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CDU-Politiker Rudolf Henke
Die Heilpraktiker-Erlaubnis sollte begrenzt werden
Als Konsequenz nach Todesfällen in der Praxis eines Heilpraktikers sollte die Tätigkeit von Heilpraktikern eingeschränkt werden, sagt CDU-Gesundheitspolitiker Rudolf Henke DAZ.online. Im Interview erläutert er, dass Patienten wohl oft die Kompetenzen von Alternativmedizinern überschätzen. Die Heilpraktiker-Erlaubnis solle nicht mehr so undifferenziert vergeben werden - auch um Tragödien zu verhindern.
Nach dem Tod von drei Krebskranken, die Patienten der „Biologischen Krebsklinik“ in Brüggen-Bracht waren, sprach DAZ.online mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des Bundestags-Gesundheitsausschusses Rudolf Henke (CDU) über mögliche Konsequenzen aus dem Zwischenfall. Henke ist auch Präsident der Ärztekammer Nordrhein und erster Vorsitzender des Marburger Bundes.
DAZ.online: Was dachten Sie, als Sie von den Todesfällen gehört haben, Herr Henke?
Rudolf Henke: Erstmal ist das beklemmend, und man ist verzweifelt über den Tod von Menschen, die Hilfe gesucht haben. Die genauen Abläufe sind ja Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens. Ich verstehe das Geschehen nicht ganz: 3-Bromopyruvat ist wohl als Teil von Infusionslösungen appliziert worden. Wie man als Heilpraktiker dazu kommt, erschließt sich mir als Arzt nicht. Es ist schon sehr verwegen, als Heilpraktiker eine klinisch nicht geprüfte Substanz einzusetzen – ohne eine wissenschaftliche Ausbildung, die Kenntnisse von Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und klinischen Studien vermittelt. Daraus kann Strafbarkeit auch dann resultieren, wenn es zu keinem Todesfall kommt.
DAZ.online: Ist es nicht relativ eindeutig rechtswidrig, wenn ein Heilpraktiker damit wirbt, eine ungeprüfte Substanz sei besser als alle Chemotherapeutika?
Rudolf Henke: Ich habe Screenshots von dieser Homepage gesehen und komme zu einem ähnlichen Ergebnis. Ich kann es nicht nachvollziehen, wenn es als Krebsmittel der Wahl dargestellt wird. Es gibt in den USA eine Zulassung als Orphan Drug, das Präparat ist dort also für individuelle Heilversuche zugänglich. Anders als teilweise berichtet, wirkt es aber nicht nur als Zellgift gegen Tumorzellen, sondern auch als Gift gegen sauerstoffverarbeitende gesunde Zellen. Die Aussage empfinde ich daher als völlig aberwitzig. Ich habe bei meinen Recherchen gesehen, dass es in der Dosisfindung bei Ratten einen sehr schmalen Abstand gab zwischen der therapeutischen Dosis und der letalen Dosis. Fünfzehn Minuten nach deren Anwendung waren alle damit versehenen Tiere tot. Im Übrigen verbietet das Heilmittelwerbegesetz eine Werbung, wenn beispielsweise Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit beigelegt wird, die diese nicht haben oder wenn fälschlich der Eindruck erweckt wird, dass ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann oder keine schädlichen Wirkungen eintreten.
DAZ.online: Inwiefern kann ein solches Molekül denn zur Therapie an Menschen verwendet werden?
Rudolf Henke: Die Abwägung, ob eine solche experimentelle Substanz eingesetzt wird, kann nicht auf Basis einer Zulassung als Heilpraktiker erfolgen. Für Heilpraktiker kann das nur heißen: Finger weg davon! Experimentelle Substanzen dürfen nicht wie geprüfte Arzneimittel beschafft und eingesetzt werden. Die Formulierung, dass es effektiver sei als heutige Chemotherapeutika, klingt für mich nach Trickbetrug.
DAZ.online: Es gibt ja aktuell einige Fälle, bei denen Heilpraktiker Patienten von wirksamen Behandlungen abgeraten haben.
Rudolf Henke: Ich glaube, dass das zentrale Problem von solchen Heilpraktikern ausgeht, die Patienten von einer potenziell heilenden Therapiestrategie abhalten – nicht dass sie Stoffe anwenden, mit denen sie andere Leute vergiften. Wenn Bachblüten verabreicht werden, mag dies zu einem finanziellen Schaden führen, wird aber kaum einen Gesundheitsschaden auslösen. Wenn dadurch eine wirksame Therapie unterbleibt, kann eine Tragödie entstehen. Das ist noch eine andere Kategorie als das, was in Bracht passiert zu sein scheint.
