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An Frust haben wir Apothekers uns schon gewöhnt. Aber selten gab’s so einen Mega-Frust wie in dieser Woche. Bei den Ärzten wird ein Milliarden-Honorar durchgewunken, inklusive einer satten Bezahlung für den Medikationsplan. Und für uns bleibt die Assistentenrolle beim Aktualisieren des Plans, selbstverständlich ohne Honorar. Sind das die Perspektiven des Heilberufs Apotheker?
19. September 2016
Versandapotheken rollen den OTC-Markt auf, sie stehen mit den Vor-Ort-Apotheken bei Aspirin, Grippostad und Voltaren im Preiswettbewerb. Aber bei Rx ist die Präsenz-Apotheke vorne. Stimmt, mein liebes Tagebuch, doch der niederländische Versender DocMorris bläst jetzt zum Sturm auf die Bastille. Im Vergleich mit anderen Versand-Apos hatte er schon bisher einen relativ hohen Rezeptanteil. Mit einer aufwendigen Werbekampagne, einem witzigen halbminütigen TV-Spot, will DocMorris seinen Rx-Anteil steigern. Abgesehen hat es der Versender vor allem auf die Rezepte von Chronikern, ein profitables Kerngeschäft, bei dem man wieder auf den „zweistelligen Wachstumspfad“ zurückkehren möchte, heißt es bei DocMorris. Und er schielt dabei mächtig auf den EuGH und das anstehende Urteil in Sachen Rx-Boni. Sollte das Gericht die Boni für rechtens halten, knallen die Korken bei DocMorris.
Eine Woche nach dem Apothekertag werden Weichen gestellt: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) verkündet am 19. Oktober 2016 seine Entscheidung, ob ausländische Apotheken Boni für verschreibungspflichtige Arzneimittel geben dürfen. Das wird fast so spannend wie damals, als der EuGH am 19. Mai 2009 seine Entscheidung verkündete, dass das Fremdbesitzverbot mit dem Europarecht vereinbar ist. Sollten nämlich die Luxemburger Richter die Rx-Preisbindung für EU-ausländische Apotheken kippen, könnte auch der einheitliche Apothekenpreis für Rx in Deutschland wackeln. Dumm nur, dass der EuGH erst nach dem Apothekertag entscheidet – käme ein solcher Urteilsspruch vorher, hätte der Apothekertag eines der heißesten Themen der letzten Jahre. Dann, mein liebes Tagebuch, hätte die ABDA ihren Plan B auf den Tisch legen müssen, z.B. für den wahrscheinlichen Fall, dass Apotheker klagen (Inländerdiskriminierung).
20. September 2016
Er läuft sich warm, ABDA-Präsidentschaftskandidat Kai-Peter Siemsen. Mittlerweile hat er allen relevanten Fachmedien ein Interview gegeben. Eines seiner Hauptziele ist, mehr Transparenz und Offenheit zu leben und besser mit der organisierten Basis zu kommunizieren. Meine liebes Tagebuch, dafür gibt es schon mal ein dickes „Like“. Er möchte zudem die Kollegenschaft besser über den jeweiligen Grad der Umsetzung und Bearbeitung der verabschiedeten oder in den Ausschuss verwiesenen Apothekertagsanträge informieren und eine Datenbank der Anträge umsetzen. Auch dafür schon mal ein großes „Like“. Nun ist es an ihm, die Kammern und Verbände zu überzeugen. Auf alle Fälle wird es bis zum Jahresende spannend werden, wie sich beide Kandidaten, Schmidt und Siemsen, aufstellen werden, wer die überzeugenderen Argumente vorbringt und wem man in Zukunft mehr zutraut, die Apotheker in die Zukunft zu führen.
21. September 2016
Als Apotheker kann man diese Meldungen nur mit offenem Mund und großen Augen lesen: Eine Milliarde Euro bekommen die Ärzte ab 2017 mehr. Das ist ein Wort. Ein Grund für diese Erhöhung, auf die sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband der Krankenkassen verständigt haben, dürften die gestiegenen Kosten der Arztpraxen sein – ein Inflationsausgleich war nötig. Na super, mein liebes Tagebuch, und warum gesteht man eigentlich nur den Arztpraxen einen Inflationsausgleich zu und nicht den Apotheken? Kann dies irgendein Politiker bitte mal erklären? Worüber Ärzte besonders glücklich sein dürfen: Laut Gesetz müssen KBV und GKV-Spitzenverband jedes Jahr über die Höhe ihres Honorars neu verhandeln, konkret über die Höhe des Orientierungspunktwertes. Wieso funktioniert die jährliche Anpassung bei den Ärzten und wieso nicht bei den Apotheken? (Das Apothekerhonorar wurde seinerzeit über acht Jahre lang nicht angepasst, ganz zu schweigen von einer überfälligen Anpassung der Arbeitspreise für die Rezeptur). Ich habe noch den Aufschrei der Kassen im Ohr, als vor Kurzem die geplante mickrige Erhöhung des Rezepturhonorars und der Doku-Gebühr im Gespräch war – echte Peanuts im Vergleich zur satten Honoraraufstockung bei den Ärzten. Mein liebes Tagebuch, was uns Apothekern darüber hinaus besonders schmerzt, sind die 163 Millionen Euro, extrabudgetär versteht sich, die man den Ärzten für das Ausstellen des Medikationsplan zubilligt. Wie durchsickerte, dürfen die Ärzte den Medikationsplan sogar unbegrenzt oft bei den Kassen abrechnen, 5 Euro pro Plan soll es geben. Und wir Apotheker müssen auf Verlangen der Patienten die OTC-Arzneimittel nachtragen und den Plan aktualisieren, eine Arbeit, die kaum weniger aufwendig ist als die initiale Ausstellung des Plans durch den Arzt. Mein liebes Tagebuch, wer kann dies schlüssig logisch erklären, warum die und nicht wir auch?
