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Wir Apothekers leben in einem Tollhaus. Die Krankenkassen gönnen uns keine Minihonorarerhöhung für Rezepturen und Doku. Dafür verhandeln sie mit Ärzten über Dokuhonorare für den Medikationsplan, quasi für Aufgaben, die ihnen die Apotheker umsonst anbieten (müssen). Irgendwie irre, oder?
15. August 2016
Sehr schön, wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung ihre Forderung nach einer angemessenen Bezahlung des Medikationsplans kundtut: „Der ab Oktober gesetzlich verankerte Anspruch auf einen Medikationsplan für Patienten … bedeutet für die Vertragsärzte enormen zusätzlichen Aufwand“, heißt es in einer Pressemitteilung. Denn er müsse umfassend und verantwortungsvoll erstellt werden, es müssten auch die Medikamente dokumentiert werden, die in der Apotheke gekauft wurden (ach was?), und die Patienten müssten aufgeklärt und beraten werden: „Das alles funktioniert nicht zwischen Tür und Angel.“ Nee, nee, das macht richtig Arbeit! (Mein liebes Tagebuch, mir kommen da schon die Tränen ob der Arbeitsüberlastung der Ärzte.) Außerdem sei der Plan nicht mit den bisher von Ärzten individuell ausgestellten Plänen vergleichbar und er müsse ständig aktualisiert werden (Auch das noch!). „Dafür fordert die KBV eine angemessene Vergütung.“ Na klar! Und: „Für diese völlig neue Leistung [!] müssen die Krankenkassen schon Geld in die Hand nehmen“, fordert die KBV-Vize Regina Feldmann. Schau, schau, mein liebes Tagebuch, so macht man das! Man darf gespannt sein, wie viel Honorar die Kassen den Ärzten dafür zugestehen. Da möchte man der lieben GKV doch glatt zurufen: Hey, Kassen, warum die Ärzte extra für diese Aufgaben bezahlen? Bei Apothekers gibt’s das alles umsonst – ihr müsst sie nur machen lassen. Wir Apothekers drucken schon jetzt umsonst die Erklärungen zum Medikationsplan, tragen brav handschriftlich die OTC-Arzneimittel nach, prüfen den Plan auf Vollständigkeit – und alles für umme.
Und, mein liebes Tagebuch, das Allerschönste: Wir lassen uns von der GKV sogar noch vorhalten, eine kleine Erhöhung des Rezepturhonorars stehe uns gar nicht zu. Bei 136.345 Euro Betriebsergebnis ist Schluss mit Honorarplus, meint die GKV (siehe Eintrag unten). Hey, mein liebes Tagebuch, geht’s noch?
16. August 2016
Erstaunlich, welche Reaktionen im Gesundheitsmarkt ausgelöst werden, wenn es darum geht, den Apotheken eine vergleichsweise bescheidene Erhöhung ihrer Einkünfte zuzugestehen. Big Pharma und Big GKV stänkern unisono, aber jeder auf seine Weise, gegen die kleinen Apotheken. Es geht um lausige 1 Euro mehr für die Rezepturherstellung und um 8,35 Euro für die Abgabe einer Rezeptur. Vorgesehen ist das mit dem Pharmagesetz, das sich zurzeit im Stadium des Referentenentwurfs befindet. Also zur Verdeutlichung: Für die Herstellung einer Salbe soll die Apotheke in Zukunft 6 statt 5 Euro erhalten. Oder für die Herstellung von 12 Kapseln 8 statt 7 Euro. Vergelt’s Gott. Eine noch geringere Entlohnung für eine so anspruchsvolle Tätigkeit, jahrzehntelang schon auf gleich niedrigem Niveau, lässt sich auf dem Markt wohl nicht finden. Und dass die Apotheken bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln 8,35 Euro bekommen, aber nicht bei einem selbst hergestellten Rezepturarzneimittel, war seit Einführung des Apothekenhonorars ein Unding und lässt sich nicht wirklich erklären oder gar rechtfertigen. (Hatte man damals eigentlich nicht daran gedacht? Wurde es einfach nur vergessen?) Die Bundesregierung hat nun endlich eingesehen, dass den Apotheken bei Rezepturarzneimitteln eine kleine kosmetische Erhöhung zusteht – um die Apotheken bei Laune zu halten, um die supergünstigen Rezepturen zu erhalten, mit denen man im Gesundheitswesen sparen kann. Außerdem ist bald Wahlzeit. Also, eine kleine Honorarerhöhung im Rezepturbereich und ein paar Cent mehr für die aufwendige Dokumentation von BtM- und T-Rezepten, wobei einen Teil der 2,91 Euro für die Doku der Großhandel als Gebühr abkassiert und nur ein kleiner Teil in der Apotheke ankommt – und schon geht ein Aufschrei durch das Land, als würden die Apotheken dadurch auf einmal und ungerechtfertigt stinkereich werden. Den Vogel schießen dabei die forschenden Pharmaunternehmen ab. Ausgerechnet die. Sie lesen aus dem Pharmagesetz einen Verschiebebahnhof zu ihren Lasten heraus: Mit dem, was ihnen durch Herstellerabschlag und Preismoratorium weggenommen wird, würden die Vergütungsanstiege der Apotheken bezahlt. Das sei bedenklich und es stelle sich die Frage, ob die Querfinanzierung verfassungskonform sei. Mein liebes Tagebuch, dreimal kurz gelacht. Dass sich der Pharmaverband da nicht selbst lächerlich vorkommt, zumal eine kausale Querfinanzierung aus dem Gesetz überhaupt nicht herauszulesen ist. Man kann’s mal versuchen und schlechte Stimmung gegen Apotheken verbreiten – Pharma ist dabei.
