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- Zeit für den Plan B
Der Europäische Gerichtshof hat es tatsächlich getan. Er ist dem Plädoyer seines Generalanwalts gefolgt und hat das grenzüberschreitende Boni-Verbot für Arzneimittel gekippt. Ein Kommentar von DAZ-Chefredakteur Benjamin Wessinger.
Für die im Ausland ansässigen Versandapotheken wie DocMorris oder die Europa Apotheek, die ihre Arzneimittel vorrangig nach Deutschland liefern, dürfte das Urteil der Startschuss für neue Rabatt- und Boni-Aktionen sein. Denn sie wollen die deutschen Patienten endlich dazu zu bringen, ihre Rezepte an Versandapotheken zu schicken, anstatt sie vor Ort in der Apotheke einzulösen.
Auch der Verband der deutschen Versandapotheken, der BVDVA, hat vorsorglich schon mal den „Abbau von Barrieren“ gefordert, womit nur die Preisbindung gemeint sein kann. Ob einzelne Versandapotheken nun schnell vorpreschen und ebenfalls Preisnachlässe bieten, wird man sehen.
Welche Folgen das für die deutschen Vor-Ort-Apotheken haben wird, ist dagegen bisher eher unklar. Manche Experten wie der ABDA-Chefjustiziar Lutz Tisch oder der Marburger Apothekenrechtsexperte Elmar Mand haben im Vorfeld der Entscheidung darauf hingewiesen, dass die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) innerhalb Deutschlands trotz des EuGH-Votums gültig bleibt. Eine Preisschlacht unter den deutschen Apotheken werde deswegen wohl ausbleiben, meinen sie. Denn selbst wenn Apotheker Preisnachlässe anbieten sollten, könnten und würden Wettbewerber und Aufsichtsbehörden dem Treiben wohl ein schnelles Ende setzen.
Doch andere Juristen sehen das anders. Morton Douglas zum Beispiel, der schon etliche Verfahren gegen Versandapotheken geführt hat, prognostizierte das Ende der Arzneimittelpreisverordnung in ihrer heutigen Form. Wenn der legitime Zweck der Preisbindung – Gesundheitsschutz und flächendeckende Versorgung – nicht mehr zu erreichen ist, weil sie für bedeutende Marktteilnehmer nicht mehr gilt, wird die gesamte Regelung hinfällig. Douglas sagte im Vorfeld der heutigen Entscheidung, sie habe weitreichendere Konsequenzen für die deutschen Apotheken als das Urteil zum Fremdbesitz 2009.
Welche Seite auch immer Recht behalten wird: Die Folgen für die deutschen Apotheken werden immens sein. Bleibt die innerdeutsche Preisbindung bestehen, werden höchstwahrscheinlich nennenswerte Umsatzanteile ins Ausland abfließen. Wird sie nach und nach aufgeweicht oder gar ebenfalls gekippt, wird ein Preiskampf entbrennen, der viel tiefere Spuren in den Bilanzen der Apotheken hinterlassen dürfte als die Freigabe der OTC-Preise 2004.
Bleibt zu hoffen, dass die ABDA tatsächlich einen schlagkräftigen „Plan B“ in der Schublade hat, und dass er auch aufgeht. Die Versandapotheken sind gerüstet, DocMorris hat erst vor einigen Tagen eine großangelegte Werbekampagne in Deutschland angekündigt. Hoffentlich können die Apotheker und ihre Organisationen ihnen etwas entgegensetzen. Und hoffen wir, dass die Gesundheitspolitiker sich an ihre warmen Worte der Wertschätzung auf dem Apothekertag erinnern – und ihnen nun Taten folgen lassen.
5 Kommentare
Es darf nicht noch schlimmer kommen als nötig.
von Wolfgang Müller am 19.10.2016 um 15:36 Uhr
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ABDA muss zeitnah liefern !
von Ulrich Ströh am 19.10.2016 um 14:57 Uhr
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RX- Verbot
von FRANK EBERT am 19.10.2016 um 13:05 Uhr
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Spätestens jetzt...
von Andreas Flöter am 19.10.2016 um 12:55 Uhr
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Schock
von Veit Eck am 19.10.2016 um 11:16 Uhr
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