Beobachtungsstudie zeigt

Schmerzmittel können dem Herzen schaden

Stuttgart - 29.09.2016, 07:00 Uhr

Nicht alles, was gut gegen Schmerzen ist, ist auch gut fürs Herz. (Foto: adragan / Fotolia)

Nicht alles, was gut gegen Schmerzen ist, ist auch gut fürs Herz. (Foto: adragan / Fotolia)


Einige COX-Inhibitoren können das Risiko für Herzversagen erhöhen – und zwar abhängig von der Dosis. Das betrifft auch  Wirkstoffe wie Ibuprofen und Diclofenac, die es ohne Rezept in der Apotheke gibt. Das ist das Ergebnis einer von der EU geförderten Studie, die im Fachblatt BMJ erschien

Es geht um die Wirkstoffklasse der nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR). Dazu zählen nicht-steroidale, entzündungshemmende Wirkstoffe erster Generation (NSAR) sowie die neuere Generation entzündungshemmender Mittel, die selektiven COX-2-Hemmer. Sie werden, je nach Wirkstoff, gegen Schmerzen, Entzündungen und Fieber eingenommen und sind teils ohne Verschreibung in der Apotheke zu haben, teils sind sie rezeptpflichtig.

Schmerzmittel können auf den Herzmuskel gehen, das ist bereits bekannt. Eine große Studie aus Dänemark zeigte, dass eine bereits bestehende Herzschwäche sich durch die Einnahme bestimmter NSAR verschlechterte und sogar mit einem erhöhten Risiko von Herzinfarkt oder Tod assoziiert war. Aber auch ohne Vorerkrankung erhöht sich das Risiko. Ein internationales Forscher-Team um Giovanni Corrao von der Universität Mailand-Bicocca wollte nun wissen, welcher Wirkstoff genau in welcher Dosis ein wie großes Risiko für Herzschäden birgt.

Daten von fast zehn Millionen Patienten

Für ihre Untersuchung werteten sie die Daten von fast zehn Millionen Erwachsenen aus Deutschland, den Niederlanden, England und Italien aus, denen zwischen 2000 und 2010 Schmerzmittel verschrieben wurden. Dabei wurden 23 herkömmliche NSAR und vier COX-2-Hemmer (Kasten) in die Analyse einbezogen. Die Vergleichsgruppe umfasste 8.246.403 Patienten.

  • Ketorolac*
  • Etoricoxib (Arcoxia)
  • Indometacin (versch. Generika)
  • Rofecoxib (Vioxx, Marktrücknahme 2004)
  • Sulindac*
  • Piroxicam (versch. Generika)
  • Acemetacin (Rantudil und Generika)
  • Diclofenac (Voltaren und Generika)
  • Dexibuprofen (Deltaran)
  • Nimesulid*
  • Ibuprofen (z.B. Aktren, Nurofen, Dolormin und versch. Generika)
  • Naproxen (Aleve und versch. Generika)
  • Valdecoxib (Bextra, Marktrücknahme 2005)
  • Nabumeton (Arthaxan, Relifex)
  • Tiaprofensäure (Surgam)
  • Lornoxicam*
  • Tenoxicam*
  • Ketoprofen (Gabrilen)
  • Aceclofenac (Beofenac)
  • Meloxicam (Mobec und versch. Generika)
  • Diclofenac-Kombinationen
  • Proglumethacin (Protaxon)
  • Flurbiprofen*
    * in Deutschland nicht als Analgetikum erhältlich

In der Schmerzmittel-Gruppe gab es 92.163 Krankenhauseinweisungen wegen Herzversagen. Hatte der Patient in den vorangegangenen 14 Tagen bestimmte NSAID eingenommen, erhöhte sich das Risiko um 19 Prozent. Es handelte sich um Diclofenac, Ibuprofen, Indometacin, Ketorolac, Naproxen, Nimesulid, Piroxicam und die COX-2-Hemmer Etoricoxib und Rofecoxib.

Hohe Diclofenac-Dosen verdoppeln

Bei Diclofenac, Etoricoxib, Indometacin, Piroxicam und Rofecoxib in sehr hohen Dosen verdoppelte sich sogar das Risiko. Auch bereits mittlere Dosen von bei Indometacin und Etoricoxib wirkten sich negativ aus. Celecoxib hingegen, der am häufigsten verordnete COX-2-Hemmer, war in normaler Dosierung diesbezüglich unauffällig.

