Genanalysen

Forscher rekonstruieren Ausbreitung von HIV in den USA 

Tucson/Cambridge/Ulm - 27.10.2016, 07:05 Uhr

Eine neue Studie zeigt auf, wie das HI-Virus sich in den USA ausgebreitet hat. (Foto: Ezume Images / Fotolia)

Eine neue Studie zeigt auf, wie das HI-Virus sich in den USA ausgebreitet hat. (Foto: Ezume Images / Fotolia)


Der Patient wurde zu Unrecht dämonisiert

„Gaétan Dugas ist einer der am meisten dämonisierten Patienten der Geschichte und einer aus einer langen Reihe von Menschen und Gruppen, die aus dem Glauben heraus verleumdet wurden, dass sie die Epidemie in böser Absicht irgendwie befeuert hätten“, sagt Ko-Autor Richard McKay von der University of Cambridge.

Stattdessen beruht die frühere Darstellung auf einem Missverständnis: Nach Bekanntwerden von Aids untersuchten Mitarbeiter der US-Behörde CDC auf der Suche nach der Herkunft eine Gruppe homosexueller Männer. Im Zentrum dieses Netzwerks stand der Flugbegleiter – auch weil er den Behörden half und Auskunft über seine vielen Sexualkontakte gab. „Die Tatsache, dass Dugas die meisten Namen beisteuerte und selbst einen einprägsamen Namen hatte, trug vermutlich dazu bei, dass er als zentral in diesem sexuellen Netzwerk galt“, erläutert der Historiker McKay.

Die Behörde listete ihn als Nummer 057, aber auch als Patient O, wobei der Großbuchstabe für das Wort „Outside“ stand, weil Dugas nicht aus Kalifornien kam. Später wurde aus dem Buchstaben O versehentlich die Ziffer 0. Verbreitet wurde diese Darstellung dann durch ein 1987 veröffentlichtes Buch des Journalisten Randy Shilts, das in etliche Sprachen übersetzt und sogar verfilmt wurde („AIDS. And the band played on. Die Geschichte eines großen Versagens“).

Weiterhin gibt es viele Unbekannte

„Das ist die bislang detaillierteste Studie zur frühen Ausbreitung von HIV in Nordamerika“, sagt Frank Kirchhoff von der Universitätsklinik Ulm, der nicht an der Arbeit beteiligt war. Die Analyse zeige, wie schnell sich das Virus dort verbreitet habe, sagt der Molekularvirologe. Letztlich gebe es aber noch viele Lücken und Unsicherheiten bezüglich des genauen Ursprungs von HIV und der Dynamik der anfänglichen Ausbreitung.

Die Geschichte des HI-Virus vor seiner Ankunft in Nordamerika hatten Forscher schon früher rekonstruiert: Demnach wurden Varianten des SI-Virus (Simian Immunodeficiency Virus), der bei Affen vorkommenden Form, vermutlich im frühen 20. Jahrhundert mehrmals auf Menschen übertragen. Die weltweit verbreitetste Variante des Virus – HIV-1 M – entstand demnach wahrscheinlich um das Jahr 1920 in Kinshasa und breitete sich in den ersten Jahrzehnten nur langsam im Kongobecken aus. Erst ab den 1960er-Jahren gelangte der Erreger vom westlichen Zentralafrika in die Karibik und von dort dann nach Nordamerika.



dpa / DAZ.online
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