Großbritannien

Diagnose und Antibiotika-Rezept vom Apotheker

Berlin - 21.09.2016, 16:00 Uhr


In der Region rund um die schottische Stadt Aberdeen können Apotheker seit einigen Tagen gewisse Antibiotika ohne ärztliche Verordnung abgeben. Der regionale Gesundheitsdienst will die Arztpraxen entlasten: Frauen mit Harnwegsinfekten sollen zur Beratung, Diagnose und Medikationsbesprechung künftig ausschließlich in die Apotheke gehen.

Es ist ein Novum: Der regionale Gesundheitsdienst (NHS) in der Region Grampian teilte mit, dass die niedergelassenen Ärzte durch die neuen Apotheken-Dienstleistungen um bis zu 25.000 Arztbesuche entlastet werden könnten. „Patienten in der Region Grampian können ihre antibiotische Behandlung bei einer der am häufigsten vorkommenden Infektionen bekommen, ohne einen Arzt sehen zu müssen“, teilte der NHS in einer Mitteilung mit.

Konkret geht es um Infektionen der Harnwege bei Frauen zwischen 16 und 65 Jahren. Die Apotheker dürfen sich seit Montag in das Programm einschreiben, müssen aber nachweisen, dass sie eine bestimmte Fortbildung absolviert haben. 90 Pharmazeuten haben sich bereits für das Angebot registriert. Sie müssen die Frauen mithilfe eines Urin-Tests untersuchen, einen umfangreichen Fragebogen ausfüllen sowie das gesamte Gespräch protokollieren. „Frauen werden durch den Apotheken-Service einen schnelleren, einfacheren Zugang zu ihrer Behandlung haben als vorher“, erklärte der NHS.

In Großbritannien sind die regionalen Ableger des NHS selbst für die Verteilung ihrer Budgets zuständig. Die Regierungen in Schottland und England entscheiden zwar darüber, wie hoch die Budgets für die einzelnen Regionen sind. Die meisten Verträge mit den Leistungserbringern schließen jedoch die einzelnen Gesundheitsdienste ab. In den regionalen NHS-Ablegern entscheiden Kommissionen über die Erstattungsfähigkeit von Leistungen. Insbesondere Ärzte sitzen in diesen Gremien.

Beratungspauschale für Apotheker

Bei dem neuen Service in Aberdeen erhalten die Apotheker für jede Beratung, Diagnose und Medikamentenabgabe eine Pauschale, deren Höhe der NHS derzeit nicht verrät. Im Vereinigten Königreich bestehen große Teile der Apothekervergütung aus solchen Beratungs- und Dienstleistungshonoraren. Unter diesen Extra-Honoraren gibt es solche, die in allen NHS-Gebieten zum gleichen Preis abgerechnet werden können, wie zum Beispiel Medikationschecks für Chroniker, die Ausstellung von Folgerezepten oder  gewisse Ernährungsberatungen. Des Weiteren können die regionalen NHS-Ableger aber auch spezifische, weitere Dienstleistungen mit Apothekern vereinbaren, die sich je nach dem regionalen Behandlungsbedarf ergeben – so wie es der NHS Grampian nun macht.

Bei der Vorstellung der neuen Dienstleistung sagte Alasdair Jamieson, Chef der NHS-Ärzte in der Region Grampian: „Von dieser Krankheit sind hauptsächlich Frauen betroffen. Ungefähr die Hälfte aller Frauen wird im Schnitt einmal in ihrem Leben an einem harmlosen Harnwegsinfekt erkranken. Bislang sind ohnehin schon viele Frauen nur in die Apotheke gegangen, um sich ein OTC-Arzneimittel zu kaufen. Damit haben sie zwar die Symptome, aber nicht den Ursprung der Krankheit bekämpft.“

Die Apotheker in der Region konnten in den vergangenen Monaten an verschiedenen Fort- und Weiterbildungen zum Thema teilnehmen. Dabei haben sie beispielsweise gelernt, in welchen Fällen sie eine Patientin in jedem Fall ohne die Medikamentenabgabe zum Arzt schicken müssen. Außerdem ging es um die Diagnosestellung, die Urin-Tests, die Fragebögen sowie die Protokolle.

Der NHS hat bereits eine eigene Internetseite für die neue Dienstleistung erstellt, auf der betroffene Frauen informiert werden. Auf der Seite finden die Patienten auch eine Liste der teilnehmenden Apotheken. Unter den rund 90 Teilnehmern sind zwölf Standorte der Apothekenkette Boots, zwei Standorte der Celesio-Kette Lloyds sowie mehrere Apotheken der Phoenix-Kette Rowlands.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Rx Abgabe akutbedarf

von Dr. Hardt am 23.09.2016 um 0:05 Uhr

...und in D trauen sich die Apotheker nicht mal, selbst (ABDA) Kriterien zu ermitteln, wann Apotheker im Patienteninteresse rx AM auch ohne ärztliche Verordnung abgeben könnten. Selbst solche Anträge lehnt der DAT mit Mehrheit ab - pharmazeutische Verantwortung zu riskant - soll lieber die Sprechstundenhilfe entscheiden, die ja auch denMedikationsplan ausfüllen wird!! Oder ändert sich was beim DAT 2016

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