22. September 2016
Nur noch wenige Tage bis zum 1. Oktober – und der Medikationsplan wird Realität. Dann werden uns schon bald die Patienten den Papierausdruck ihres Arztes vorlegen und uns bitten, die OTC-Arzneimittel nachzutragen. Oder wir sehen uns gezwungen, die Rabattarzneimittel nachzutragen oder sonstige Aktualisierungen vorzunehmen - wozu wir, wenn der Patient es wünscht, verpflichtet sind – selbstverständlich ohne Honorar. Denn das ist für Apotheker nicht vorgesehen. Wenn man sich erinnert, wie groß die Hoffnungen noch vor zwei Jahren waren, beim Medikationsplan mitwirken zu dürfen! Im Trio aus Medikationsplan, Medikationsanalyse und Medikationsmanagement sollte perspektivisch die Zukunft des Heilberufs Apotheker liegen. Jetzt ist der Medikationsplan schon mal weggebrochen, die Politik sieht die Apotheker in der Rolle der Assistenten, der Statisten, ohne Honorar. Mein liebes Tagebuch, können wir da noch große Hoffnungen haben, eine tragende Rolle im Gesundheitswesen zu spielen? Ich frage mich auch, warum die Ärzte in der Politik ein so stärkeres Standing haben als wir Apothekers? Was lief hier in der Vergangenheit schief?
23. September 2016
Die Apotheker sind vom Medikationsplan weitgehend ausgegrenzt. Man kann nicht sagen, die ABDA hat es nicht wirklich versucht, sie hat brav argumentiert – aber sie drang bei den Politikern und den Kassen nicht durch. Und jetzt? Die Bundesapothekerkammer: Es sei ein Fehler, die Leistungen des Apothekers beim Medikationsplan nicht von Anfang an in Anspruch zu nehmen, schmollt sie. Hilft nur leider nichts. Die Hoffnung der ABDA ruht nun darauf, den Apotheker mit einzubinden, wenn der Medikationsplan auf der elektronischen Gesundheitskarte abgespeichert wird, also etwa in ein, zwei Jahren, wenn alles gut geht. Aber, mein liebes Tagebuch, warum sollten Politik und Kassen dann den Apotheker dafür honorieren? Der Arbeitsaufwand mit der Karte ist noch geringer als das derzeitige Nachtragen auf dem Papierplan. Wir müssen einsehen, dass unsere Arbeit eines Extra-Honorars nichts wert ist. Punkt.
Früher waren es einige Grüne, jetzt liebäugeln junge wilde Liberale mit der Liberalisierung des Apothekenmarkts. Allen voran, ganz aktuell, ein FDP-Landesvorstandsmitglied aus Bayern, Matthias Fischbach. Er himmelt den Gesundheitsökonomen Fred Röder an, der unlängst in einem Online-Beitrag die deutsche Apotheke als Anachronismus in Europa bezeichnet hat. Röder glaubt, dass der Erfolg der Apotheken „auf mittelalterlichen Gildestrukturen beruht und auf Kosten der Allgemeinheit realisiert wird“. Für Fischbach ist das Ansporn, FDP-intern die Chancen der Abschaffung des Fremd- und Mehrbesitzverbots prüfen zu lassen. Mein liebes Tagebuch, FDP – wer war das eigentlich?
17 Kommentare
Medikationsplan & Honorarerhöhung für Apotheken
von Sylvia Trautmann am 26.09.2016 um 21:17 Uhr
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Korrektur
von Karl Friedrich Müller am 26.09.2016 um 11:27 Uhr
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AW: Da müssen wir wirklich irgendwie raus .........
von Wolfgang Müller am 26.09.2016 um 11:49 Uhr
wie soll das praktisch gehen?
von Karl Friedrich Müller am 26.09.2016 um 9:45 Uhr
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AW: VÖLLIG ahnungslos, nicht nur bei der Arzneitherapie!
von Wolfgang Müller am 26.09.2016 um 11:04 Uhr
Habt Mut, Euch Eures eigenen Verstandes zu bedienen…
von Gunnar Müller, Detmold am 25.09.2016 um 14:06 Uhr
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Mal die Fakten anschauen ...
von Reinhard Herzog am 25.09.2016 um 12:18 Uhr
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AW: Geriatrie - Plus
von gabriela aures am 25.09.2016 um 12:27 Uhr
AW: Falsch, Herr Herzog !
von gabriela aures am 25.09.2016 um 12:34 Uhr
Apothekertag
von Frank ebert am 25.09.2016 um 11:05 Uhr
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"Aufgeworfene Fragen zum Arzt- und Apothekenhonorar"
von Wolfgang Müller am 25.09.2016 um 10:50 Uhr
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Das ist schon bitter..
von Veit Eck am 25.09.2016 um 10:18 Uhr
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Honorar seit acht Jahren defacto gedeckelt
von Thesing-Bleck am 25.09.2016 um 9:30 Uhr
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AW: 8 Jahre oder 12 Jahre ?
von gabriela aures am 25.09.2016 um 10:54 Uhr
Wohlan , ihr Gildemeister und Marketenderinnen !
von gabriela aures am 25.09.2016 um 9:11 Uhr
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DAT 2016 ohne Honorardiskussion?
von Ulrich Ströh am 25.09.2016 um 8:59 Uhr
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Mediplan
von Silke Hans am 25.09.2016 um 8:57 Uhr
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