Nach dem EuGH-Urteil

AVWL macht sich stark für Rx-Versandverbot

Berlin - 24.10.2016, 09:15 Uhr

Klaus Michels: Vor allem kleinere Apotheken sind durch das EuGH-Urteil bedroht. (Foto: AVWL)

Klaus Michels: Vor allem kleinere Apotheken sind durch das EuGH-Urteil bedroht. (Foto: AVWL)


Nordrhein-Westfalen soll die von der bayerischen Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) angekündigte Bundesratsinitiative für ein Versandhandelsverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel unterstützen. Dies fordert der Apothekerverband Westfalen-Lippe. Unterstützung gibt es von den Ärzten.

Wie der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) berichtet, sorgt das vergangene Woche ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) für erhebliche Verwirrung bei Patienten und Verbrauchern in den  Apotheken. Die Luxemburger Richter haben entschieden, dass für ausländische Versandapotheken, die verschreibungspflichtige Arzneimittel nach Deutschland versenden, die Preisbindung nicht gilt. Die Entscheidung und die Berichte hierüber in den Medien führen offenbar zu Missverständnissen darüber, was deutsche Apotheken dürfen. Der AVWL-Vorsitzende Dr. Klaus Michels stellt deshalb klar: „Tatsächlich ändert sich in deutschen Apotheken nichts, für uns gilt weiter die Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln“. Er sieht daher die politischen Reaktionen auf das umstrittene und brisante EuGH-Urteil positiv.

Gefahr Europa-verdrossener Apotheker

Michels: „Die deutsche Politik hat verstanden, was auf dem Spiel steht. Es geht um die sichere Versorgung mit Arzneimitteln in allen Regionen des Landes durch Präsenzapotheken. Inzwischen droht aber auch weiterer Europa-Verdruss, den wir nicht brauchen“, sagte Michels, „wenn es einem europäischen Gericht gelingen sollte, in Deutschland ein bewährtes, vom Gesetzgeber und allen politischen Kräften gewolltes und von den höchsten Gerichten bekräftigtes System des Verbraucherschutzes zu zerschlagen, dann werden die europafeindlichen Kräfte weiteren Auftrieb erhalten.“

Eine politisch wirksame Waffe gegen das Urteil sei ein gesetzliches Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Michels forderte die nordrhein-westfälische Landesregierung auf, eine entsprechende Initiative Bayerns im Bundesrat zu unterstützen. Er verweist darauf, dass es auch aus der Berliner Regierungskoalition bereits entsprechende Signale gegeben habe. Tatsächlich haben mehrere CDU-Abgeordnete das Versandverbot ins Spiel gebracht – in der SPD hält man sich mit dieser Forderung hingegen zurück.

Rosinenpickerei – letztlich zulasten der Patienten

Michels kündigte an, dass sich Westfalen-Lippe an der von der ABDA geplanten bundesweiten Kampagne für ein Rx-Versandhandelsverbot beteiligen werde. Denn nach dem EuGH-Urteil bestehe eine akute Gefahr für das flächendeckende Apothekennetz in allen Regionen Deutschlands. „Viele kleinere der rund 2000 Apotheken in Westfalen-Lippe haben heute schon keinen wirtschaftlichen Spielraum mehr“, erklärte Michels. „Sie bieten allerdings ein Vollsortiment, beraten, stellen patientenindividuelle Arzneimittel her, leisten Nacht- und Notdienste. Wenn Versandhändler sich die Rosinen rauspicken dürfen, werden Apotheken und letztlich die Patienten die Folgen ausbaden müssen.“

Ärzte unterstützen Forderung nach Rx-Versandverbot

Auch der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Dr. Theodor Windhorst, sieht die Gefahren für die Apotheken und Patienten. Er hat sich daher ebenfalls für ein Arzneimittel-Versandhandelsverbot ausgesprochen und sein Bundesland zur Beteiligung an der bayerischen Bundesratsinitiative aufgefordert.

Die Apotheken im Land haben nach Ansicht des Kammerpräsidenten bei der Medikamentenversorgung der Patienten „eine wichtige informative und aufklärende Funktion“ und trügen so auch zur sicheren Anwendung von Arzneimitteln ihrer Kunden bei. Zudem sei auch das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und dem Apotheker vor Ort von Bedeutung.

Windhorst: „All dies fällt bei dem Apothekenversandhandel weg. Durch die Rabatte können Versandapotheken den einheimischen Apotheker unterbieten und sind so die Gewinner und Nutznießer des offenen Marktsystems.“ Es sei grundsätzlich gut, wenn sich der Markt öffne, räumt er ein. Dies dürfe jedoch nicht dazu führen, dass es einseitig einen Gewinner, auf der anderen Seite aber mehrere Verlierer, nämlich die Patienten und die Apotheken vor Ort, gebe.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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2 Kommentare

Vertrauen

von Christian Giese am 24.10.2016 um 14:18 Uhr

Mit Verboten verloren gegangenes Vertrauen wiedergewinnen?
Ist schon Weihnachten?
Wie ging das Vertrauen verloren?
Durch fehlendes Bewusstsein für Unredlichkeit und ebenso fehlendes Bewusstsein für Redlichkeit des Verfahrensinhalts!
Niemand hat sich offensichtlich sonderlich für das Verfahren EuGH interessiert.
Und somit wurde nachhaltig öffentliches Vertrauen in die öffentliche Apotheke, in das verschreibungspflichtige Rx- Arzneimittel und in den schon immer als zu teuer empfundenen Verkaufspreis zerstört.
Vertrauensverluste sind gigantisch, zerstörerisch, abwertend, letztlich sehr teuer.
Was fehlt, ist eine Standesführung, die Vertrauen ermöglicht. Keine, die nicht verstehen will, dass sich mit Verboten verlorenes Vertrauen niemals mehr aufbauen lässt.

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Kommunikation

von Dr Schweikert-Wehner am 24.10.2016 um 11:02 Uhr

Liebe Freunde.
Ich fürchte Ihr macht in der Kommunikation wieder alles falsch, besonders die ABDA. Wenn man nach Verboten ruft löst man damit Reflexe gegen sich aus. Niemand will sich etwas verbieten lassen, besonders in Zeiten des grenzenlosen Internets.
Besser ist folgende Wortwahl: Das Versenden von BTM oder der "Pille danach" ist vom Versndhandel ausgenommen. Aus Gründen des Verbraucherschutzes soll diese "Liste" um die anderen RX Arzneimittel erweitert werden. Jeder ist frei sich auch bei ausländischen Anbietern, Arzneimittel (freiverkäufliche und OTC) sowie Nahrungsergänzungsmittel, Pflegeprodukte und Medizinprodukte über das Internet zu bestellen. Der Versandhandel soll nicht generell verboten werden.

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