Millionen Allein in Europa

Krankenhausinfektionen kosten viele Lebensjahre

Berlin - 19.10.2016, 07:00 Uhr

Viele Kliniken haben die Händehygiene verbessert und es gibt mehr geschultes Personal. Hygiene-Mängel sind aber nicht allein die Ursache für die hohe Zahl an Krankenhausinfektionen. (Foto: mitiu / Fotolia)

Viele Kliniken haben die Händehygiene verbessert und es gibt mehr geschultes Personal. Hygiene-Mängel sind aber nicht allein die Ursache für die hohe Zahl an Krankenhausinfektionen. (Foto: mitiu / Fotolia)


Ab Tag drei gilt es als Klinikinfektion

Eine solche Infektion bekommt ein Patient per Definition in einer Klinik. „Am ersten und zweiten Tag in einer Klinik sind es in der Regel mitgebrachte Infektionen, ab Tag drei gilt es als Krankenhausinfektion“, sagt Gastmeier. Das heiße aber nicht, dass ab dem dritten Tag automatisch Klinikmitarbeiter die Schuld daran trügen.

Denn die Gründe für diese Infektionen sind vielfältig. Klinik-Patienten benötigen oft invasive Untersuchungen oder Therapien: Sie bekommen zum Beispiel Katheter gelegt oder werden an Beatmungsgeräte angeschlossen. Das alles seien Eintrittspforten für Erreger in den Körper, erklärt Gastmeier. Oft seien es gar keine fremden Keime aus der Umgebung. „Jeder von uns schleppt Billionen Bakterien mit sich herum.“ erläutert die Hygieneärztin. „Zum Beispiel auf unserer Haut oder im Darm – und die dringen dann in den Körper ein.“ Je länger ein Katheter liege, desto größer sei das Risiko dafür.

15 Prozent der Intensivpatienten sind betroffen

In Deutschland bekommen rund 3,5 Prozent der Patienten auf Allgemeinstationen eine Krankenhausinfektion, 15 Prozent auf Intensivstationen. Die Zahlen werden sich nach Meinung Gastmeiers künftig kaum ändern. Zwar haben viele Kliniken die Händehygiene verbessert und es gibt mehr geschultes Personal. „Doch die Patienten werden immer älter und kränker und damit noch anfälliger für Infektionen“, berichtet sie.

Es gibt zudem noch zwei gegenläufige Entwicklungen: Durch minimalinvasive Chirurgie, auch als Schlüsselloch-Chirurgie bezeichnet, ist das Infektionsrisiko heute bei Operationen geringer als früher. Doch auf der anderen Seite steige die Zahl der invasiven Maßnahmen, sagt Gastmeier. So würde oft nicht mehr nur ein zentraler Venenkatheter gelegt, sondern mehrere. Und bei jeder Eintrittsstelle in den Körper haben Keime Chancen.

Sparpotenzial wird bei ambulanten Antibiotika gesehen

Zwischen 1000 und 4000 Todesfälle gehen in Deutschland pro Jahr auf das Konto multiresistenter Erreger. Viele Patienten bringen sie bereits mit – und es obliegt dem Management der Kliniken dafür zu sorgen, dass sich andere Patienten nicht infizieren. Bei der Umsetzung habe sich in den vergangenen Jahren im Vergleich zu früher ebenfalls viel getan, sagt Gastmeier – bis hin zu gezielten Präventionsprogrammen bei Risikogruppen. Doch es kommt weiterhin immer auf das Augenmerk der einzelnen Klinik an.

Möglichkeiten zur Vermeidung solcher Infektionen sieht Gastmeier vor allem bei der Antibiotika-Verordnung. „Da könnten wir sparen, vor allem im ambulanten Bereich“, sagt die Expertin. So sollten möglichst keine Breitspektrum-Präparate verordnet werden. Unklar sei aber, welchen Einfluss die Belastung mit Antibiotika heute durch Umwelt, Lebensmittel und auch Reisen habe.



dpa / DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Relation

von Holger am 19.10.2016 um 8:18 Uhr

Stimmt, es gibt in praktisch jedem Krankenhaus problematische Keime und ein Risiko für den Patienten, sich mit diesen Keimen zu infizieren. Wenn wir aber über die Tausende Tote reden, die durch diese (zum Teil vermeidbaren) Infektionen versterben, dann tun wir dies doch bitte im Vergleich mit den Millionen Leben, die jährlich gleichzeitig in denselben Krankenhäusern gerettet werden.

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