- DAZ.online
- News
- Debatte & Meinung
- Mein liebes Tagebuch
Es gab Friede, viel Freude und einen politischen Eierkuchen mit Schoko und Sahne – der Kuschelfaktor auf dem Apothekertag war exorbitant, „eine erschreckende Harmonie“. Und unser ABDA-Präsident gab den Luis Trenker, den Bergführer, der die Apothekerschaft auf den Gipfel führen will: Haltet z’amm, mit loderndem Feuer im Herzen!
Wem die Kürze reicht:
Jetzt ist er vorbei, unser Apothekertag, „die wichtigsten Tage des Jahres“, wie eine Stimme aus dem Off vollmundig ankündigte, begleitet vom neuen ABDA-Jingle a-b-d-a, klingt zwar schräg, aber was soll’s. Und, mein liebes Tagebuch, was hat er gebracht? Hier mal das Wichtigste in aller Kürze.
Also: Bundesgesundheitsminister Gröhe hat den Koffer mit 100 Mio. Euro mehr pro Jahr für Rezepturzuschlag und Dokugebühr übergeben. Ein herzliches Vergelt’s Gott!
Eine Überraschung und doch nicht: ABDA, hattu du doch Plan B gehabt! Klar, ABDA-Justitiar Tisch präsentierte eine Resolution für den Fall, dass der Europäische Gerichtshof am 19. Oktober meint, der einheitliche Preis für Rx-Arzneimittel passe nicht zum europäischen Versandhandel. In diesem Fall „fordert die Hauptversammlung die Bundesregierung und den Gesetzgeber auf, dieses bewährte System nicht von vornherein zugunsten einiger weniger Wirtschaftsteilnehmer aufzugeben, sondern insbesondere Möglichkeiten zu erwägen, das bewährte System dem europarechtlichen Maßstab zu entziehen, um autonom gestalten zu können", wie Tisch juristisch verklausuliert ein mögliches Versandverbot für Rx fomulierte. Im Klartext: Man könnte über ein Rx-Versandverbot nachdenken und die Landesbehörden sollten Verstößen gegen die Preisbindung entgegentreten, wie auch immer.
Außerdem auf dem Apotag: Ein Hallo von ARMIN. Dem Modellversuch geht es so gut wie nie, er atmet, er lebt und am besten „ARMIN für alle“. Man wird doch wohl noch mal träumen dürfen!
Und das fordert der Apothekertag:
- Beim elektronischen Medikationsplan sollen Arzt und Apotheker gleichberechtigte Partner sein. Jawoll!
- Keine Warnpapperl auf den OTC-Schmerzmitteln, lieber kleinere Packungen. Und als Zwischenruf: Hört’s auf mit Paracetamol für 99 Cent!
- Ein Hilferuf an den Gesetzgeber: Die Apotheker brauchen Planungssicherheit!
- Schluss mit Ausschreibungen durch Krankenkassen! Hoffentlich bald!
- Blutzuckermessgeräte auch über Apotheken vertreiben! Nicht nur direkt.
- Apotheker wollen Verträge mit Krankenkassen für Dienstleistungen abschließen dürfen. Klar, sonst wird’s nichts mit honoriertem Engagement.
- Appell an die deutsche und EU-Politik: Freiberufliche Ausübung des Apothekerberufs erhalten! Auf jeden Fall!
- Damit das mal klar ist: Abdata stellt Daten zur Verfügung, mag aber selbst keine Apps entwickeln. Das sollen die IT-Häuser dürfen, wenn sie wollen – und zahlen.
- Weniger Human-Antibiotika für Kühe und Schweine, für Lebensmittel-liefernde Tiere! Die Resistenzgefahr!
- Und dann endlich, schon fast unglaublich: Mehr Transparenz beim Schicksal der Anträge! Es wird eine Datenbank geben, die den Bearbeitungsstand der Anträge zeigt. Puh, da ist die ABDA mal über sich selbst hinausgewachsen. Im dritten Jahr dieses Antrags gibt Schmidt sein Placet. Thüringen sei Dank für den Antrag!