Meine Sorge ist, dass leichtgläubige Menschen mit Vorbehalten gegen Chemotherapie und Bestrahlung gerne darauf zurückgreifen, wenn jemand ihnen sagt, er könne sie auch so gesundmachen. Steve Jobs ist ja ein Beispiel dafür, weil er sein Pankreaskarzinom zunächst neun Monate lang naturkundlich behandeln ließ.
DAZ.online: Ist das Heilpraktikergesetz von 1939 denn noch zeitgemäß, das Heilpraktikern ohne geregelte Ausbildung und Prüfung erlaubt, tätig zu sein?
Rudolf Henke: Heilpraktiker sind oft beliebt bei Menschen, die eine starke Kommunikation mit Therapeuten suchen. Ich bin sehr dafür, dass Ärzte ihre kommunikativen Stärken ausbauen – aber es ist eine Illusion, in einem Heilpraktiker einen alternativen Arzt zu sehen. Deshalb sollten wir uns die Lage genau ansehen und fragen, ob wir es bei der jetzigen Regulierung belassen können.
Tätigkeiten, die der Ärzteschaft vorbehalten sind, dürfen Heilpraktiker nicht durchführen. Zum Beispiel dürfen sie keine rezeptpflichtigen Arzneimittel verordnen. Ansonsten dürfen sie die gesamte Heilkunde ausüben und auch rezeptfreie Arzneimittel anwenden. Vielleicht muss man diese Grenze klarer definieren. Es gibt keine praktische Ausbildung, wo künftige Heilpraktiker am Patienten lernen, Infusionen anzulegen – das müssen sie sich autodidaktisch aneignen. Aber es ist bekannt, dass Heilpraktiker intramuskulär spritzen und beispielsweise Infusionen anlegen. Daher muss man prüfen, ob nicht der Weg, den die Schweiz gegangen ist – alle invasiven Therapien auszuschließen – zu mehr Sicherheit führt.
DAZ.online: Welche Voraussetzungen gibt es denn aktuell, um Heilpraktiker zu werden?
Rudolf Henke: Ich kann den Anspruch auf eine Heilpraktiker-Erlaubnis geltend machen, wenn ich mindestens 25 Jahre alt bin, keine ansteckenden Krankheiten habe, nicht geisteskrank und unbescholten bin und den Hauptschulabschluss besitze. Dann wird in einer zweistündigen Prüfung getestet, ob es Hinweise gibt, dass für die Volksgesundheit eine Gefahr ausgeht. Dabei fallen 50 bis 75 Prozent durch, das ist also nicht simpel. Aber mehr ist das nicht: Es hat nichts mit einem Staatsexamen oder einer qualitätsgesicherten Ausbildung zu tun. Es gibt immer wieder fachliche Streitereien mit den Gesundheitsbehörden, die die Prüfungen abnehmen – wenn Heilpraktiker das Gefühl bekommen, dass die Prüfungen zu fachlich sind.
DAZ.online: Sollte zum Wohl von den erwähnten, leichtgläubigen Patienten dann nicht das Heilpraktikerwesen viel stärker reguliert werden?
Rudolf Henke: Wenn man weiß, dass ein Heilpraktiker kein Miniarzt für alternative Medizin ist – sondern gar kein Arzt und ohne Bestallung, Staatsexamen und regulierte Ausbildung – gehört es zur persönlichen Freiheit dazu, sich dennoch dafür zu entscheiden, zu ihnen zu gehen. Die Frage ist nur, ob es eine informierte Entscheidung der Patienten ist. Ich fürchte, dass sie oft die Kompetenzen von Heilpraktikern überschätzen.
Es bietet ja nicht jeder Heilpraktiker die Behandlung von Krebskrankheiten an – es geht auch um chronische Müdigkeit, Schmerzsyndrome oder Befindlichkeitsstörungen. Da ist vieles dabei, wo der Seelsorger ersetzt wird – oder dass der Arzt sich nicht genug Zeit nimmt. Wenn diese Kurierfreiheit jetzt vollständig beseitigt werden sollte, dann muss man sich vorher Gedanken gemacht haben, ob dies nicht zu etwas Schlimmerem führt. Dann wäre es nicht mehr bekannt, wo eventuell dennoch und dann gesetzwidrig Heilkunde ausgeübt wird, es gibt keine Meldung mehr ans Gesundheitsamt, und bisher fehlende Begehungen kommen dadurch auch nicht zustande. Außerdem kann man ja nicht einfach Menschen die Berufserlaubnis wegnehmen, die sich selbst nichts haben zuschulden kommen lassen.
