Beratungs-Quickie

Kombinationstherapie des fortgeschrittenen Morbus Parkinson

München / Stuttgart - 15.09.2016, 11:30 Uhr

Zittern gehört zu den Kardinalsymptomen bei Parkinson: Feinmotorische Bewegungen sind dadurch nicht mehr möglich. (Foto: Picture-Factory / Fotolia)

Zittern gehört zu den Kardinalsymptomen bei Parkinson: Feinmotorische Bewegungen sind dadurch nicht mehr möglich. (Foto: Picture-Factory / Fotolia)


Welche Informationen sind bei einem Beratungsgespräch in der Apotheke für den Patienten wichtig? Welche hilfreichen Tipps kann der Apotheker zu Arzneimitteln und Therapien geben? Im Beratungs-Quickie stellen wir jeden Donnerstag einen konkreten Patientenfall vor. Diesmal geht es um eine Verordnung über drei Arzneimittel zur Behandlung des Morbus Parkinson für einen älteren Herrn.

Formalien-Check

Der Kunde möchte sein Rezept fünf Wochen nach Ausstellung einlösen. Er war vor der Urlaubszeit zur Sicherheit bei seiner Ärztin, um seine Arzneimittel aufschreiben zu lassen. Heute habe er seine letzte Tablette Levodopa eingenommen und brauche jetzt dringend Nachschub.

Das Rezept ist vollständig, aber für die Abrechnung mit der Krankenkasse nicht mehr gültig. Da dringender Bedarf besteht, muss die Apotheke Rücksprache mit der Neurologin halten. Die Ärztin bestätigt telefonisch die Neuausstellung eines aktuellen Rezepts. Das Rezept sollte im Voraus per Fax angefordert werden.

Verordnet sind Madopar® 125 T, Parkinsan® 10 mg sowie Sifrol® 0,7 mg jeweils 100 Tabletten. Alle drei Positionen sind unter Angabe der Pharmazentralnummer (PZN) aufgeschrieben.

Bei Position eins führt die Eingabe der PZN zu keinem Ergebnis: Es handelt sich um einen Import, der nicht mehr auf dem Markt und auch nicht mehr in der EDV gelistet ist. Über das Original oder einen anderen Import von Madopar® 125 T (N3) kann die Apotheke aktuelle Rabattpartner recherchieren. Bei der Substitution ist auf die richtige Darreichungsform zu achten: Tabletten und keine retardiert freisetzende Darreichungsform.

Für das zweite Arzneimittel gilt eine gesonderte Abgabebestimmung: Parkinsan® 10 mg (N3) ist nicht über den Großhandel lieferbar, sondern muss direkt vom Hersteller bezogen werden. Die Auslieferung an die Apotheke erfolgt nur, wenn eine unterschriebene Verpflichtungserklärung des behandelnden Arztes beim Hersteller vorliegt. Die Behandlung mit dem Arzneimittel darf nur erfolgen, wenn der Arzt bestimmte Vorsichtsmaßnahmen genau einhält.

Fallen Beschaffungskosten an, so kann die Apotheke diese bei Ersatzkassen bis zu einer Höhe von neun Euro ohne vorherige Genehmigung geltend machen.

Position drei (Sifrol® 0,7 mg) ist auch eine Importverordnung. Dennoch ist bevorzugt die N3-Packung eines Rabattpartners abzugeben.

Der Kunde legt einen gültigen Befreiungsausweis vor. Die Apotheke kann auf dem nachgereichten Rezept das Feld „Gebühr frei“ unter Angabe der Ausweisnummer und der Gültigkeit ankreuzen. Die Änderung ist mit Datum abzuzeichnen.

Beratungs-Basics

Bei der vorliegenden Verordnung handelt es sich um die Kombinationstherapie des fortgeschrittenen Morbus Parkinson.

Das erste Arzneimittel enthält zwei Wirkstoffe: Levodopa und den Decarboxylasehemmer Benserazid. Levodopa, als Prodrug des Neurotransmitters Dopamin, hat eine hohe Wirksamkeit bei allen Hauptsymptomen der Parkinson-Krankheit. Die Kombination mit dem peripher wirksamen Benserazid verhindert, dass L-Dopa außerhalb des Gehirns in Dopamin umgewandelt wird. Nebenwirkungen von Levodopa können dadurch vermindert und die Dosis von Levodopa deutlich reduziert werden.

Levodopa wird einschleichend dosiert. Die individuelle Erhaltungsdosis ist abhängig vom Schweregrad der Erkrankung und der Verträglichkeit. Sie wird in der Regel auf mindestens drei bis vier Einzelgaben verteilt. Die Einnahme erfolgt dreißig Minuten vor einer Hauptmahlzeit. Bei Unverträglichkeit empfiehlt es sich, die Tabletten zusammen mit etwas Nahrung einzunehmen, jedoch keinesfalls zusammen mit proteinreichen Lebensmitteln (Milchprodukte, Fleisch, Fisch).

Zu Beginn der Behandlung können Übelkeit und Erbrechen auftreten. In der Langzeittherapie sind motorische Komplikationen eine problematische Erscheinung. Sie treten in Form von Wirkungsfluktuationen als unwillkürliche Bewegungen (Hyperkinesien und Dyskinesien) sowie als Dystonien auf. Unter der Therapie mit Levodopa sind auch Hypotonie, Tagesmüdigkeit, Schlafstörungen und bei höherer Dosierung psychische Störungen wie Halluzinationen möglich.