- Was es nicht geben wird: einen Delegiertenbeirat. Too much democracy.
Wer mehr wissen will:
Da gab’s noch ein bisschen mehr rund um dem Apotag, mein liebes Tagebuch, z. B. eine Infratest-Studie im Auftrag der ABDA (der Apothekenklima-Index), die wissen wollte: Wie fühlen wir uns Apothekers draußen im wirklichen Leben eigentlich? Das Ergebnis auf den Punkt gebracht: Da gibt’s zwar Nachwuchsmangel und Bürokratiestress, aber die meisten sehen die Zukunft noch so la la, also wirtschaftlich unverändert oder leicht besser. Jedenfalls die Apotheker mit einer dicken Apo. Wer nur ’ne kleine Bude hat, so um die 1 Mio., der bläst Trübsal: Entlassungen, kaum Investitionen, Nachwuchssorgen. Bedenklich, meint die ABDA, denn wir brauchen auch die Kleinen auf dem Dorf und in der Stadt. Soweit die Studie. Also, ABDA, mach was draus.
Erfolglos isse nicht unsere ABDA. Nach 38 Jahren gibt’s mehr Geld für die BtM-Doku. Und mehr Honorar für Rezepturen. Pünktlich zum Apothekertag sagte das Kabinett der Bundesregierung Ja zum Honorar. Und Fritz Becker, Chef des Apothekerverbands, in seinem Lagebericht „ausdrücklich Danke“, auch an die Schiedsstelle für die Hilfe bei der Einigung im Streit um Nullretax bei Formfehlern.
So, mein liebes Tagebuch, dann hätten wir hier noch Beckers Baustellen: Weiterentwicklung der Arzneimittelpreisverordnung, Zuversicht und Spannung beim bevorstehenden EuGH-Urteil, Verbot von Zyto-Ausschreibungen, Dauerbrenner Lieferengpässe (es wird immer schlimmer), Dumpingpauschalen bei Hilfsmitteln, Erstattungsbeträge bitte ohne Mehraufwand, Bürokratieabbau, pharmazeutische Dienstleistungen gegen Honorar, Hoffnung auf Apothekerbeteiligung beim elektronischen Medikationsplan.
Dann kam: The President’s Speech. In diesem Jahr hörte man da schon mal genauer hin, zumal sich ein Anwärter für den Präsidentensessel warmläuft. Und mein liebes Tagebuch, wie war der Präsident? Ums kurz zu machen: ein echter Schmidt. Ein stolzer Apotheker, analytisch, strukturiert, geschliffen, viel Tradition und Apothekergeist, viel Einigkeit und Zusammenhalt, ein bisschen Fortschritt und keine Selbstverzwergung. Dazu die Schmidtsche Prise an Philosophie nach Kant „Was soll ich tun?“ und vielleicht auch im Prechtschen Sinne: Wer bin ich und wenn ja wie viele? Klingt alles gut, aber versteht vielleicht nicht jeder. Deshalb gab’s fürs bayerische Lokalkolorit in diesem Jahr noch die Bergpredigt: Schmidt als ABDA-Reiseführer in den Bergen mit einer Apothekerschaft, die eher einer inhomogenen Reisegruppe ähnelt als einer trainierten Seilschaft. Manche Apotheker wollen die Direttissima nach oben, aber für die ABDA gilt: Alle müssen oben ankommen. „Wir lassen niemanden zurück“, verspricht Schmidt. Klingt nach Kuscheln und Zusammenhalt, mein liebes Tagebuch, und das soll auch der Grund sein, warum’s nicht schneller vorangeht mit unserem Perspektivpapier, mit ARMIN, mit einer Ausbildungsreform, beim Nachwuchs und beim Honorar. Trotz allem: Wir Apothekers sind eine politische Kraft, keine brüllende Masse und – natürlich – Vertrauenspersonen. Viel Beifall für Schmidt, dieses Mal ohne standing ovations. Aber es reicht ja auch so.
