Studie in Lancet Global Health

Dramatische Gesundheitslage in Syrien

Stuttgart - 26.08.2016, 07:00 Uhr

Aleppo am 22. August, nach einem syrischen und russischen Angriff auf den durch Oppositionelle kontrollierten Stadtteil Sukeri. (Foto: picture alliance / abaca)

Aleppo am 22. August, nach einem syrischen und russischen Angriff auf den durch Oppositionelle kontrollierten Stadtteil Sukeri. (Foto: picture alliance / abaca)


Der Krieg in Syrien hat direkt wie indirekt enorme Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung. Die Lebenserwartung nahm zwischen 2010 und 2013 um fünf Jahre ab, auch die Kindersterblichkeit steigt. Die Konflikte machen frühere Erfolge zunichte, wie eine wissenschaftliche Studie zeigt.

Der arabische Frühling im Jahr 2010 und die nachfolgenden Kriege im östlichen Mittelmeerraum haben auf die Gesundheit und die Lebenserwartung in vielen der 22 Länder in der Region schlimme Auswirkungen gehabt. Dies zeigt eine neue Analyse im Rahmen der Global Burden of Disease Study 2013 (GBD 2013), die die weltweite Krankheitslast  beurteilt. Sie wurde jetzt in der Fachzeitschrift „The Lancet Global Health Journal“ veröffentlicht. 

Als besonderes stark wird die Abwärtsspirale der Lebenserwartung in Syrien, dem Jemen, Libyen, Tunesien und Ägypten hervorgehoben. In Syrien sank die Lebenserwartung von Männern zwischen 2010 und 2013 von 75 auf 69 und für Frauen von 80 auf 75 Jahre. Ein weiteres besorgniserregendes Signal ist der Anstieg der Kindersterblichkeit in Syrien.

Bürgerkrieg und Krankheitsausbrüche

„Die jüngsten Konflikte haben die grundlegende Infrastruktur in einer Reihe von Ländern erschüttert“, sagt Ali Mokdad, Professor für Global Health am Institut für Health Metrics and Evaluation (IHME) an der Washington-Universität in Seattle, USA, der die Studie geleitet hat. „Infolgedessen müssen Millionen von Menschen mit Wasserknappheit und schlechten sanitären Anlagen zurecht kommen. Dies führt zu Krankheitsausbrüchen, die unter Kontrolle gebracht werden müssen.“ 

Insgesamt zeichnen die Autoren ein beunruhigendes Bild des Gesundheitszustandes in vielen östlichen Mittelmeer-Anrainer-Ländern, wo die Lage seit 2013 ihrer Einschätzung zufolge wahrscheinlich noch weiter eskaliert ist. 

Arabischer Frühling als Auslöser

„Wir hatten schon gesehen, dass es im Hinblick auf die Lebenserwartung und andere Gesundheitsindikatoren aufwärts geht in diesen Ländern, selbst in Stress-Zeiten, aber dann hat der arabische Frühling diese komplexen Kriege ausgelöst, die hunderttausende Menschenleben gekostet haben“, erklärt Mokdad. „Die fortdauernden Konflikte haben die Last an chronischen Krankheiten und Verletzungen dramatisch erhöht. Außerdem fliehen viele Angehörige der Gesundheitsberufe in sichere Länder.“ Er befürchtet, dass dies den Gesundheitsstatus in vielen Ländern noch auf Jahre hinaus schwer belasten und die ohnehin schon eingeschränkten Ressourcen noch mehr beschneiden wird. 

Rasanter Anstieg beim Bluthochdruck

Nach der Studie sind die Risikofaktoren für nicht übertragbare Krankheit wie Bluthochdruck in der Region seit 1990 um 83 Prozent angestiegen, für Übergewicht und Adipositas um 28 Prozent. Herz-Kreislauferkrankungen waren im Jahr 2013 mit 15 Prozent aller Krankheitsfälle die Todesursache Nummer eins und haben die Durchfallerkrankungen nicht nur überholt, sondern sogar deutlich hinter sich gelassen. Auch psychische Erkrankungen (vor allem Depressionen und Angst) und Drogenmissbrauch sowie Muskel-und Skeletterkrankungen sind auf dem Vormarsch.

Aufrichtige Bemühungen nötig

In einem Kommentar zu den neuen Erkenntnissen schreibt Riyadh Lafta von der Mustansiriya Medical School in der iranischen Hauptstadt Bagdad: „Die Bevölkerung leidet während und nach den Konflikten unter gesundheitlichen Problemen, und zwar wegen der beschädigten gesundheitsfördernden Infrastruktur. Es fehlt an sicheren Lebensmitteln und Wasser, Hygiene, medizinischer Versorgung und öffentlichen Gesundheitsdienstleistungen. Die Familien werden auseinandergerissen, was wiederum die Belastung der Menschen erhöht und zu mehr Gewalt führt.“ Die Bewältigung dieser wachsenden Belastung erfordere aufrichtige Bemühungen und realistische Pläne. „Wir brauchen neue Ansätze und Maßnahmen, um die Situation dauerhaft im Auge zu behalten und Präventions- und Kontrollmechanismen zu entwickeln, damit die Belastungen durch die Konflikte gemindert werden können“, erklärt Lafta.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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