Großstadt-Phänomen

Neuer Höchststand bei Syphilis-Diagnosen

Berlin - 17.08.2016, 07:58 Uhr

Der Erreger der Syphilis: Treponema pallidum (Foto: royaltystockphoto)

Der Erreger der Syphilis: Treponema pallidum (Foto: royaltystockphoto)


Party, Drogen, Sex: Das wilde Großstadtleben hinterlässt seine Spuren. Noch nie seit Einführung der Meldepflicht im Jahr 2001 war die Zahl der Syphilis-Infektionen in Deutschland so hoch.

Das Bakterium Treponema pallidum ist der Auslöser für Syphilis (Lues). Zu den ersten Symptomen, dem Primärstadium, der Geschlechtskrankheit zählen Geschwüre im Genitalbereich oder im Mund. Diese sondern eine stark ansteckende Flüssigkeit ab. Bei sexuellen Handlungen kann es so zur Übertragung kommen. Nach dem Abheilen der Geschwüre verläuft die Krankheit unbehandelt  in weiteren Stadien. Das zweite Stadium (Lues II) ist vor allem durch Hautsymptome gekennzeichnet, das dritte (Lues III) dann durch massiven Organbefall. Es tritt etwa drei bis fünf Jahre nach der Erstinfektion auf. Dabei bilden sich Knoten, die gummiartig verhärtet sind. Besonders gefährlich sind diese Knoten im Bereich der Aorta. Sie reißen leicht, woraufhin die Betroffenen dann verbluten. 

Bei etwa 20 Prozent der Betroffenen kommt es zehn bis zwanzig Jahre nach Beginn der Erkrankung zur quartären Syphilis (Lues IV, Neurolues), die mit schweren neurologischen Störungen einhergeht. Ursache ist die Zerstörung des zentralen Nervensystems. 

In 2015 haben Syphilis-Infektionen in Deutschland einen neuen Höchststand erreicht. Das Robert Koch-Institut (RKI) registrierte 6834 diagnostizierte Fälle. Das seien 19 Prozent mehr als im Vorjahr (5722 Fälle), heißt es im Infektionsepidemiologischen Jahrbuch des Instituts. Es ist auch mit Abstand der höchste Wert seit 2001. Damals wurde die Krankheit meldepflichtig. Bundesweit kamen im Jahr 2015 rund 8,5 Syphilis-Fälle auf 100.000 Einwohner.

Die höchsten Fallzahlen pro 100.000 Einwohner registrierten Ärzte in den Stadtstaaten Berlin (39) und Hamburg (21). Leicht höher als im Bundesdurchschnitt lagen die Zahlen auch in Bremen (8,8) und Sachsen (8,6). Am niedrigsten war die Zahl der gemeldeten Diagnosen in Brandenburg, Mecklenburg-­Vorpommern und Thüringen mit maximal 3,7 Fällen pro 100.000 Einwohner.

Syphilis bleibt vor allem ein Großstadt-Phänomen. Auch deshalb liegt die Berliner Innenstadt mit ihren zahlreichen Clubs, Saunen und Pornokinos bei den Fallzahlen vorn. Bundesweit ist Syphilis jedoch nach wie vor vor allem in der Schwulenszene präsent. Der Anteil der Fälle, die vermutlich über sexuelle Kontakte zwischen Männern übertragen wurden, lag 2015 bei 85 Prozent. Das ist nochmals ein leichter Anstieg im Vergleich zum Vorjahr (84 Prozent). Die Zahl der Meldungen stieg neben Berlin zum Beispiel auch in Köln, Hamburg, München, Frankfurt (Main), Düsseldorf und Leipzig an.

Syphilis: In Deutschland angesteckt

Der Anteil der wahrscheinlich heterosexuell erworbenen Infektionen lag 2015 bei 15 Prozent und damit leicht unter dem entsprechenden Anteil der Vorjahre. Allerdings stieg im Vergleich zu 2014 die Anzahl der Meldungen, bei denen Patienten Kontakte mit Prostitutierten als Infektionsquelle angaben (146), um 25 Prozent an. Auch die der Diagnosen bei Sexarbeitern (93) ging um rund ein Viertel nach oben.

Insgesamt haben sich die meisten Infizierten in Deutschland angesteckt. Mit 16 Fällen pro 100.000 Einwohner erhielten deutlich mehr Männer die Diagnose Syphilis als Frauen (1 Fall pro 100.000 Einwohner). Doch weiterhin wird nur bei rund einem Drittel der Patienten die Krankheit im Frühstadium entdeckt, oft erst später.

Bei den Syphilis-Ansteckungszahlen ist Deutschland aber keine Ausnahme. Die Situation sei in anderen westeuropäischen Staaten ähnlich, vor allem unter schwulen Männern, heißt es im RKI-Jahrbuch. Syphilis lässt sich mit Penicillin gut behandeln. Unbehandelt führt die Infektion zu Hautausschlägen und später auch zu Organschäden. Davon kann auch das Gehirn betroffen sein - mit neurologischen Folgen.



dpa / DAZ.online
redaktion@daz.online


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