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Großes Kino dieser Woche: Krankenkasse knechtet Apotheken: Defektnachweis oder Retax! Deutschlands Pharmahändler – eine große Kungelei? Bayer-Pharma beim „organisch wachsen“ zusehen, dank Gen-Mais und Glyphosat? Fake der Woche: der ABDA-Potenzmittelshop. Und ab Oktober in diesem Kino: Der langsame Tod einer großen Idee – der Papier-Medikationsplan vom Arzt ohne Apotheker.
12. September 2016
Leistung ohne Lob, Druck statt Motivation – schlechte Stimmung im Büro macht Mitarbeiter krank. Es drohen ernste gesundheitliche Risiken. Und die psychischen Beschwerden und die Fehlzeiten im Betrieb nehmen zu. Ach, wie? Das ist ja vollkommen neu! Mein liebes Tagebuch, diese bahnbrechende Erkenntnis verdanken wir einer Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK. Ist schon toll, was da so ein Institut einer Krankenkasse alles zu Tage fördert. Vielleicht sollte das Wissenschaftliche AOK-Institut mal die Stimmung des Verhältnisses zwischen Apotheker und AOK analysieren und hinterfragen. Das Ergebnis sähe vermutlich so aus: Leistung ohne Lob, Druck statt Motivation – schlechte Stimmung zwischen Apotheken und AOK macht Apotheker krank. Und die Schlagzeile: AOK erhöht gesundheitliche Risiken für Apotheken!
13. September 2016
Und das, was die AOK Rheinland/Hamburg mit Apothekern macht, gehört in diese Kategorie der schlechten Stimmung, die auf Apotheken drückt: Bei Lieferdefekten reicht dieser Kasse der Vermerk der Sonder-PZN nicht. Sie verlangt Nachweise für die Defekte, sonst Retax! Da man von der ABDA keine oder kaum Proteste dagegen vernimmt, werden einige Apotheker aus Nordrhein aktiv. Sie sind davon überzeugt, dass die beliefernde Apotheke fast immer das Nachsehen hat und für Ungenauigkeiten und Fehler in der Lieferkette das finanzielle Risiko trägt. Veit Eck, Inge Funke, Sandra Kruse und Claudia Meyer – Delegierte der AK Nordrhein beim Deutschen Apothekertag – sowie Gunnar Müller von der AK Westfalen-Lippe planen einen Antrag für den Deutschen Apothekertag: Diese Retaxierungspraxis soll sofort beendet werden, Hersteller müssen eine Meldepflicht haben, wenn sie nicht liefern können, der Großhandel soll die Nichtlieferfähigkeit in einer Datenbank erfassen und ein apothekereigenes Melderegister muss erstellt werden. Mein liebes Tagebuch, solche Anträge gehören auf den Apothekertag. Dumm nur, dass der Vorstand der AK Nordrhein in diesem Jahr schmollt und keine Anträge stellen will. Die Antragsteller hoffen daher auf Unterstützung von Kollegen aus anderen Kammern und Verbänden. Mit von der Partie wird der Offenbacher Apotheker Haru Diefenbach sein, der Lieferengpasskenner der deutschen Apotheker par excellence. Er will die aktuelle Situation der Defekte darstellen und bittet um Mithilfe, um Zusendung von Defektlisten. Also, aufgeht’s!
14. September 2016
Play it again, Sam. Ja, er macht’s noch mal. Günther Hanke, Präsident der LAK Baden-Württemberg, der einzige „Präses" ohne eigene Apotheke, trat nochmal an – und wurde gewählt für seine vierte Amtszeit. Sein Programm: „Kooperation statt Konfrontation“, aber dennoch: Selbstbewusstsein gegenüber den Ärzten. Nicht neu, aber ein Dauerbrenner. Seine neuen Vorstellungen: Apotheker, die impfen, Wiederholungsrezepte beliefern und Therapieverlaufskontrolle durchführen dürfen. Na, mein liebes Tagebuch, da kann man ihm nur zurufen: Glückwunsch und viel Erfolg!
Haben sie oder haben sie nicht? Die Großhändler! Gekungelt? Das Bundeskartellamt vermutet jedenfalls Absprachen und führte eine Großrazzia durch. Der Vorwurf, der im Raum steht: wettbewerbswidrige Absprachen, z. B. Stillhalteabkommen oder Aufteilung des Bundesgebietes in Regionen. Na, mein liebes Tagebuch, Vorwürfe, dass der Großhandel sich abgesprochen haben soll, gab’s doch schon mal vor ein paar Jahren. Die werden doch nicht schon wieder? Oder versucht das Bundeskartellamt mal einfach ein paar Bußgelder zu kassieren? Jedenfalls weisen alle Großhändler Absprachen von sich und waren bei den Durchsuchungen lieb und brav und wollten mit den Behörden kooperieren. Wir werden sehen.
Die ABDA betreibt einen Intershop für Potenzmittel! Das könnte Euros in die Kassen spülen. Ist die Geldnot schon so groß? Oder wird’s Häuschen am Bahnhof so teuer? Leider alles nur Fake! Alles nur Betrug! Die ABDA protestiert heftig und warnt vor Bestellungen. So was, mein liebes Tagebuch, da freut man sich, dass die ABDA einmal was G’scheites macht – und dann entpuppt es sich als Schwindel. Nein, im Ernst: Das ist nicht mehr lustig, wenn solche gefälschten Internetseiten auftauchen. Die falsche Seite war und ist noch im Netz. Warum lassen sich die Betreiber nicht ermitteln?
