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Im Moment profitieren nur die Versicherten von den Boni der holländischen Versandapotheken. Nun wollen die Kassen auch ein Stück vom Kuchen und DocMorris verteilt diesen gerne. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung meldet, rechnet DocMorris CEO Olaf Heinrich noch vor Ende des Jahres mit den ersten Verträgen – wenn nicht das Rx-Versandhandelsverbot dazwischenkommt.
Die Printausgabe der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) vom 28. Oktober war vermutlich schon gedruckt, als die Rheinische Post am Donnerstagabend berichtete, dass es im Bundesgesundheitsministerium bereits konkrete Pläne für ein Gesetz zum Rx-Versandhandelsverbot gibt. Denn in der FAZ spricht DocMorris CEO Olaf Heinrich über Anfragen von Krankenkassen, die Interesse an Verträgen geäußert haben sollen. Mit diesen Kassen, die laut Heinrich 20 Millionen Versicherte repräsentieren, gebe es schon konkrete Gespräche. Er rechne damit, dass bereits Ende des Jahres der erste Vertrag unterzeichnet sei, sagte der CEO gegenüber der FAZ. Denn nicht nur Verbraucher gehörten zu den Profiteuren des EuGH-Urteils, sondern auch die Kassen.
Interesse gibt es beispielsweise bei der Siemens BKK. „Es wäre für uns attraktiv, wenn auch die Versichertengemeinschaft von möglichen Rabatten profitieren könnte“, wird der Vorstandschef Hans Unterhuber zitiert. Und ja, es habe erste Kontakte gegeben.
Denn beim derzeitigen Modell, das DocMorris und Co. seit dem Urteil des EuGH anbieten, profitiert nur der Versicherte persönlich. Der Bonus wird mit der Zuzahlung verrechnet oder dem Kundenkonto gutgeschrieben. Dass die Krankenkassen hier Sparpotenzial zu ihren Gunsten wittern, war abzusehen. Der Chef der AOK Baden-Württemberg Christopher Herrmann, der als Erfinder der Rabattverträge gilt, sieht im Versandhandel vor allem in Gegenden mit geringer Apothekendichte die „einzige Form eines Preis- und Service-Wettbewerbs, von dem Patienten direkt profitieren können“. Gäbe es die gesetzliche Möglichkeit, dies vertraglich zu unterstützen, wäre die AOK BaWü die erste Kasse, die dies auch täte.
Die Barmer GEK erklärt gegenüber DAZ.online, dass es derzeit keine konkreten Planungen für Verträge mit Online-Versandapotheken gibt. Grundsätzlich könne der Versandhandel mit Arzneimitteln aber einen wichtigen Beitrag zu mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen leisten, von dem auch die Bürger profitieren, findet der Vorstandsvorsitzende Christoph Straub. Seitens der Barmer wolle man den Versandhandel als sinnvolle Ergänzung, weil damit eine qualitativ hochwertige und wirtschaftliche Arzneimittelversorgung gestärkt werden könne, sagte Straub.
„Vorteile müssen der Versichertengemeinschaft zukommen"
Nach Ansicht von AOK-Chef Hermann müsste der Gesetzgeber Möglichkeiten schaffen, damit Kassen mit Versandapotheken aus dem In- und Ausland Preisvorteile aushandeln könnten – für Patienten und für die Solidargemeinschaft. Auch die Chefin des vdek, Ulrike Elsner, sieht die Debatte über die Preisgestaltung äußerst positiv. Die Vorteile müssten allerdings der Versichertengemeinschaft zukommen, sagte sie gegenüber der FAZ.
Genau von diesen Kooperationen träumt offensichtlich auch DocMorris. Allerdings darf eine Krankenkasse ihre Versicherten nicht zwingen, bei einer bestimmten Apotheke ihre Rezepte einzulösen. Es gibt das Recht auf freie Apothekenwahl. Aber auch dazu hat DocMorris sich offensichtlich schon etwas überlegt: Neben dem geldwerten Vorteil könnte man intensive Betreuung und Beratung bieten und so weiter Anreize für Patienten und Versicherungen bieten. Verbesserte Betreuung spare spätere Kosten, so das Argument. Eine Argumentation, die insofern interessant ist, da die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit hinsichtlich der Beratung und Betreuung der ausländischen Versandapotheken gegenüber den Vor-Ort-Apotheken vom EuGH als Argument für die Gewährung des Preisvorteile angeführt wurde.
Um wie viel Geld geht es eigentlich?
DocMorris schätzt das Einsparpotenzial auf 500 Millionen Euro. Die Rabattverträge haben im vergangenen Jahr mehr als das Siebenfache dieser Summe eingespart, nämlich 3,61 Milliarden. Insgesamt lagen die Ausgaben der gesetzlichen Kassen für Arzneimittel 2015 bei knapp 35 Milliarden Euro. 2016 lagen sie in den ersten beiden Quartalen noch etwas höher als im Vorjahr.
Doch möglicherweise haben sich alle Ideen von DocMorris und
den Kassen erledigt. Das Vorhaben von Gesundheitsminister Hermann Gröhe, den
Rx-Versand zu verbieten, dürfte keinem von beiden schmecken. Denn damit wären
alle Pläne hinfällig. Der Vorstandsvorsitzende
des AOK Bundesverbandes, Martin Litsch, hatte schon gegenüber der FAZ erklärt, man könne
den Versandhandel nicht mehr zurückdrehen. Ein Verbot wäre das falsche Signal. Den
Gesetzgeber warnte Litsch davor, „Schnellschüsse“ zu produzieren und alle Lösungswege zu prüfen.
GKV-Spitzenverband hält Verbot für nicht zeitgemäß
Aber genau Letzteres soll Gröhe getan haben. „Der Minister habe zwischen verschiedenen Optionen abgewogen und sich schließlich für das Verbot entschieden,“ heißt es in der Rheinischen Post. Dies bestätigte auch eine Ministeriumssprecherin. Die Reaktionen der Kassen haben erwartungsgemäß nicht lange auf sich warten lassen. So hält der stellvertretende Vorsitzende des GKV-Spitzenverbandes Johann-Magnus von Stackelberg im 21. Jahrhundert eine ganze Branche per Gesetz vom Online-Versandhandel ausschließen zu wollen, für nicht zeitgemäß. Zur Arzneimittelversorgung sollten seiner Ansicht nach alle Vertriebswege, die eine sichere Versorgung garantieren, genutzt werden – ob Pick-up-Stellen, Versandhandel oder die traditionelle Apotheke an der Ecke. Vor diesem Hintergrund sollte die Entscheidung des EuGH nicht als Bedrohung, sondern vielmehr als Chance begriffen werden, erklärte er. Von Stackelberg erkennt außer den Lobbyinteressen der niedergelassenen Apotheker keinen Grund, warum der Online-Versandhandel mit Medikamenten pauschal verboten werden sollte.
DocMorris hat bereits, bevor es konkrete Pläne für ein Rx-Versandverbot gab, angekündigt, gegebenenfalls vor das Verfassungsgericht zu ziehen. In der FAZ vom Freitag wird Heinrich noch zitiert, dass er nicht davon ausgehe, dass der Versandhandel mit Verschreibungspflichtigem ganz verboten wird.
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