Der Aufreger der Woche: Unser lieber GKV-Spitzenverband ist der Meinung, dass ein durchschnittliches Betriebsergebnis von 136.345 Euro kein Honorarplus für die Apotheker rechtfertige. Ach was, mein liebes Tagebuch, wo steht, ab wann ein Plus erlaubt sein soll? Löst da gar ein Betriebsergebnis von unter 140.000 Euro schon Neiddiskussionen aus? Und der Kassenverband setzt eins drauf: In jedem Fall müsse die 3-Prozent-Marge gedeckelt werden. (Als Honorarplus meinen die GKVler übrigens die mit dem Pharmagesetz vorgesehene längst überfällige und äußerst bescheidene Erhöhung des Rezepturhonorars und der Dokugebühr, was den Apotheken etwa 80 Mio. Euro, also im Durchschnitt 4000 Euro pro Apotheke bringen würde.) Der GKV-Spitzenverband begründet das u. a. damit, dass keine objektiven und aussagekräftigen Zahlen zum Apothekenhonorar vorlägen, dass das Rezepturhonorar der Systematik der Arzneimittelpreisverordnung widerspräche, weil die apothekerlichen Beratungsleistungen bereits im 90-Prozent-Festzuschlag für Rezepturen enthalten seien und dass Rezepturen durch die Einnahmen mit Fertigarzneimitteln querfinanziert werden müssten. Alles Kokolores! Für die Beratung bleibt beim Rezepturaufschlag nichts übrig, wie Müller-Bohn schon vor Jahren in einer Arbeit nachgewiesen hat. Das bisherige Rezepturhonorar reiche nicht einmal für die Herstellung und Prüfung. Ja, und dann setzt der GKV-Spitzenverband das SPD-Krönchen drauf: Sollte es höhere Rezepturzuschläge geben, müsste die 3-Prozent-Marge gedeckelt werden: auf 36,70 Euro. Danke, ihr GKVler, für die Watschn mit dem Deckel. Mein liebes Tagebuch, da steht man doch fassungslos daneben. Selbst der ABDA ist – vor Schreck? – keine Silbe aus dem eh nicht oft geöffneten Mündchen gekommen angesichts solcher GKV-Meinungen – eine Stellungnahme aus dem Lindencorso hat man dazu jedenfalls noch nicht vernommen, obwohl solche GKV-Meinungen nach einem Kontra rufen. Oder steckt da eine Taktik des Wegduckens und Aussitzens dahinter? Übrigens, die einzige Meldung, die in der letzten Woche aus Berlin zu vernehmen war: ABDA warnt vor K.O.-Tropfen – mein liebes Tagebuch, sind damit auch die GKV-K.O.-Tropfen gemeint?
17. August 2016
Entschieden ist noch nichts. Aber die Versandapotheken laufen sich schon mal warm für den Fall der Fälle: Sollte der Europäische Gerichtshof im Herbst ausländischen Versendern Preisnachlässe auf Rx-Arzneimittel zugestehen, dann werden, ganz klar, auch die inländischen Versandapotheken sich nicht zurückhalten und ihren Kunden Boni anbieten. Das ließ zumindest Christian Buse durchblicken, Chef des Versandapothekenverbands. Mein liebes Tagebuch, wie’s weitergeht, dürfte klar sein: Gegen die inländischen Versender wird geklagt und da gleiches Recht für alle gilt, wird man Boni für alle zulassen. Dass die Arzneimittelpreisverordnung dadurch mächtig unter Druck gerät, sieht Buse als Anlass für eine Modernisierung der Arzneipreisgestaltung – er denkt dabei an ein Höchstpreismodell. Und dann? Lieber Herr Buse, das könnte auch für Versender unangenehm werden, so manche Versandapotheke könnte da auf der Strecke bleiben. Und über weitere Folgen könnte man trefflich spekulieren. Das alles könnte recht ungemütlich werden.