Levodopa darf nicht plötzlich abgesetzt werden. Es besteht die Gefahr eines malignen Levodopa-Entzugssyndroms.

Das Arzneimittel Parkinsan® enthält den Wirkstoff Budipin. Budipin hat eine hemmende Wirkung auf die Freisetzung von Glutamat (NMDA-Rezeptor-Antagonist) sowie eine stimulierende Wirkung auf Dopamin-Rezeptoren. Das Arzneimittel wird zur Kombinationstherapie des Morbus Parkinson bei Patienten ohne Fluktuationen im Krankheitsbild eingesetzt. Die Dosierung beträgt in der Regel dreimal täglich 10 – 20 mg nach dem Essen. Budipin kann neben Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Benommenheit und Verwirrtheit auch anticholinerge Nebenwirkungen verursachen: Mundtrockenheit, Obstipation, Harnverhalt und Sehstörungen. Außerdem sind schwere Herzrhythmusstörungen möglich (Torsades de Pointes). Die Verschreibungsbesonderheit für Parkinsan® beinhaltet deshalb die Erklärung des Arztes, sich zu einer regelmäßigen EKG-Kontrolle des Patienten zu verpflichten und die Kontraindikationen zu beachten. Diese sind unter anderem nicht kompensierte Herzinsuffizienz, Hypokaliämie, Hypomagnesämie, gleichzeitige Behandlung mit Domperidon, Amantadin oder anderen QT-Zeit-verlängernden Arzneimitteln. Bei Auftreten von Palpitationen, Schwindel oder Synkopen ist das Arzneimittel sofort abzusetzen.

Das dritte Arzneimittel enthält den Wirkstoff Pramipexol. Der Dopamin-Agonist wird als Monotherapie (vor allem bei jüngeren Patienten) oder in Kombination mit Levodopa eingesetzt. Auch bei diesem Wirkstoff ist zu Beginn eine einschleichende Dosierung notwendig. Die individuelle Tagesgesamtdosis liegt in der Regel im Bereich von 1,1 mg bis maximal 3,3 mg und wird auf drei Einzeldosen aufgeteilt. Die Tabletten können unabhängig vom Essen mit einem Glas Wasser eingenommen werden.

Einige Nebenwirkungen können ausgeprägter sein als bei Levodopa-Präparaten, wie Hypotonie, Magen-Darm-Beschwerden oder auch die Tagesmüdigkeit und der Sekundenschlaf (Cave: eingeschränkte Reaktionsfähigkeit im Straßenverkehr). Bei höherer Dosierung sind Impulsstörungen möglich. 

Auch noch wichtig

Bei der Behandlung mit anderen Arzneimitteln in der Selbstmedikation oder nach ärztlicher Verordnung sind mögliche Wechselwirkungen zu beachten.

Das Anlegen einer Patientendatei für ein professionelles Medikationsmanagement ist dringend zu empfehlen. Der Kunde ist anzuhalten, alle behandelnden Ärzte über die bestehende Medikation zu informieren, da zahlreiche Interaktionen zu beachten sind.

So verstärken zentraldämpfende Mittel, wie beispielsweise manche Antihistaminika oder Antitussiva, die zentralen Nebenwirkungen der Medikation, wie Müdigkeit und Verwirrtheit.

Bei gleichzeitiger Verordnung von Hypnotika, Sedativa, Opioiden oder Antiepileptika kann es zu einer additiven Sedierung kommen.

Des Weiteren verstärkt Levodopa die Wirkung von Sympathomimetika. Neuroleptika und Opioide hingegen schwächen die Wirkung von Levodopa ab.

Budipin kann in Kombination mit anderen Stoffen, die das QT-Intervall verlängern, schwere Herzrhythmusstörungen auslösen.

Das Auftreten von Übelkeit und Erbrechen unter der Medikation ist aufgrund der verzögerten Magenentleerungszeit bei Morbus Parkinson häufig. Die Gabe von Metoclopramid (Dopamin-Antagonist) ist verboten. Gegen die Übelkeit kann unter der Behandlung mit Levodopa und Pramipexol Domperidon eingesetzt werden. Im aktuellen Fall ist Domperidon wegen Budipin jedoch kontraindiziert.

Parkinson-Patienten leiden häufig unter Verstopfung. Laxantien, die zu Kaliumverlusten führen, dürfen nicht unkontrolliert eingesetzt werden. Anderenfalls erhöht sich das Risiko für Herzrhythmusstörungen unter der Einnahme von Budipin. Quellstoffe wie Macrogole sind geeignet.

Darf´s ein bisschen mehr sein?

•  Die aktuelle S3-Leitlinie zur Behandlung des „Parkinson-Syndrom, idiopathisch“ finden Sie hier

•  Ist die (orale) medikamentöse Therapie nicht zufriedenstellend, stehen Duodopa-Pumpe, Apomorphin-Pumpe oder die Tiefenhirnstimulation (THS) zur Verfügung.

•  Neben der medikamentösen Therapie sind unter anderem Physiotherapie, Logopädie und die psychologische Betreuung wichtige Maßnahmen der Parkinson-Therapie.



Manuela Kühn, Apothekerin
redaktion@daz.online


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