Das war Eierkuchen mit Schoko und Sahne: Nur Lob für Apothekers Werk von Gröhe. Der Bundesgesundheitsminister bekennt sich zu mehr Geld für Rezepturen und Rezeptdokumentation. Außerdem: Schluss mit Zyto-Ausschreibungen und stattdessen Rabattverträge zwischen Kassen und Herstellern bei Onko-Arzneimitteln. Muss zwar alles noch durchs Parlament, aber immerhin. Und der Klecks Sahne: Wenn es den Medikationsplan 2018 dann elektronisch gibt, soll ihn der Apotheker aktualisieren dürfen, was „mit entsprechenden Zuschlägen versehen ist“. Mein liebes Tagebuch, da verstehen wir, dass es dafür ein Honorar geben soll. Das merken wir uns.
Und wie schön: Die gesundheitspolitischen Sprecherinnen von Union, SPD, die Grünen und die Linke, waren "erschreckend harmonisch", wie der Moderator der Diskusssionsrunde meinte. Sie alle freuen sich mit den Apothekern fürs kleine Honorarplus und sind sich einig: In Zukunft mehr Kompetenzen für Apotheker, fürs Beraten und fürs Abraten sollte es auch Honorar geben. Verbandschef Becker möchte am liebsten so weitermachen, „das ist der richtige Weg“. Mein liebes Tagebuch, da waberte wohl schon kräftig viel Vorwahlkampfstimmung durch die Halle. Und Karin Graf vom ABDA-Vorstand packte gleich noch den Wunsch oben drauf, dass Apotheker in Zukunft auch impfen dürfen sollen. Das ist der richtige Piks, mein liebes Tagebuch.
ARMIN, ach ARMIN, du lebst und atmest. Das tat gut zu hören, aus erster Hand, von einer Apothekerin und zwei Ärzten. Und sogar von einer Patientin, die eigens nach München eingeladen war und dann dafür auch artig sagte, wie gut ihr ARMIN tut. War vielleicht ein bisschen Anne-Will-Talkshow, aber, mein liebes Tagebuch, mal im Ernst: Was da in Sachsen und Thüringen zwischen Apothekern, Ärzten und einer Krankenkasse auf die Beine gestellt wurde, ist wirklich beachtenswert. Da laufen Medikationsplan, -analyse und -management schon über ein gemeinsames sicheres Datennetz, es gibt Honorar für alle und die Patienten profitieren. Dem ABDA-Präsidenten hat dieser Programmpunkt des Apothekertags besonders gefallen, wie er sagte: Mal auf den Berufsalltag schauen. So ein Alltagsthema würde er beim nächsten Apothekertag gerne wieder probieren! Nur zu! Das erdet.
Was es sonst noch gab:
Viel Einigkeit gab’s bei den Anträgen (abgesehen von ein paar zähen Stücken). Keine Frage, die Kompetenz der Apotheker soll besser genutzt werden, konkret beim Medikationsplan: einstimmig angenommen. Der Berufsstand braucht verlässliche Rahmenbedingungen, ordnungspolitisch, ökonomisch und fachlich: „machtvoll“ angenommen, genauso wie die Forderung, die Freiberuflichkeit des Apothekerberufs zu erhalten.
Zäh ging’s dagegen zu, als der Nachwuchs seine Anträge vortragen durften. Der Studierenden-Wunsch nach einer Evaluation und Verbesserung der Studieninhalte wurde im Ausschuss beerdigt. Und allein 45 Minuten wurde darüber diskutiert, ob und wie man die Qualität der Pharmazeutenausbildung im Praktikum verbessern kann, nämlich so: Der Leitfaden für den dritten Ausbildungsabschnitt sollte angewendet und ein Ausbildungsplan angestrebt werden, aber bitte ohne Verpflichtung. Mein liebes Tagebuch, das kam nicht überzeugend rüber.
Und dann knirschte es in der Antragsberatung, als es um neue Medien und Digitalisierung ging. Eine ABDA-Datenbank-App? Nö, das sollen, wenn sie denn wollen, die Softwarehäuser machen, nicht die Abdata – die verkauft nur die Daten dafür. Und ein Ausbau der ABDA-Datenbank – das prüfen wir erstmal. Und die Sache mit dem Datenschutz ist hochkomplex, das muss in den Ausschuss (siehe oben). Ja, die Sache mit dem Digitalen ist so eine Sache.