Einschränkend muss gesagt werden, dass das Durchschnittsalter der Probanden mit 77 Jahren recht hoch war. Dies sei eine Beobachtungsstudie, es ließe sich also nicht eindeutig auf Ursache und Wirkung schließen, meinten die Forscher. Dennoch gebe es unbestreitbar eine Verbindung zwischen den am häufigsten verwendeten NSAR und selektiven COX-2-Hemmern mit einem erhöhten Risiko für eine Krankenhauseinweisung wegen Herzversagen. Darüber hinaus scheint die Gefahr abhängig vom Wirkstoff und der eingesetzten Dosis zu sein.  

„Dass NSAR harmlos sind, ist ein verbreiteter Irrglaube"

Die Autoren hoffen, dass die Untersuchung dazu beiträgt, Kliniker und Aufsichtsbehörden über das Risiko zu informieren. In einem Editorial zu der Studie weisen dänische Herzspezialisten darauf hin, dass bereits ein kleiner Anstieg des kardiovaskulären Risikos für das Gesundheitswesen besorgniserregend sei, weil die Wirkstoffe in so großer Breite eingesetzt werden.

Diese Schmerzmittel sind in vielen Ländern im Supermarkt ohne Beratung zu haben. Das führe zu dem weit verbreiteten Irrglauben, NSAR seien harmlos und für jeden sicher, schreiben die Kommentatoren weiter. Die Herzspezialisten halten daher eine strengere Regulierung für gerechtfertigt. Außerdem sehen sie den Bedarf einer Beratung durch einen Arzt oder Apotheker, die Patienten über die richtige Einnahme und mögliche Risiken informieren.  


Barbara Bückmann, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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5 Kommentare

Ketolac

von Andreas Holl am 08.02.2018 um 21:47 Uhr

Habe dieses Mittel in Ägypten bekommen vom Arzt,obwohl ich COPD habe.Wollte mal wissen ob dieses Medikament in Deutschland verboten ist.Wenn ja weshalb.

Ihrer Mühe im Vorraus vielen Dank

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ACE-Hemmer und Sartane

von Johann Fersterer am 02.10.2016 um 13:56 Uhr

die Kombination von ACE-Hemmern und Sartanen mit NSAR-Einnahme wirkt sich negativ auf die Nierenfunktion aus, dies kann wiederum zu einer Herzinsuffizienz führen. Deshalb als Alternative Tramadol in niedrigen bis mittleren Dosen einsetzen. Man weiß, dass Schlaganfälle unter Celecoxib häufiger sind als unter anderen NSAR (Thrombozyten-Einfluss)

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(Unnötige) Verunsicherung der Ärzte ist ein relevantes klinisches Problem

von Prof. Dr. med. Thomas Herdegen am 30.09.2016 um 13:19 Uhr

In Fortbildungen und Gesprächen mit Ärzten ist immer häufiger wegen des kardiotoxischen Risikos eine große Unsicherheit im Umgang mit NSAR zu erfahren, die zu einer analgetischen Unterversorgung vor allem von älteren Schmerzpatienten führt. Das ist ein relevantes klinisches Problem.
Diese (unnötige) Verunsicherung ist abzugrenzen vom mangelnden Problembewußtsein der Bevölkerung, zumal wenn oft nur ungenügend aufgeklärt wird wie beim Bezug aus dem Internet.
Der Ruf nach Verschärfung der Regularien gilt (abgesehen vom Internetbezug) nicht für Deutschland, wo NSAR nur in Apotheken abgegeben werden.
So wie der Eindruck eines harmlosen Medizinproduktes vermieden werden muss, so sollte auch ein insgesamt niedriges kardiovaskuläres Risiko bei einer Entscheidung für oder gegen ein Analgetikum berücksichtigt werden

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Korrelation

von Per-Holger Sanden am 30.09.2016 um 9:44 Uhr

Wird in der Studie auch die umgekehrte Möglichkeit geprüft, dass Schmerzen, die vor einem Herzinfarkt auftreten, den Gebrauch von Schmerzmitteln wahrscheinlicher machen?

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