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2 Milliarden Euro – so viel sollte das AMNOG mit seiner frühen Nutzenbewertung der GKV einsparen. Kassenvertreter beklagen immer wieder, diese Summe sei bei weitem nicht erreicht. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie macht nun kurz vor der Vorstellung des Arzneiverordnungs-Reports 2016 eine andere Rechnung auf.
In wenigen Tagen wird der Arzneiverordnungs-Report (AVR) 2016 vorgestellt. In bewährter Tradition werden die Herausgeber dieses Standardwerks vorrechnen, wieviel Geld in der Arzneimittelversorgung noch gespart werden kann. Und wie jedes Jahr werden die Pharmaverbände im Anschluss diesen Aussagen widersprechen.
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) übt den Widerspruch seit einigen Jahren bereits im Vorfeld. Immer kurz vor der Vorstellung des AVR zeigt er auf, wo dessen Autoren im Jahr zuvor eine krumme Rechnung aufgemacht haben. Beispielsweise, wenn sie bei Ländervergleichen die Mehrwertsteuerunterschiede unter den Tisch fallen lassen.
In diesem Jahr kapriziert sich der BPI auf zwei Zahlen: 2 Milliarden Euro und 10 Prozent.
Anzunehmen ist, dass am kommenden Montag, bei der Vorstellung des AVR in Berlin, die mit dem AMNOG anvisierte Einsparsumme von 2 Milliarden Euro zur Sprache kommt. Diese Zahl wird gern genannt, um zu zeigen, dass das AMNOG nicht so wirkt, wie der Gesetzgeber es sich einst vorgestellt hatte. Zwar nennt das Gesetz von 2010 diesen Betrag. Zugleich heißt es aber, dass „der Zeitpunkt, ab dem diese Entlastung erreicht wird, [ab]hängt vom Zeitbedarf für die Einbeziehung der bereits im Markt befindlichen nicht festbetragsfähigen Arzneimittel“. Bekanntlich hat der Gesetzgeber später von der zunächst geplanten Bestandsmarktbewertung gänzlich Abstand genommen.
Im vergangenen Jahr beklagten die AVR-Herausgeber, dass die Einsparungen sich 2014 erst auf 380 Millionen Euro summiert hätten. Dies ist die Differenz der ursprünglichen Herstellerpreise und der Erstattungsbeträge. Stimmt, sagt sogar der stellvertretende Geschäftsführer des BPI, Norbert Gerbsch. So spiegeln es auch die Zahlen von IMS Health. Bei der kürzlich erfolgten Vorstellung des TK-Innovationsreports hieß es dann, 2015 hätten sich die Einsparungen bereits auf 800 Millionen Euro belaufen. Auch dies kann Gerbsch bestätigen. Für ihn ist das allerdings nicht beklagenswert, sondern die „zu erwartende Zielgerade“. Rechnet man nun weiter hoch – 2016 sind bislang weitere 49 neue Arzneimittel abschließend bewertet worden – sei für 2016 eine Ersparnis von „deutlich über 1 Milliarde Euro“ zu erwarten.
BPI: Einsparungen werden unterschätzt
Und wer nun gerne auf 2 Milliarden kommen will, dem bietet der BPI hierfür ein Denk- und Rechenmodell. Der Verband meint nämlich: Berücksichtigt werden müssten auch die Kosten für Arzneimittel, die nach dem AMNOG gar nicht erst auf den Markt gekommen sind, beziehungsweise wieder aus diesem verschwunden sind. Immerhin 26 Präparate zogen die Hersteller zu unterschiedlichen Zeitpunkten des AMNOG-Verfahrens aus dem Markt zurück – allein acht Antidiabetika. Betrachtet man nur das Jahr 2015, waren es 18 Rückzüge.
Dann macht der BPI auch noch die Rechnung auf, dass fast 18 Prozent der seit Inkrafttreten des AMNOG von der EMA zugelassenen Präparate, die die frühe Nutzenbewertung hätten durchlaufen müssen, gar nicht erst in Deutschland eingeführt wurden. Das seien immerhin 30 Präparate, von denen 28 dem Jahr 2015 zuzurechnen seien. Zum Vergleich: In der Vor-AMNOG-Zeit seien über einen entsprechenden Fünf-Jahres-Zeitraum hinweg nur zwei Präparate mit EMA-Zulassung (1,5 Prozent der potenziellen AMNOG-Kandidaten) nicht auf den deutschen Markt bekommen. Gerbsch spricht daher von einer „Barriere-Wirkung“ des AMNOG.
Eine Rechnung mit Fragezeichen?
Er räumt ein: Hier konkrete Einsparungen berechnen zu wollen, gleiche einem Blick in die Glaskugel. Dennoch nimmt der Verband eine Abschätzung vor. Dafür errechnete er aus dem Daten des AVR 2015 den durchschnittlichen GKV-Nettopreis pro Jahr für eines der 250 führenden patentgeschützten Arzneimittel – und kommt auf 53,8 Millionen Euro. Für die neuen Präparate, die den Markt nicht erreicht haben oder wieder zurückgezogen wurden, setzt er 55 Prozent dieser Summe an: 29,59 Millionen Euro kommen dann heraus. Multipliziert man diese nun mit 46 (18+28 Rücknahmen/Nichteinführungen) und rechnet die schon von der TK anerkannten 800 Millionen dazu, kommt man auf 2,16 Milliarden Euro!
Das hat durchaus was für sich. Die Kassen werden sich freuen, dass sie für so viele Arzneimittel, die sie mangels Zusatznutzen für unnötig halten, nicht zahlen müssen. Der BPI verweist hingegen darauf, dass Behandlungsoptionen für die Patienten verloren gingen. Ganz stimmig ist die Rechnung allerdings nicht: Die Patienten, die theoretisch die jetzt nicht (mehr) verfügbaren Arzneimittel hätten erhalten können, bekommen jetzt vermutlich andere Präparate. Und die kosten ebenfalls etwas. Diese Ausgaben würde man allerdings wiederum sparen, nähmen sie die anderen Arzneimittel, die es gar nicht gibt. Bis die anvisierten 2 Millionen Euro erreicht sind, wird vermutlich noch etwas Zeit ins Land gehen.
Die (knapp) 10 Prozent, die der BPI als zweite relevante Zahl ins Spiel bringt, beziehen sich übrigens auf den tatsächlich erstaunlich beständigen Anteil der Pharmazeutischen Industrie an den Ausgaben der GKV im ambulanten Sektor. Zwischen 1997 und 2014 bewegte sich dieser Anteil zwischen acht und zehn Prozent.
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