15. September 2016
Das ist Big Pharma. Bayer will zuschlagen und den US-Biotechnologie-Riesen Monsanto für 66 Milliarden Dollar übernehmen. Und damit zur Nummer eins im Agrarchemiegeschäft werden, dem größten Anbieter für Saatgut und Pflanzenschutzmittel. Es ist die größte Übernahme eines deutschen Unternehmens. Bei diesem Preis kann man nur auf einen wachsenden Markt für Saatgut und Pestizide setzen. Und auf einen sich bessernden Ruf von Monsanto. Der ist nämlich arg schlecht. Monsanto – das ist u. a. genmanipuliertes Saatgut, das sind auch knallharte Verträge mit den Bauern, die das Saatgut verwenden. Das Pharmageschäft soll darunter nicht leiden, hat Bayer-Chef Werner Baumann gesagt: „Pharma wird organisch wachsen…“ Ist schon ein mutiges Unterfangen, ein Unternehmen zu steuern, das Gen-Mais, Unkrautvernichter Glyphosat, Xarelto, Aspirin, Laif und Flohhalsbänder für Katzen im Portfolio hat. Und immer wieder erstaunlich, welche Summen von Big Pharma locker bewegt werden können. Mein liebes Tagebuch, zum Vergleich: Etwa nur ein Zehntel davon soll der neue Stuttgarter Bahnhof kosten.
16. September 2016
Der Countdown läuft. Ab 1. Oktober können die Patienten, die drei oder mehr Arzneimittel verordnet bekommen, zu ihrem Hausarzt sagen: „Lieber Herr Doktor, ich hätte gerne einen Medikationsplan.“ Und dann wird’s für den Arzt lustig und ernst zugleich. Der Patientenwunsch spült ihm einige Euro in die Kasse. Aber dafür muss er einen Plan ausfüllen – und das macht Arbeit: Er muss die verordneten Arzneimittel plus Dosierungen eintragen und er sollte den Patienten idealerweise nach weiteren von Fachärzten verordneten Arzneimitteln fragen. Doch da klemmt’s. Der Patient wird nicht alle Präparate und ihre Dosierungen auswendig aufsagen können. Das heißt, der Patient wird den Plan auf Papier seinen Fachärzten vorlegen, wenn er sie das nächste Mal besucht. Und was machen die? Sie werden wohl kaum einen neuen Plan elektronisch ausstellen, denn das würde bedeuten, den alten Plan abzutippen. Sie werden ihre Medikation handschriftlich ergänzen. Und dann geht’s in die Apotheke, wo der Apotheker, die PTA die Selbstmedikationsarzneimittel auf den Papierplan kritzeln. Mein liebes Tagebuch, bleibt die Frage, ob der Patient überhaupt dafür sensibilisiert ist, alle Arzneimittel eintragen zu lassen. Und wer schaut dann letztlich über den handschriftlich zusammengestückelten Plan, wer checkt Doppelverordnungen und Wechselwirkungen? Das müsste eigentlich der Arzt machen – er ist der Urheber des Plans, er wird dafür bezahlt. Aber hat er dafür Zeit, will er das, und vor allem: Kann er das? Mein liebes Tagebuch, meine Meinung dazu: So, wie der Medikationsplan zurzeit vorgesehen ist, also nur von Ärzten ausgestellt und nur auf Papier, erweist man diesem äußerst sinnvollen Instrument einen Bärendienst. Es wird nicht funktionieren, es bleibt Stückwerk. Selbst Gerd Glaeske hält es für einen Fehler, die Apotheker beim Medikationsplan weitestgehend außen vor zu lassen. Und Ärzte räumen mittlerweile ein, dass sie derzeit aus Zeitmangel kaum einen Medikationsplan erstellen. Mein liebes Tagebuch, für mich bleibt es unverständlich, warum ein Bundesgesundheitsminister die Apotheker nicht stärker eingebunden hat. Es zeigt aber auch, welchen Stellenwert wir Apothekers in der Gesundheitspolitik haben. Das ist ein Desaster.
11 Kommentare
@ Gabriela Aures
von Thesing-Bleck am 18.09.2016 um 21:35 Uhr
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AW: Guten Morgen !
von gabriela aures am 19.09.2016 um 9:23 Uhr
Monsanto + Bayer = Mobay. Äh..
von Dr. Mauz am 18.09.2016 um 18:56 Uhr
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AW: Ich muss gestehen...
von Andreas P. Schenkel am 18.09.2016 um 21:21 Uhr
Etwas zum Staunen ...
von Reinhard Herzog am 18.09.2016 um 17:51 Uhr
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Schnell noch was abrechnen....
von gabriela aures am 18.09.2016 um 13:38 Uhr
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Letzter Abschnitt im Tagebuch
von Heiko Barz am 18.09.2016 um 12:27 Uhr
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Monsanto? - da war doch noch was!
von Dr. Mauz am 18.09.2016 um 10:38 Uhr
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AW: Äh, Kollege ... ?
von Andreas P. Schenkel am 18.09.2016 um 16:56 Uhr
AW: Äh, Kollege....
von Dr. Mauz am 18.09.2016 um 19:25 Uhr
Handschriftliches Gekritzel im Medikationsplan unakzeptabel
von Thesing-Bleck am 18.09.2016 um 9:07 Uhr
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