DAZ.online: Sie plädieren also für einen Mittelweg. Wie könnte dieser aussehen?
Rudolf Henke: In der Schweiz wurde nach einem Diskussionsprozess eine Liste von Kompetenzen zusammengestellt, andere wurden ausgeschlossen. Ich denke, dass man diese Diskussion führen muss und führen wird. Im neunzehnten Jahrhundert konnte die Medizin nicht so viel bieten wie heute – da gab es keinen Unterschied, ob man zum Arzt, zum Heilpraktiker oder zur Kräuterfrau ging. Heute haben wir eine der besten Ärzte-Ausbildungen weltweit und eine große Bandbreite an Fachrichtungen in der Medizin, vom sprichwörtlichen Seelendoktor bis zum hochspezialisierten Neurochirurgen.
Schon aus Gründen der Patientensicherheit frage ich mich deshalb, ob man die Heilpraktiker-Erlaubnis so undifferenziert erteilen soll wie bisher – oder muss man über Begrenzungen oder Konkretisierungen der Erlaubnis nachdenken? Das ist glaube ich der Weg, den man gehen sollte.
DAZ.online: Für wie realistisch halten Sie derartige Änderungen?
Rudolf Henke: Je mehr öffentlich darüber debattiert wird, desto mehr stabilisiert man das bestehende System: In dem Moment, wo es darum ginge, das Heilpraktikersystem komplett infrage zu stellen, bekommen Sie von dessen Anhängern den Weg nach Hause geleuchtet. Deshalb werde ich diese ohnehin schon heikle Debatte so zurückhaltend führen wie möglich.
Eine Frage ist auch, wo man ansetzt. Der Bund hat im Gesundheitsbereich keine Kompetenz, die Berufsausübung zu regulieren, sondern nur für die Ausbildung – die kann er regeln. Das „Deutsche Reich“ hat sich unter den Nazis gegen eine Regulierung der Ausbildung der Heilpraktiker entschieden, daran haben alle Parlamente seitdem festgehalten. In diesem Bereich hätte der Bund eine Kompetenz.
DAZ.online: Sollten nicht in jedem Fall die Kontrollen verschärft werden? Eugen Brysch von der Stiftung Patientenschütz kritisierte, dass Pommesbuden stärker kontrolliert werden als Heilpraktiker.
Rudolf Henke: Es ist Aufgabe der Gesundheitsämter, Heilpraktiker zu überwachen, bis hin zum Entzug der Erlaubnis. Die Landesbehörden hätten vielleicht die Möglichkeit, das zu steigern – wie bei den Kampagnen zur Arbeitssicherheit in anderen Branchen. Begehungen und Kontrollen der Praxen und die Rücknahme oder den Widerruf von Erlaubnissen gibt es heute nur auf der Grundlage des allgemeinen Verwaltungsrechts. Auch das Gesundheitsamt kann also nicht einfach mal so losmarschieren und gucken gehen. Wenn es einen Hinweis oder Kritik gibt, dann muss man dem natürlich nachgehen.
Einfach nur Kontrollen zu fordern, ist wohlfeil – das lässt die Gesundheitsämter mit der Realisierbarkeit alleine. Sie müssten dann auch – personell wie rechtlich – entsprechend ausgestattet werden.
Das Interview führte Hinnerk Feldwisch-Drentrup.
9 Kommentare
Heilpraktiker ?
von Roland Tennie am 27.05.2017 um 22:24 Uhr
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von JJasonBB am 21.08.2016 um 19:56 Uhr
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Heilpraktiker
von Simone Grözinger am 18.08.2016 um 18:51 Uhr
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Habe ich was verpasst?
von Jürgen Schramm am 18.08.2016 um 17:56 Uhr
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AW: Habe ich was verpasst
von Ellen am 18.10.2016 um 13:26 Uhr
Pancreas-Ca.
von Rudolf Hege am 18.08.2016 um 11:16 Uhr
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Generelles Problem
von Rudolf Hege am 18.08.2016 um 9:15 Uhr
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Heilpraktiker
von Manfred Hauser am 17.08.2016 um 22:52 Uhr
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AW: Woher wollen Sie wissen, dass ...
von Norbert Aust am 18.08.2016 um 13:27 Uhr
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