18. August 2016
Ist die gesundheitliche Versorgung durch zunehmende Arzneimittellieferengpässe gefährdet? Die Linksfraktion im Bundestag hat sich dieses Themas angenommen und eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Darin wollen die Politiker wissen, wie genau die Bundesregierung über Ausmaß und Gründe der Engpässe Bescheid weiß. In ihrer Anfrage verweist die Linksfraktion auch auf die Defektlisten von Apotheker Haru Diefenbach und die Umfrage auf DAZ.online. Mein liebes Tagebuch, gut, dass da mal jemand nachhakt. Es wird spannend, was die Bundesregierung antwortet, beispielsweise auf die Frage, ob die Bundesregierung Klagen von Apothekern nachvollziehen kann, dass Rabattverträge eine wichtige Ursache von Engpässen darstellen. Oder warum im Pharmagesetz kein Paragraph enthalten ist, der Mehrfachvergaben bei Rabattverträgen vorschreibt, um Lieferengpässe zu reduzieren. Die Linksfraktion möchte von der Regierung auch wissen, ob sie Verständnis für die Klagen von Klinikapothekern hat, die bei Lieferschwierigkeiten von Zytostatika, Antibiotika oder Ernährungslösungen Therapiealternativen oft nur unter großen Schwierigkeiten finden. Gute Frage dazu: „ Welche Abhilfe kann die Bundesregierung den Apothekerinnen und Apothekern bieten? Falls nein, warum nicht?“ Innerhalb von 14 Tagen muss eine Antwort vorliegen.
19. August 2016
Die Todesfälle an einem alternativen Krebszentrum laufen auch auf die Frage zu, ob das Heilpraktiker-Gesetz verschärft werden soll. Politiker fordern das schon jetzt, Patientenschützer sehen dringenden Handlungsbedarf. Mein liebes Tagebuch, es gibt auch einige Apotheker, die eine Zusatzausbildung zum Heilpraktiker absolviert haben. Und wer sich mal mit der Prüfung zum Heilpraktiker befasst hat, weiß, dass einiges verlangt wird. Man kann natürlich neu darüber nachdenken, was Heilpraktiker eigentlich behandeln dürfen. Ob man aber immer gleich nach schärferen Gesetzen rufen soll, sei mal dahingestellt. Heilpraktiker haben ihre Aufgaben in unserer Gesellschaft, die meisten arbeiten gewissenhaft und kennen ihre Grenzen. Und: schwarze Schafe gibt es auch bei Ärzten, Apothekern, Heilpraktikern – und Politikern.
13 Kommentare
138 000?????
von Peter Lahr am 22.08.2016 um 14:03 Uhr
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Oh, mein Tagebuch
von Heiko Barz am 21.08.2016 um 20:30 Uhr
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Stänkern ist einfach - Delegierter sein ist schwer
von Veit Eck am 21.08.2016 um 15:58 Uhr
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AW: Demokratie pur in Nordrhein
von Dr. Jochen Pfeifer am 21.08.2016 um 16:22 Uhr
AW: Aha !!!
von Veit Eck am 21.08.2016 um 20:51 Uhr
AW: Kompetenz und Politik
von Dr. Jochen Pfeifer am 21.08.2016 um 23:22 Uhr
tiefgeduckt
von frank ebert am 21.08.2016 um 9:33 Uhr
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AW: Antwort
von Dr.Jochen Pfeifer am 21.08.2016 um 12:17 Uhr
AW: sorry
von Dr. Jochen Pfeifer am 21.08.2016 um 12:23 Uhr
So ist das eben ...
von Reinhard Herzog am 21.08.2016 um 8:50 Uhr
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AW: Trefflich am frühen Sommermorgen!
von Ulrich Ströh am 21.08.2016 um 9:07 Uhr
Umsonst
von Karl Friedrich Müller am 21.08.2016 um 8:26 Uhr
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AW: Ja, warum umsonst?
von Bernd Jas am 21.08.2016 um 13:28 Uhr
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