Nach dem EuGH-Urteil

Diese Preismodelle werden diskutiert

Stuttgart - 24.10.2016, 09:30 Uhr

Große Modellvielfalt: Die Vorschläge zur Weiterentwicklung der Arzneimittel-Preisbildung nach dem EuGH-Urteil wird langsam unübersichtlich. (Foto: Gina Sanders/Fotolia)

Große Modellvielfalt: Die Vorschläge zur Weiterentwicklung der Arzneimittel-Preisbildung nach dem EuGH-Urteil wird langsam unübersichtlich. (Foto: Gina Sanders/Fotolia)


Der Europäische Gerichtshof hat geurteilt, dass für ausländische Versandapotheken die deutsche Preisbindung nicht mehr gilt – deutsche Apotheken müssen sie weiterhin beachten. Dass diese Regelung unfair ist, sehen auch die meisten Befürworter des Urteils ein. Welche Lösungsvorschläge gibt es?

Inzwischen werden verschiedene Modelle diskutiert, mit denen die Wettbewerbsverzerrung nach dem EuGH-Urteil beendet werden könnte. Denn für ausländische Versender gelten die Preisbindungsregeln der deutschen Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) nicht mehr, für die deutschen Apotheken – ob vor Ort oder im Versand – aber sehr wohl. Wir haben die wichtigsten Vorschläge zusammengefasst:

1. Versandverbot:

Die ABDA hat bereits vor dem Urteil angedeutet, dass die Lösung in einem kompletten Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln liegen könnte. Nach dem Urteil wurde diese Option sofort wieder ins Spiel gebracht, unterstützt von der Linken – die diese Forderung schon lange vertritt – in Gestalt der gesundheitspolitischen Sprecherin Kathrin Vogler und auch der CDU. Deren Berichterstatter für Arzneimittel, Michael Hennrich, hat sich dafür ausgesprochen. Allerdings zeigt der Koalitionspartner SPD bisher wenig Bereitschaft, diesen Weg mitzugehen. Beispielsweise bezweifelt die Berichterstatterin für Apotheken Sabine Dittmar, dass diese Lösung funktionieren würde.

Die Versandapotheken – sowohl in- wie ausländische – haben bereits juristischen Widerstand angekündigt, sollte ein Rx-Versandverbot eingeführt werden.

2. Preisfreigabe

Naheliegend für Anhänger des Wettbewerbs auch im Gesundheitswesen ist die Lösung, nun eben auch in Deutschland die einheitlichen Preise für Rx-Arzneimittel abzuschaffen.

Diese Option wird bisher nur von Journalisten ins Spiel gebracht, kein Politiker oder Apothekenvertreter hat das bislang gefordert. Der EuGH hat diese Konsequenz allerdings mit seinen Überlegungen zur Sicherung der flächendeckenden Versorgung nahegelegt (auf dem Land mit wenig Konkurrenz könnte die Apotheke ja höhere Preise nehmen, so der EuGH).

3. Höchstpreis-Modell

Der Verband der deutschen Versandapotheken, der BVDVA, hat eine Höchstpreisverordnung vorgeschlagen.

Ein solches Modell war 2006 schon einmal im Gespräch, wurde aber nicht eingeführt. Ob die Apotheken einen Preisnachlass auf den Höchstpreis gewähren, ist ihnen selbst überlassen. Im Prinzip haben die ausländischen Versender nun ein solches Preismodell, denn sie bekommen von der deutschen Krankenkasse den hiesigen, weiterhin fixen Preis erstattet, gewähren ihren Kunden darauf aber einen Bonus.

Einen Preiswettbewerb nach unten kann das Modell nicht verhindern, höhere Preise in ländlichen Gegenden, wie sie der EuGH vorgeschlagen hat, dagegen schon.

4. „Differenzierte Vergütungsmodelle“

Der SPD-Fraktionsvize und Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sieht die „Wettbewerbsverzerrung“ auch. Seine Lösung: „die Beratungsleistung besser zu vergüten.“ Ins gleiche Horn stößt die SPD-Apothekenexpertin Dittmar: Das Honorar der Apotheker sollte „nicht nur von der Abgabe von Packungen abhängig sein, sondern auch von Beratung und Präsenz“. 

Doch eine in dieser Weise neu gestaltete Arzneimittelpreisverordnung könnte nach dem jüngsten Urteil ebenso von ausländischen Anbietern unterlaufen werden wie die jetzt geltende Version.

5. Apothekenindividuelle Handelsspanne

Schon 2007 hatten die Ökonomie-Professoren Cassel und Wille in einem Gutachten zum Wettbewerb in der GKV-Arzneimittelversorgung apothekenindividuelle Handelsspannen vorgeschlagen. Durch den Einkauf in einer spannengünstigen Apotheke sollte der Patient seine individuelle Zuzahlung verringern können. Die Vorschläge von damals dienen offenbar als Vorbild für einige jetzt präsentierte Ideen.