Ähnlich wie die öffentliche Repräsentation der ABDA. Ein Antrag wollte unsere ABDA-Repräsentanten auf noch mehr Veranstaltungen schicken: Gesicht zeigen, mehr Präsenz bitte! Gemach, meinte der Präsident, wir sind schon oft vor Ort, aber immerhin, man will in Zukunft mehr darüber nachdenken, wo man sich zeigt und wo nicht.
Vielleicht hilft auch das: ABDA-Vize Arnold verriet, dass der Newsroom kommt! Also doch. Eine Internetseite, auf der sich viel abspielen soll, ABDA-Nachrichten aller Art, Diskussionen, Informationen. Alles für mehr Transparenz. Mein liebes Tagebuch, darauf sind wir so was von gespannt.
Apropos Transparenz. Nachdem der Antrag zum dritten Mal bei einem Apotag auf der Tagesordnung stand, hat er es endlich geschafft: Es soll eine Datenbank geben, die Auskunft über Werdegang und Schicksal der Anträge gibt. Uiuiui, mein liebes Tagebuch, wie hat sich unsere ABDA-Riege in den letzten zwei Jahren mit diesem Begehren herumgequält. Mit der Antragsdatenbank muss sie sich ein Stück weit in die Karten schauen lassen. Nachdem die Thüringer Kammer hartnäckig dran blieb, ist es aber demnächst so weit, na ja, innerhalb von drei Jahren muss die Datenbank eingerichtet sein. Und der Präsident schränkte vorsichtshalber ein, „dass wir auch in Zukunft zu bestimmten Anträgen keine öffentlichen Aussagen machen, volle Transparenz ist nicht zu erwarten“. Damit haben wir auch nicht gerechnet, Herr Präsident, aber so ein bisschen das Schicksal nachvollziehen, das wär’ schon was.
Und zum Schluss: Der Antrag von Gunnar Müller und Kollegen, einen Delegiertenbeirat einführen zu wollen. Ein Beirat, der bei Sitzungen der inneren ABDA-Kreise dabei sein sollte, also bei ABDA-Mitgliederversammlungen und Sitzungen des ABDA-Gesamtvorstands. „Das Feuer der Hauptversammlung“ soll damit länger erhalten bleiben als nur für den Apotag, meinte Müller. Und der ABDA-Präsident dazu: „Sie dürfen davon ausgehen, dass das Feuer der Hauptversammlung in unseren Herzen lodert bis zur nächsten Hauptversammlung!“ Und überhaupt, es bleibt wie es ist, die ABDA-Gremienstruktur habe sich bewährt: „Einen Bypass, auf dem man mit einem leichten Ticket in die ABDA-Mitgliederversammlung kommt, so leicht ist der Weg in die ABDA-Versammlung dann doch nicht“, sagte der ABDAianer. Das war’s dann für diesen Antrag.
Was es nicht gab auf diesem Apothekertag: Wahlkampfgeplänkel zwischen Schmidt und Siemsen. Wer darauf gehofft hatte, wurde enttäuscht. Und, mein liebes Tagebuch, was es hoffentlich nicht geben wird: Ein böses EuGH-Urteil und freie Rx-Preise. Möge der 19. Oktober kein Unheil bringen. Dann haben wir die lodernde Glut im Herzen.
6 Kommentare
Weiter so???
von Reinhard Rodiger am 17.10.2016 um 23:19 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Gröhe For President ......
von Wolfgang Müller am 17.10.2016 um 17:22 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Dabei sein ...
von Gunnar Müller, Detmold am 16.10.2016 um 9:56 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Diskussionseinstellung
von Ulrich Ströh am 16.10.2016 um 9:47 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: erschreckende Harmonie!
von Christian Giese am 17.10.2016 um 14:23 Uhr
AW: Der frühe Vogel ......
von Gunnar Müller, Detmold am 17.10.2016 um 19:00 Uhr
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.