird das aber nicht gehen“, sagt Alles, auch wenn die Nachfrage mittlerweile bereits recht groß sei. „Ich wüsste nicht, wie ich die Apothekerflaschen mit dem Glasstopfen unfallfrei verschicken sollte“, erklärt er. Daher wird man diese Spezialität vorerst nur vor Ort in Bad Homburg kaufen können. Für die Präsentation in der Manufaktur hat man eigens alte restaurierte Apothekerschränke aus Berlin beschafft.

  Anmelden zur Besichtigung und Verkostung

Wer die Manufaktur – auch mit größeren Gruppen – besichtigen will und dabei den Gin und die anderen Spezialitäten kosten möchte, kann sich telefonisch in der ReichsPost Bitter Manufaktur anmelden unter Tel. 06172 451171. Weitere Informationen gibt es im Internet-Auftritt der Manufaktur.



Volker Budinger, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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