So berichtet das Handelsblatt vom 21. Oktober über den Vorschlag des Vorsitzenden der Monopolkommission, Achim Wambach, eine „Servicepauschale“ anstelle der „starren Handelsspanne“ einzuführen. Die Pauschale soll der Versicherte selbst bezahlen, die Krankenkasse übernimmt nur noch den Herstellerabgabepreis. Über die Höhe der Pauschale solle der Apotheker „in einem vorgegebenen Rahmen“ selbst entscheiden können – so entstehe ein Anreiz für die Verbraucher, die Apotheke nach Preis und Servicequalität auszuwählen.

Der Jurist Nikolas Gregor hatte – ebenfalls im Handelsblatt – am Tag zuvor einen ähnlichen Vorschlag gemacht. Die Preise für Arzneimittel sollten nicht komplett freigegeben werden, sondern in einem nach oben und unten begrenzten Rahmen – ähnlich den Rabatten der Großhändler für die Apotheker.

Allerdings stünde es ausländischen Anbietern nun frei, auch diesen Rahmen zu übertreten.

6. Sozialrechtliche Konzepte

In einem Gastbeitrag bei DAZ.online schlägt Prof. Hilko J. Meyer vor, „die Preisregeln in das Sozialrecht zu transplantieren“. Davon verspricht er sich, sie weitgehend aus der Zuständigkeit der Europäischen Union herauszunehmen.

Der Charme dieses Ansatzes dürfte insbesondere darin liegen, dass das jüngste Urteil sich auf die Warenverkehrsfreiheit und die Arzneimittelpreisverordnung bezieht, aber das Sozialrecht nicht berührt.

Fazit:

Die dargestellten Modelle schließen sich nicht immer aus, sondern sind teilweise miteinander kombinierbar, beispielsweise könnten die „differenzierten Modelle“ im Sozialrecht verankert werden.

Wie hoch die Umsetzungswahrscheinlichkeit der verschiedenen Lösungsvorschläge ist, ist im Moment noch schwierig einzuschätzen. Einzig die völlige Freigabe der Apothekenabgabepreise auch bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln erscheint im Moment völlig unrealistisch. Bisher hat kein relevanter Akteur im deutschen Gesundheitswesen sich diese Forderung zu eigen gemacht, weder aus der Politik, von Krankenkassen oder Patientenorganisationen – und aus der Apothekerschaft auch nicht.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

geiz sist soooo geil

von Micaela Werner am 25.10.2016 um 8:59 Uhr

ein generelles Versandverbot zu fordern zeigt die Arbeitstechnik der eigenen Verbände: völlig unüberlegt und nicht wirklich an unserer Situation interessiert. Auch wer nicht Schach spielt, weiß dass man ein paar Züge im Voraus denken sollte!!! Ein Versandverbot zu fordern klappt schon wegen der eigenen Versandapotheken nicht. Wie wäre es denn wenn man mal wirklich etwas vorschlägt und nicht etliche "Reparatur-Lösungen" anbietet, die dann das System noch komplizierter machen. Wer verdienst, ist letztlich die Pharmaindustrie. Also: pro Wirkstoff auf den HAP einen Fixzuschlag. Alle Rabatte wegfallen lassen....wirklich alle Rabatte. Plus eine regelmäßige Preisangleichung, die sich man Bruttosozialprodukt des Landes orientiert. Dann können alle planen und kalkulieren. Das ganze Generica-Theater fällt weg und wir haben mehr Ordnung in den Schubladen und müssen weniger wegwerfen. Aber da das viel zu einfach und zu durchsichtig ist, wird das keiner wollen. Denn merke: desto komplizierter, desto besser kann man tricksen. Und bei dem Spielchen sind die Apotheker die Dümmsten....um etliches schlauer sind die unerzogenen Krankenkassen und auch deren Mitglieder, die Versicherten.

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Preisbindung

von Garrecht Stephan am 24.10.2016 um 18:24 Uhr


Alles lassen wie es ist,nur die19%Märchensteuer auf die
verschreibungs pflichtigen Arzneimittel komplett abschaffen
dann wollen wir mal sehen ob die Preise aus Holland nicht
doch höher sind!

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AW: Preisbindung

von Micaela Werner am 25.10.2016 um 9:01 Uhr

das ist mit eine der besten Ideen! Wahrscheinlich wird aber keiner drauf hören, weil da einfach zu viel Geld eingespart würde.
Man will es lieber teuer, weil man dann mauscheln kann.

Vorschläge

von Frank ebert am 24.10.2016 um 9:41 Uhr

Egal was jetzt kommt: Das wars !

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