Gastkommentar Zytostatika-Ausschreibungen

Genug geredet! Bitte erledigen!

Berlin - 08.09.2016, 09:34 Uhr

Wie weiter mit den Zyto-Ausschreibungen? Im Sinne der Patienten sollte endlich gehandelt werden, sagt Apotheker Stadler. (Foto: Dziurek / Fotolia)

Wie weiter mit den Zyto-Ausschreibungen? Im Sinne der Patienten sollte endlich gehandelt werden, sagt Apotheker Stadler. (Foto: Dziurek / Fotolia)


Am Mittwoch spitzte sich der Streit um die exklusiven Zytostatika-Ausschreibungen der Krankenkassen zu. Fachverbände veröffentlichen einen Aufruf an die Politik, die Ausschreibungen zu stoppen, die nun noch mehr Kassen ausrufen wollen. In der Publikumspresse wurden derweil Fakten wild durcheinander geworfen. Also eigentlich alles wie immer, meint Apotheker Dr. Franz Stadler. Und bietet einen Lösungsvorschlag. 

Es gibt so Tage, da passiert jede Menge. Eine Pressekonferenz jagt die nächste. Man kommt fast nicht mehr mit, mit den Meldungen, die über die verschiedenen Ticker laufen. Lehnt man sich aber zurück oder geht, wie der Autor, am Abend zum Rasenmähen, muss man feststellen, dass eigentlich nichts wesentlich Neues oder gar Unerwartetes gesagt worden ist. 

Wieder wurden nur Standpunkte ausgetauscht. Wieder wurde nur Sachzwängen gefolgt, wieder wurden nur unkontrollierbare Behauptungen aufgestellt und altbekannte Vorurteile wiederholt. Und noch immer ist eine tragfähige gemeinsame Lösung im Sinne der bestmöglichen Versorgung krebskranker Patienten nicht gefunden.

Mein konstruktiver (wenn auch nicht ganz ernst gemeinter) Vorschlag lautet: Das BMG soll alle Verantwortlichen und Experten in ein Lokal einladen, meinetwegen sogar in ein Spitzenlokal, Essen und Getränke frei, und sie dort nicht wieder weglassen bis sie gemeinsame Antworten auf folgende Fragen gefunden haben:

1. Wer verdient an den 2,85 Mrd. Ausgaben der Krankenkassen den Löwenanteil?

2. Wer verursacht die Kostenexplosion?

3. Wie ist die ambulante Versorgung krebskranker Patienten am sinnvollsten durchzuführen?

Nur eine der Fragen ist wirklich schwierig. Deshalb dazu einige Tipps von einem Praktiker:

  • Kurze Wege sind immer besser als lange.
  • Strohapotheken haben kein Reinraumlabor und können nichts zur Versorgung beitragen.
  • Eine angemessene Herstellpauschale wäre gut: Dass diese qualitativ anspruchsvolle Versorgung Geld kostet und dass jeder Leistungserbringer mit Recht etwas verdienen will, sollte unstrittig sein.
  • Wenn ausschreiben, dann bitte die Wirkstoffe ausschreiben: So könnten die Krankenkassen das vermutete Einsparpotenzial bei den Wirkstoffen für sich haben und trotzdem die Versorgung, ganz im Sinne der Patienten, unangetastet lassen. Ein weiterer Nebeneffekt: Als herstellender  Apotheker kann und will ich diesen immer wieder gern wiederholten Vorwurf, wir würden an den Arzneimitteln zu viel verdienen, einfach nicht mehr hören.
  • Über die Höhe einer notwendigen Handlingspauschale bei den Arzneimitteln können sie gerne tagelang verhandeln.
  • Verwürfe bitte belassen: Sie sind eine pharmazeutische Notwendigkeit.

Noch eine Anmerkung am Rande und nur für die Redaktion des Handelsblattes: Umsatz war noch nie gleich Gewinn. Manchmal erhöhen auch kleine Weisheiten die Kompetenz einer Redaktion (hoffentlich).


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3 Kommentare

verdienen an den Arzneimitteln?

von Holger Hennig am 09.09.2016 um 8:26 Uhr

Die Fragen finde ich klasse, nur geht es leider in der deutschen Gesundheitspolitik eben zumeist nicht um Sinn und Verstand oder gar die gesellschaftlich optimale Lösung, sondern primär stets um den möglichst weitestgehenden Erhalt des Status quo.

An einem Punkt muss ich aber eine Gegenposition vertreten:
Dass Sie "diesen immer wieder gern wiederholten Vorwurf, wir würden an den Arzneimitteln zu viel verdienen, einfach nicht mehr hören" wollen, kann ich zwar persönlich nachvollziehen, macht auf mich den Eindruck des Kopf-in-den-Sand-steckens. Nach der derzeitigen Systematik mit frei verhandelten Einkaufspreisen IST es einfach so, dass der Apotheker zum Teil nicht unerheblich am Arzneimittel selbst verdient und eben NICHT an seiner pharmazeutischen Leistung. Aus meiner Sicht wäre die einzige Möglichkeit, das zu ändern, das unmittelbare "Durchreichen" der Arzneimittel vom Pharmazeutischen Unternehmer an die Krankenkasse. So in die Tüte gedacht
- der PU stellt der Apotheke ein Konsignationslager zur Verfügung
- die Apotheke entnimmt aus diesem die benötigten Mengen und leitet die entsprechende Info (Rezept) einerseits an die Krankenkasse und (ohne Patientendaten) an den PU
- der PU stellt daraufhin eine Rechnung an die jeweilige Kasse, die von mir aus Rabatte/Erstattungspreise verhandeln können wie sie wollen
- die Apotheke rechnet gegenüber der Kasse nur die Herstellungspauschale ab
- es müsste lediglich eine BTM-ähnliche Dokumentation in den Apotheken über die Warenbewegungen geführt werden, um Begehrlichkeiten in Richtung "grauer" Märkte einen Riegel vorzuschieben
- das Thema Verwürfe wäre damit auch erledigt, weil der Apotheker einfach mitteilt/nachweist, was er verworfen hat. Wie die Kasse das dem PU vergütet ist dann deren Sache ...


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Ausschreibungen und Verwürfe

von Dr. Thomas Müller-Bohn am 08.09.2016 um 12:05 Uhr

Ihr Vorschlag ist gut und logisch. Doch bei einem Punkt sehe ich ein Riesen-Problem: Ausschreibungen für Zyto-Wirkstoffe würden zu unterschiedlichen Herstellern für verschiedene Patienten führen, je nach Krankenkasse. Das gibt Chaos unter der Werkbank und erhöht die Verwürfe gewaltig. Haben Sie eine Lösung dafür oder muss man hier nicht ganz auf Ausschreibungen verzichten und allein auf die Hilfstaxe setzen?!

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AW: Chaos unter der Werbank

von Dr. Franz Stadler am 08.09.2016 um 12:39 Uhr

Das Problem der vielen Firmen und der damit zusammenhängenden, möglicherweise steigenden Verwürfe kann auf zweierlei Weise umgangen werden:
1. Die Kassen können jeweils mehreren Firmen den Zuschlag erteilten (z.B. 5) oder
2. Wir erstellen eine Ident-Liste vergleichbar dem Vorgehen bei den Biosimilars (z.B. Infliximab). Auch dort wurden verschiedene Hersteller als identisch eingestuft und können nun ausgetauscht werden. Wie wir alle wissen sind auch bei den Onkologika viele Anbieter auf dem Markt, die nicht wirklich selbst herstellen.

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